Mittwoch, 20. November 2024

Rettung in der Not -



Vor vielen Jahren hatten wir einmal in einem kleinen Dorf ein Haus gemietet. Hinter dem Haus war ein Stück Wiese mit einem Kirschbaum und ein kleiner Garten, in dem Kurtl seine geliebten Tomaten anpflanzen konnte.
Vor dem Haus aber war ein kleiner Vorgarten, den ich wild wuchern ließ. Mir gefiel das, aber nicht meiner Vermieterin.
Sie kniete eines Tages in dem kleinen Gärtchen und rodete es mit Begeisterung, dann pflanzte sie Tulpen an und kam immer wieder um ja jedem kleinsten Unkraut den Garaus zu machen.
 
 
 
LP

 



Rettung in der Not


Eine große grüne Raupe kroch direkt vor Ferdinands Nase und er musste nur noch zuschnappen, da wurde er unsanft aus seinem Schlummer geweckt.
Ein komisch surrendes Geräusch ertönte und die Blätter, unter denen sich der kleine Igel vergraben hatte, verschwanden in einem seltsamen Gerät.
Ein Mann und ein Junge standen vor Ferdinand, der sich sofort in eine Kugel verwandelte und der Junge rief.
Papa ein Igel!“
Lass ihn liegen, der ist voller Flöhe!“
Ferdinand aber blieb lange liegen, bis die Geräusche im Garten verstummten.
Dann erst wagte er seine Verteidigungsstellung aufzugeben.
Die kleinen schwarzen Knopfaugen sahen sich prüfend um.
Kein einziges Blatt lag mehr im Garten und auch sonst konnte er keinen geeigneten Unterschlupf entdecken.
Dabei waren die Temperaturen bereits gefallen und er brauchte ein Winterquartier. Nun musste er sich erneut auf die Suche machen. Dabei hatte er doch so großen Hunger, kein Wunder, dass er von leckeren Raupen träumte.
Zum Fressen fand er auch nichts mehr, denn die Insekten hatten sich bei der Kälte alle in ihre Schlupflöcher verkrochen.
Wenn er den Winter überleben wollte musste er unbedingt schlafen.
Seufzend trippelte Ferdinand los und grub sich mit seinen kräftigen Vorderbeinen unter dem Lattenzaun durch.
Vor ihm lag die Straße. Der Igel wusste, wie gefährlich diese war, denn seine Mutter hatte ihn gewarnt und zwei seiner Geschwister waren von einer lauten stinkenden Maschine platt gewalzt worden.
Ferdinand fasste sich ein Herz und, die gegenüberliegende Seite nicht aus den Augen lassend, lief er los.
Ein großes blaues Auto kam auf ihn zu, doch der Igel bemerkte es nicht, auch hätte er sich gar nicht in Sicherheit bringen können.
Aber eine ältere Dame sah in welcher Gefahr der kleine Kerl steckte. Sie lief auf die Straße, packte den kleinen Igel, warf ihn in ihren Einkaufskorb und hastete zurück.
Der Autofahrer fuhr wild hupend vorbei.
Amalie Garner blickte lächelnd auf die kleine stachelige Kugel in ihrem Korb.
Was sollte sie nun mit dem kleinen Kerl machen? Am besten sie brachte ihn zu Doktor Helfrecht.
Bald lag Ferdinand auf dem Tisch und der Tierarzt versuchte ganz vorsichtig die kleine Kugel zu öffnen.
Nachdem er den Igel gründlich untersucht hatte, sah er Frau Garner lächelnd an.
Kerngesund, wäre doch schade gewesen, wenn er unter die Räder gekommen wäre.“
Was soll ich aber nun mit ihm machen?“
Am besten sie nehmen ihn zu sich nach Hause. 
Ihr Garten ist doch bestens geeignet für so einen kleinen Kerl, bei ihnen wird er sich wohl fühlen.“
Amalie wird etwas rot.
Meine Nachbarn sagen, ich würde meinen Garten verwildern lassen.“
Ja, die Ordnungsliebe unserer Landsleute, am wohlsten fühlen sie sich, wenn ihre Gärten sauber sind wie ihre
Wohnzimmer und bedenken gar nicht, dass die Tiere sich dort gar nicht wohl fühlen.
Sehen sie zum Beispiel der Igel, er braucht einen Unterschlupf, damit er tagsüber schlafen kann, denn er ist ein nachtaktives Tier. Und er ist ja auch nützlich, frisst er doch Käfer, Raupen und Schnecken und sorgt so für das Gleichgewicht in der Natur und hält die Gärten von Schädlingen frei.
Aber zuerst brauchen sie mal für den Kleinen hier ein Winterquartier. Außerdem sollten sie ihn vorher noch ein wenig aufpäppeln, sein Gewicht ist gerade so an der Grenze. Es ist noch ein Jungtier.“
Der Tierarzt betrachtete lächelnd den Kleinen, der nun neugierig den Tisch erkundete.
Am besten sie setzen ihn in eine Schachtel, die sie in die Nähe der Heizung stellen. Futter gebe ich ihnen mit und auch eine Tinktur für die Flöhe.“
Kann er denn in der Schachtel auch überwintern?“
"Nein, er braucht etwas, wo er sich verkriechen kann am besten bauen sie eine Igelburg! Die kann auch dann das ganz Jahr genutzt werden. Ich bin sicher ihr Sohn wird ihnen helfen und ihre Enkelkinder werden den größten Spaß beim bauen haben.“
Der Tierarzt schmunzelte und auch Amalie lächelte.
Versehen mit Futter und Tinktur machte sich die alte Dame auf den Heimweg.
Eine passende Schachtel ist bald gefunden, sie polsterte sie mit weichen Papiertüchern aus, und zwei kleine Kompottschüsseln dienten als Futter und Wassernapf.
Dann setzt sie den kleinen Igel hinein. Vorsorglich hatte sie vorher ihre Gartenhandschuhe angezogen.
 
