Ein Geschenk zum Verlieben
Das
fröhliche Klingeln einer Fahrradglocke ließ
die alte Dame, die vor einem Gemüsebeet kniete,
aufblicken.
„Du
bist aber heute früh, mein Kind,“ lachte
sie ihre Enkelin vergnügt an.
„ Durfte
früher gehen, dafür habe ich aber eine Mammutaufgabe von meinem
Chef bekommen.“
Franziska,
kurz Franzi genannt, verzog
das Gesicht und nahm den
Kopf Salat entgegen, den die Oma ihr reichte.
Zusammen
gingen
sie ins Haus.
Während
die alte Frau den gefüllten Schweinebraten übergoss
und dann die Knödel ins Wasser legte,
zerpflückte
Franzi mit flinken Fingern den Salat.
Als
ihre Eltern starben kam die damals Zwölfjährige zu ihrer Großmutter
und dann als sie die Wirtschaftsschule erfolgreich abgeschlossen
hatte, bekam sie die Stelle auf dem hiesigen Rathaus.
Mittlerweile
war sie so etwas wie die rechte Hand des Bürgermeisters, Franzi
bezeichnete sich aber „als Mädchen für alles“.
„Weißt
du was er,“ damit meinte sie ihren Chef, „mir wieder aufgedrückt
hat. Ich soll für die da oben auf dem Berg ein Geburtstagsgeschenk
besorgen.“
Die
alte Frau wusste, wen sie meinte.
Auf
dem Berg stand die Villa des längst verstorbenen Fabrikanten
Kleinholz. Vor ungefähr zwei Jahren hatte seine Tochter nach dem
Tode ihres Mannes die Villa wieder bezogen und lebte nun mit einer
alten Haushälterin allein in
dem riesigen Haus.
„Was
soll man denn einer Frau schenken, die schon alles hat?“ stöhnte
das junge Mädchen.
„Warum
will der Bürgermeister das überhaupt?“
„Weil
sie und ihr Mann berühmte Forscher waren und am selben Tag doch die
500 Jahresfeier unseres Ortes ist.
Und
du weißt ja unser Bürgermeister will unseren Ort berühmt machen
und der 70igste Geburtstag einer so berühmten Einwohnerin, das ist
doch das gefundene Fressen für ihn. Wäre mir auch alles wurscht,
wenn er nur nicht mich mit der Suche nach einem Geschenk beauftragt
hätte.“
Franzi
zog
ein ulkig verzweifeltes Gesicht und ihre Oma lachte herzlich.
„Oma,
ihr beide seid doch im selben Alter, kannst du mir denn keinen Tipp
geben?“
Frau
Hermes schüttelte
den Kopf und meinte:
„Weißt
du die da oben auf dem Berg, die waren immer für sich und Magda hat
auch nicht die Dorfschule besucht, sondern hatte einen Privatlehrer,
später kam sie dann ins Internat und ging dann in G. auf die
Universität, dort hat sie dann ihren Professor, der zwanzig Jahre
älter war, geheiratet und sie sind in alle Herren Länder auf
Forschungsreisen gegangen.
Sie
war fast vierzig als sie
schwanger und die Beiden sesshaft wurden.“
„Dann
gibt es also ein Kind, aber es hat seine Mutter bisher noch nicht
besucht, lebt es denn noch?“
„ Ach
der Professor war ein ungemein schwieriger Mensch und fast sechzig,
als der Junge geboren wurde.
Ich
hörte munkeln, dass es ein Zerwürfnis zwischen den beiden gab. Aber
weißt du was, frag doch die alte Leni, ihre Haushälterin, die war
damals die Kinderfrau des Jungen.Vielleicht
kann sie dir auch helfen bei einem Geschenk. Aber
nun deck den Tisch, die Knödel sind fertig.“
Am
nächsten Vormittag wartete
Franzi in der Nähe der
Villa und als sie Leni mit den Einkaufstaschen den Berg herauf kommen
sah, eilte sie ihr entgegen und half ihr beim Tragen.
Sie
folgte der Alten in die geräumige Küche.
„Moagst
an Kaffää?“
Franzi
nickte und dann fing sie vorsichtig an die Leni auszufragen.
Dazu
brauchte es gar nicht viel, denn Leni redete für ihr Leben gern, war
es doch sehr einsam hier in der Villa für sie.