 

 
Ihre Familie staunte, als sie am Sonntagnachmittag zum Kaffee kam. Torsten und Ellen waren gar nicht von der Schachtel wegzubringen.
Erst als die Oma mahnte, dass der kleine Kerl seine Ruhe brauchte, gingen sie widerstrebend zum Tisch zurück.
Als Amalie ihren Sohn Richard fragte, ob er ihr eine Igelburg bauen würde, da stimmt dieser sofort begeistert zu und Torsten tippte schnell in sein Smartphone und zeigte ihnen wie so eine Burg aussah.
Ich werde mir die besten Baupläne zuhause ausdrucken und am Samstag können wir dann mit dem Bau beginnen,“ versprach Richard.
Wisst ihr, was der Name Igel bedeutet?“ rief Torsten, der inzwischen mehr über den neuen Hausbewohner erfahren wollte.
Schlangenfresser oder 'der zur Schlange gehörende', berichtete Torsten.
Oma, dann hast du keine Schlangen mehr im Garten,“ meinte die kleine Ellen.
Ja, denn in meinem Garten wimmelt es ja geradezu vor Schlangen,“ lachte die Oma.
Der Igel frisst auch Käfer, Raupen und Schnecken!“ Torsten sah von seinem Smartphone auf.
Na, davon habe ich mehr als genug. Aber zuerst muss unser kleiner Gast den Winter gut überstehen und wer weiß, ob er dann überhaupt hier bleiben will.“
Am nächsten Wochenende wurde die neue Behausung für Ferdinand gebaut und dann wurde er feierlich hineingesetzt.
 

 
Einen Moment blieb er regungslos stehen, dann vergrub er sich in das duftende weiche Heu, rumorte ein bisschen darin herum und dann rührte er sich nicht mehr.
Ich denke mal es gefällt ihm,“ meinte Amalie zufrieden.
Ferdinand schlief in seiner Burg bis April, dann wagte er sich ins Freie und er blieb, denn Amalies Garten war wie geschaffen für so einen kleinen Igel.
Und auf seinen nächtlichen Streifzügen traf er einmal ein bezauberndes Igelfräulein und er begann sie zu umwerben.
Und als sie ihn erhörte, da führte er sie heim in seine Burg und Amalie freute sich, wenn sie die kleine Familie, mit ihren drei Kindern in der Dämmerung durch den Garten trippeln sah.


© Lore Platz   3. Nov. 2015







Dienstag, 19. November 2024

Möpschen hat ein Geheimnis

 
 

 
 
1944 in einem eisigen Winter flohen Millionen Menschen aus Pommern, Schlesien und Ostpreußen vor den Russen.
Sie müssen alles zurücklassen und viele starben unterwegs.Kleinkinder und Kinder trifft es oft als erste.

Seltsam, die Geschichte der Menschen wiederholt sich immer wieder aufs neue, nur die Kulissen ändern sich.









Möpschen hat ein Geheimnis


Eine alte Frau sitzt in einem gemütlichen Zimmer in einem altertümlich etwas abgewetzten Lehnstuhl und ihre Augen sehen traurig ins Leere.
Seit einigen Tag spürt sie, dass die Stimmung im Haus sich geändert hat.
Ihr Enkel und seine Familie hatten sie damals aufgenommen, als ihr geliebter Mann gestorben war.
Achtzig Jahre ist sie nun und soviel ihrer Lieben hat sie schon verloren.
Geblieben sind ihr nur noch ihr Enkel Andreas, seine warmherzige Frau Gisela und die vierjährige Angelika.
Als ihr Mann starb haben sie ihr ein Heim in ihrem Haus angeboten.
Ihr Blick wandert zu dem Mops, der auf der Vitrine steht. Er ist fast so alt wie sie, ein Ohr ist ein wenig abstoßen und die Farbe ist ganz trüb geworden.
Sie schließt die Augen und ihre Gedanken wandern in die Vergangenheit.
Vier Jahre war sie alt, als sie im Oktober 1944 mit ihrer Mutter und Tante Jutta flüchten mussten.
Verlassen mussten ihr schönes Zuhause.
Die Dienstboten hatten sie schon längst verlassen. Ihre Mutter und ihre Tante hatten das nötigste auf den großen Schlitten gepackt.
Sie zogen mehrere Kleider übereinander, denn es war bereits eisig kalt.
Wertvolles konnten sie nicht mitnehmen, denn das würde nur unterwegs Diebe anlocken.
Mama trug nur ihren Ehering um den Hals versteckt unter den vielen Pullovern, die sie trug.
Und Tante Jutta, die gerne töpferte, hatte, nur Möpschen mit genommen und ihn behütet wie einen kostbaren Schatz.
Sie hatte sich sehr gewundert und erst viele viele Jahre später als sie selbst nicht mehr jung am Bett ihrer sterbenden Tante stand, hatte diese ihr leise das Geheimnis von Möpschen ins Ohr geflüstert.
Nachdem die Augen der Tante sich für immer geschlossen hatten, nahm sie die Keramikfigur an sich, wie diese es verlangt hatte.
Und nun war sie seit vielen Jahren die Hüterin des Hundes und irgendwie spürte sie, dass es an der Zeit ist sein Geheimnis zu lüften.
Leise öffnet sich die Tür und das süße Gesicht ihrer Urenkelin späht herein.
Uri, darf ich herein kommen?“
Sicher.“
Die Vierjährige stürzt ins Zimmer und in die Arme ihrer Urgroßmutter.
Ich bin soooo traurig Uri,“ schluchzt sie und umklammert den Hals der alten Frau und drückt ihr nasses Gesicht an ihr Gesicht.
Liebevoll streicht die alte Frau über das seidenweiche Haar der Kleinen und wiegt sie sanft hin und her und als das Schluchzen leiser wird, fragt sie liebevoll.
Warum bist du denn so traurig, mein Schatz.“
Ein Mann hat eben einen Brief gebracht und Papa hat ganz grimmig geschaut und hat zu Mama gesagt
jetzt ist es soweit wir verlieren unser Haus.“
Wieder rollen die Tränen über ihr Gesicht.
Wenn wenn wir kein kein Haus mehr haben müssen wir dann im Garten schlafen.“
Die alte Frau hebt das Kind von ihrem Schoß, steht auf, nimm ihre Hand und meint fröhlich.
Nein das musst du nicht, komm wir wollen deine Eltern wieder fröhlich machen.“
Von der Kommode nimmt sie die Porzellanfigur und geht zusammen mit Angelika ins Wohnzimmer.
Ihr Enkel und seine Frau halten sich umschlungen und fahren auseinander, als sie eintreten.
Gisela wischt sich verlegen die Tränen aus den Augen.
Angelika läuft zu ihrer Mutter und klettert auf ihren Schoß.
Die Großmutter aber setzt die Figur auf den Tisch und sagt forsch.
Ihr werdet euer Haus nicht verlieren, Möpschen wird euch helfen, auch wenn er leider dafür sterben muss.“
Entgeistert starren die jungen Leute auf die Porzellanfigur, die sie oft belächelt hatten weil die Oma sie so behütet hat.
Und nun erzählt die alte Frau von Tante Jutta, die gerne töpferte und deren Lieblingshund der Mops war und als sie den Schwarzsender abhörte und erfuhr, dass die Russen kommen, da hat sie einen Mops geschaffen, in den sie den Familienschmuck mitsamt der Besitzurkunde verstecken konnte.
All die Jahre hat sie ihn behütet.
Anfangs konnte sie ihn nicht verkaufen, denn alle waren arm. Später hatte sie sich eine neue Existenz aufgebaut und brauchte das Geld nicht.
Als sie ihn mir übergab und sein Geheimnis verriet, meinte sie, eines Tages wird die Zeit kommen, da du ihn brauchst, du wirst es spüren.
Ich denke dieser Tag ist jetzt gekommen.
Die Zeiten sind schlecht, deine Firma hat pleite gemacht und du hast deinen Arbeitsplatz verloren. Ihr steht kurz davor das Dach über dem Kopf zu verlieren.
Einen besseren Zeitpunkt kann es nicht geben.
Hol ein großes weiches Handtuch und einen Hammer.“
Die alte Frau wendet sich an ihre Enkelin.
Hast du noch von dem leckeren Kuchen, den du gestern gebacken hast, wie wäre es wenn du dazu für uns alle einen schönen Kakao kochst und Angelika will dir sicher helfen.“
Gisela versteht, dass die Kleine nicht dabei sein soll, wenn die Figur zertrümmert wird und geht mit dem Mädchen in die Küche.
Andreas kommt zurück, wickelt die Porzellanfigur in das weiche Tuch und schlägt drauf.
Die alte Frau schließt die Augen und ein kleiner Schmerz durchzuckt sie, zu lange war die wunderschöne Figur in ihrem Besitz gewesen.