„Ja
woast, der gnädige Herr war hoalt a ganz extraer, war eben a
Wissnschaftler und seine Vorträg waren voller Brillianten.“
Franzi
sah sie verblüfft an, hatte der Professor denn mit Edelsteinen zu
tun, dann dämmerte es
ihr, dass die gute Alte wohl „Brillianz“
meinte.
Das
bestätige sich dann, denn die Leni stand mit Fremdwörtern auf
Kriegsfuß.
„ Ja,
der war ganz a Gscheider, aber a schwierig, die gnä Frau hoats net immer leicht ghabt
mit eam, trotzdem , is sie
sehr melandolisch“ – Franzi registrierte bei
sich, dass sie wohl melancholisch meinte
– „ seit er doat is, aber des
is woi a weger
dem Tobias“.
Leni
schnäuzte sich kräftig und wischte sich die Tränen aus den Augen
und dann erzählte sie von dem lieben Bub, der nach einem bösen
Streit mit seinem Vater fortgegangen
war.
Wissenschaftler sollte er werden, aber er wollte Kunst studieren,
jetzt sei er ein gefragter Resttadeur.
Franzi
grinste, die Gute meinte wohl Restaurator.
Sie
erfuhr nun, dass Leni mit ihrem Bub seit zehn Jahren in Verbindung
stand, doch die Gnädigen durften davon nichts wissen.
Franzi
kam eine Idee und die teilte sie gleich der guten Alten mit.
Sie
wollte den Tobias ausfindig machen und ihn zum Geburtstag seiner
Mutter einladen, das wäre doch ein tolles Geschenk.
Leni
schlug die Hände zusammen.
„Döes
wär a Freid für die Gnädige, denn sie hoat sehr under dem Streit
glitten, aber gegen den Professor kams net oa, der war ja so vuil
älter wia sie und hoats oft bhandlt wie a kloans Kind.“
Franzi
fragte nach der Adresse von Tobias van der Meeren und Leni gab sie
ihr.
Zuhause
setzte sich das junge Mädchen sofort an den Computer und
recherchierte.
Gleich
am nächsten Tag machte sie sich auf den Weg, denn
das schien ihr sicherer, als zu schreiben.
Ein
junges hübsches Mädchen saß in dem Büro der Firma van der Meeren
und erklärte auf ihre Frage, der Chef wäre in der Werkstatt.
Franzi
betrat diese und blieb einen Moment stehen und beobachtet den jungen
gutaussehenden Mann, der tief versunken über einem alten Schreibtisch
stand vorsichtig mit einem Pinsel darüber fuhr.
Jetzt
richtete er sich auf und bemerkte das junge Mädchen, das ihn
fasziniert betrachtete.
„Hallo!“
Er grinste und Franzi spürte plötzlich ein Kribbeln im Bauch.
„Einen
schönen Gruß von der Leni!“
Der
junge Mann wurde ernst. „Geht es ihr gut, ist alles in Ordnung?“
fragte er besorgt.
„ Ja,
ja, aber ich hätte gerne mit ihnen über ein besonderes Anliegen
gesprochen, nichts berufliches, eher privat.“
Nun
wurde Franzi doch verlegen und überlegte, ob das ganze nicht doch
eine verrückte Idee war.
Sie
drehte sich um und wollte gehen.
Doch
da wurde sie am Arm gepackt und festgehalten.
„Jetzt
haben sie mich neugierig gemacht, also was ist los?“
Ehe
sich das Mädchen versah, saß sie auf einem Stuhl, einen
Kaffeebecher in der Hand und blickte in die erwartungsvollen Augen
des jungen Mannes, der ihr Herz soviel schneller schlagen ließ.
Sie
wusste nicht wie sie anfangen sollte, doch dann sprudelte sie die
ganze Geschichte heraus.
Der
siebzigste Geburtstag seiner Mutter, der Auftrag des Bürgermeisters
wegen eines Geschenkes und dass sie bei der Leni sich Hilfe holen
wollte, diese dann von ihm erzählt und sie beide beschlossen
hätten, ihn als Geschenk zu überbringen.
Eine
Weile blieb es still und Franzi wagte nicht ihr Gegenüber anzusehen.
Plötzlich
fing dieser zu lachen an.