Andreas legt seine Hand auf ihre.
Würde es dir helfen wenn wir einen neuen Mops beschaffen?“ fragt er mitfühlend.
Seine Oma nickt und Tränen glitzern in ihren Augen.
Schon allein wegen Angelika, die ihn sicher vermissen wird.
Bestimmt finden wir einen, der so ähnlich aussieht, aber nun mach schon das Handtuch auf.
Ich bin auch gespannt, wie unser Familienschmuck
aussieht.“
Ehrfürchtig betrachten die beiden das glitzernde Collier, das passende Armband dazu und einige goldene Ringe.
Was denkst du wie viel der Schmuck wert ist.?“
Nun die Diamanten sind echt und das Gold dürfte 24 Karat sein.
Morgen gehen wir zum Juwelier und lassen ihn schätzen, vielleicht kennt er sogar einen Käufer.
Ich denke um die Hypothek abzulösen und deine Schulden zu zahlen, dürfte es reichen.“
Andreas fällt seiner Oma um den Hals.
Na, na zerdrück mich nicht, lass schnell die Scherben verschwinden, ich höre Gisela und Angelika.
Auch Gisela bewundert den Schmuck und Angelika sieht strahlend von einem zum andern und freut sich, dass alle wieder glücklich sind und lachen.

© Lore Platz  25.11.2019





Montag, 18. November 2024

Nur ein Lächeln

fangen wir die Woche mit einem Lächeln  an  18.11.2024
 
 Nur ein Lächeln
 
 
Vor einiger Zeit schickte mir eine ganz liebe Freundin ein Buch mit dem Titel „Ich schenke dir ein Lächeln“.
Und dieses Geschenk zauberte mir sofort ein Lächeln
ins Gesicht und machte mich froh und der Tag erschien mir plötzlich schöner.
Wie oft stehen wir am frühen Morgen auf, mit den Gedanken schon beim Tagesablauf und während der Kaffee durch die Maschine läuft sind unsere Gedanken schon einige Stunden weiter.
Sollten wir uns nicht auf den Moment besinnen, den erwachenden Tag mit einem Lächeln begrüßen, die erste Tasse Kaffee bewusst genießen und dann mit dem Gefühl: „ich schaffe alles“ sich erst dem Tag und seinen Problemen stellen.
Probiert es mal aus und schenkt gleich am Morgen, wenn ihr aufsteht eurem Spiegelbild ein Lächeln.
 