„Ich
soll also ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter sein, wollen sie
mich einpacken und eine große rote Schleife um mich binden?“
Franzi
wurde flammend rot und stammelte.
„Entschuldung,
es war eine dumme Idee.“
Der
junge Mann wurde ernst und nahm ihre Hand.
„Nein,
so dumm war die Idee gar nicht, Leni will schon längst, dass ich
mich mit meiner Mutter versöhne, aber ich habe es bisher nicht
geschafft.
Vielleicht
ist dies eine gute Gelegenheit.
Wissen
sie, meine Eltern waren schon sehr alt, als ich zur Welt kam und
beide Wissenschaftler, die mit einem kleinen Kind wenig anfangen
konnten. So war ich meist Leni überlassen und ohne sie, wäre meine
Kindheit sehr lieblos geworden. Ich mache meinen Eltern keinen
Vorwurf, sie konnten wohl nicht anders. Mein Vater nahm erst von mir
Notiz, als ich nach dem Abitur aus dem Internat kam. Er wollte, dass
ich in seine Fußstapfen trete, doch das machte ich nicht mit. Ich
wollte Kunst studieren. Das hat uns entzweit und von da ab existierte
ich nicht mehr für ihn.
Ich
zog aus, finanzierte mein Studium selbst, durch Nebenjobs. Und dann
bekam ich einen Job als Aushilfsfahrer bei einem Restaurator und
dessen Arbeit faszinierte mich. Ich wusste nun was ich werden wollte.
Als
mein Vater starb hatte ich gerade einen Auftrag in Amerika und konnte
nicht zur Beerdigung kommen. Irgendwie tut es mir leid, dass ich mich
vor seinem Tod nicht mehr mit ihm versöhnt habe. Ich möchte nicht,
dass dies auch mit meiner Mutter geschieht und Leni bittet mich schon
lange, doch endlich zu kommen, aber bisher fand ich nicht den rechten
Mut. Vielleicht aber ist ihr Geburtstag die Gelegenheit,
vorausgesetzt sie verzichten auf die rote Schleife.“ grinste er.
Als
Franzi sich auf den Weg machte sang sie vergnügt und seltsamerweise
handelten alle Lieder von der Liebe.
Die
Festgäste waren alle eingetroffen und Franzi blickte immer wieder
zum Eingang. Würde er auch kommen?
Da
sah sie ihn und ihr Herz begann freudig zu schlagen.
Schnell
schlängelte sie sich durch die Tischreihen zum und zog ihren
Ehrengast aus dem Festzelt.
„Wie
schön, dass sie gekommen sind, warten sie, ich muss sie erst
anmelden.“
Und
schon lief sie zurück zur Bühne, klopfte an das Mikrofon und
erzählte nun in launigen Worten, wie der Bürgermeister ihr
aufgetragen hatte für ihren Ehrengast ein Geschenk zu suchen.
„Liebe
gnädige Frau van der Meeren, sehen sie bitte zum Eingang, dort kommt
ihr Geschenk.“
Alle
Augen wandten sich dem Zelteingang zu, durch das jetzt Tobias van der
Meeren trat.
Leni
quietschte und legte beide Hände aufs Herz und Frau van der Meeren
wurde abwechselnd rot und blass.
Sie
stand auf und eilte ihrem Sohn entgegen.
In
der Mitte trafen sie sich und lagen sich weinend in den Armen.
Ringsum
herrschte Stille und manche Träne floss, dann aber brauste Beifall
auf.
Franzi
aber setzte sich still neben die Oma und über ihre Wangen liefen die
Tränen.
Später
holte Tobias sie und ihre Oma an ihren Tisch.
Als
Franzi dann alle Pflichttänze mit den Honoratioren hinter sich
hatte, wobei ihr der dicke Bäcker Strudel kräftig auf die Zehen
trat, konnte sie mit dem geliebten Mann über die Tanzfläche
wirbeln.
Drei
Augenpaare beobachteten sie und Leni sprach aus, was die anderen zwei
sich dachten.
„O
mei, is des a schens Paar und wia verliabt s si oschaun.
Deee
passn guat zsamm!“
©
Lore Platz (2014)
Anmerkung:
Ich hoffe ihr versteht den bayrischen Kauderwelsch von Leni!