Wie ansteckend ein Lächeln sein kann, habe ich als junges Mädchen mal erlebt.
Ich musste eine ziemlich weite Strecke vom Bahnhof in München zu meinem Arbeitsplatz laufen.
Meistens begegnete ich um diese frühe Uhrzeit nur Menschen die mit mürrischen Gesichtern an mir vorbei liefen.
Eines morgens aber sah ich ringsum nur freundlich lächelnde Gesichter.
Ich war damals frisch verliebt und ging wie ein Honigkuchenpferd grinsend durch die Straßen.
Und dieses glücklich verliebte Lächeln spiegelt sich in den Gesichtern aller die mir begegneten.
Ein Lächeln kann ein Echo erzeugen.
Nun wünsche ich euch, dass ihr diese Woche mit einem Lächeln beginnt und alles wird leichter, ihr werdet sehen.



(c) Lore Platz  3o.9.2013

Freitag, 15. November 2024

Erinnerungen

15.11.2024 

Dies ist meine geliebte Taufpatin, Tante Lieschen, über die ich ein Buch geschrieben habe. Das Schönste  ist wenn man alt wird, dass man einige schöne Erinnungen hat. Denn die sind es die im Alter bleiben. Glücklich der Mensch, der sie hat. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und viel Spaß beim Lesen!


 


 

 (geschrieben 2019)

Als ich letztes Jahr diese böse Erfahrung im Internet gemacht habe, wollte ich meinen Blog ganz löschen. 
Meine Freunde haben mich davon abgehalten und ich bin froh darüber, warum soll ich mir und auch meinen treuen Lesern die Freude verderben wegen einem bösen Menschen.


Erinnerungen sind was schönes, besonders wenn man den Menschen geliebt hat.
Mit dieser Geschichte wünsche ich euch einen schönen Start in die neue Woche. 
 

 






Erinnerungen

Hannelore ging langsam den Kiesweg entlang und blieb dann vor dem Grab ihrer Oma stehen.
Sie legte den bunten Blumenstrauß ab und zog die gläserne Vase aus der schwarzen weichen Erde inmitten des steinernen Vierecks.
Am nahegelegenen Kompost entsorgte sie die verwelkten Blumen, spülte die Vase aus und füllte sie mit frischem Wasser.
Während sie die Blumen liebevoll arrangierte, liefen ihr die Tränen über das Gesicht.
Oma, ich vermisse dich so, hast dich einfach still und heimlich davon geschlichen, während ich mitten im Examen steckte. Nichts gesagt hast du mir, wie krank dein armes Herz war, wolltest mich nicht belasten.
Aber wenigstens hat der Arzt gesagt, du bist ganz friedlich eingeschlafen. Dabei wollte ich dir doch Lutz vorstellen, du hättest ihn sicher gemocht. Ach Omi, ich lieb dich so!“
Das Mädchen erhob sich, faltete die Hände zu einem stummen Gebet und verließ mit gesenktem Kopf den Friedhof.




Wenig später hielt ihr Auto vor dem kleinen schmucken Häuschen der Oma.
Beide Hände auf dem Lenkrad betrachtete sie den verwilderten Garten, den Apfelbaum an dem noch die Schaukel hing, die der Opa ihr aufgehängt hatte, als sie damals nach der Scheidung ihre Eltern von ihrer Mutter bei
deren Eltern abgeliefert wurde wie ein lästiges Paket.
Weder der Vater noch die Mutter wollten sie in ihr neues
Leben mitnehmen.
Mit unendlicher Liebe hatten sich die Großeltern dem verstörten Kind angenommen.
Nach dem Abitur hatte sie dann weiter entfernt einen Studienplatz bekommen und konnte nur noch gelegentlich zu Besuch kommen, denn das Fahrgeld war teuer und sie hatte auch noch einen Job als Kellnerin in einem Studenten- Cafe.
Als sie im zweiten Semester war, starb der Großvater und sie war sofort nach Hause geeilt, um der Großmutter zur Seite zu stehen.
Als alles erledigt und vorüber war, hatte die Oma sie energisch weg geschickt, denn der Opa würde sich freuen wenn sie ein gutes Examen machte.
War er doch so stolz auf seine kluge Enkelin.
Und sie hatte sich noch mehr in ihre Studien gestürzt, erstens, um zu vergessen, aber auch um ihren Großeltern zu danken, die soviel für sie getan hatten.
Dann hatte sie ihr Examen mit Eins gemacht und gerade ihre Koffer gepackt, Lutz, den sie ihrer Oma vorstellen wollte wartete schon unten in seinem alten VW-Käfer, , da kam das Telegramm.
Verzweifelt und entsetzt hatte sie dagesessen bis Lutz herauf kam und sie in die Arme nahm.
Und statt auf Besuch waren sie zu einer Beerdigung gefahren.
Da kein Testament vorhanden war, hatte ihre Mutter das Haus geerbt und schnellst möglichst verkauft.
Sie hatte ihre Tochter aufgefordert, ihre persönlichen Sachen und das der Oma aus dem Haus zu holen, bevor am Montag die Firma, die das Haus ausräumen würde, kommt.
Hannelore nahm den Schlüssel aus dem Blumentopf neben dem Eingang und betrat das Haus.
Im Flur hingen mehrere Mäntel und Jacken übereinander auf den Hacken. Verschiedene Schuhe lagen kreuz und quer darunter.
Liebevoll lächelnd betrachtete das Mädchen das Chaos. Von Ordnung hielt Oma nie viel.
Eine Wohnung ist keine Schonung, man muss sehen, dass darin das Leben stattfindet,“ pflegte sie zu sagen, wenn der Opa über ihre Unordnung meckerte.
Hannelore ging in die kleine beige geflieste Küche. 
Wie viele gemütliche Stunden hatten sie drei hier verbracht. Opa hatte die Oma immer geneckt,und die sich vergnügt zu wehren gewusst.
Hannelore hatte gekichert und sich gewünscht, auch einmal so eine glückliche Ehe zu führen.
Sie ging hinüber in die kleine Wohnstube, öffnete das Fenster, um die abgestandene Luft hinaus zu lassen.



Eine Biene kam summend herein geflogen, prallte gegen die Wand, dann gegen die Scheibe und fand endlich wieder den Weg in den Garten.
Hannelore strich liebevoll über die Lehne des alten Sessels. Hier hatte die Oma immer gesessen und ihr aus einem alten zerfledderten Märchenbuch vorgelesen, während sie auf dem Fußbänkchen saß, den Kopf an Omas Knie gelehnt und lauschte.
Der Opa war am Tisch gesessen, die geliebte Pfeife im Mund und tat als würde er Zeitung lesen.
In Wirklichkeit hörte er auch zu, aber dass hätte er niemals zugegeben.
Hannelores Blick wanderte zum Schrank, auf dessen unterer Ablage große ziemlich schiefe Stapel alter Zeitungen sich türmten.
In dem Regal darüber lagen kunterbunt durcheinander einige Bücher.
Das Mädchen holte das Märchenbuch heraus und blättert versonnen darin.
Träumst du mal wieder, Sprösschen,“ erklang Lutz Stimme hinter ihr.
Jubelnd fiel sie ihm um den Hals.
Wo kommst du denn her!“
Hab mir frei genommen, konnte dich doch nicht allein
lassen mit dem ganzen Kram hier.“
Grinsend sah er sich um.
Jetzt weiß ich woher du deinen Hang zur Unordnung hast.“
Spielerisch knuffte sie ihn in die Seite.
Nun begannen sie alle Dinge, die Hannelore gern behalten wollte in die Umzugskartons zu packen.
Die Schubladen, die vor Papieren überquollen schütteten sie in einen Wäschekorb.
Den Papierkram wollten sie zu Hause erledigen.
Die Fotoalben und Bücher legten sie dazu.
Zwei Stunden später lümmelten sie erschöpft aber froh auf dem alten Sofa.
Lutz ließ grinsend seinen Blick durch den Raum gleiten.
Gemütlich hier!“
Trotz Unordnung?“ spottete Hannelore.
Lutz küsste sie auf die mit Sommersprossen übersäte Nase, deshalb nannte er sie auch Sprösschen, und erklärte.
Seit ich dich kenne, liebe ich Unordnung geradezu!“
Das Mädchen rammte ihm den Ellbogen in die Seite.
Aua!“
Dann legte sie ihren Kopf an seine Schulter und Lutz schmiegte seine Wange auf ihr Haar.
Hannelore war, als hörte sie ihre Oma kichern.
Oh ja, Lutz hätte der Oma gefallen.

© Lore Platz




 

 

Donnerstag, 14. November 2024

Der achtzigste Geburtstag

 14.11.2024  Noch 17 Tage bis zum ersten Dezember, dann fange ich an   euch meinen neuen im Sommer (hahaha) geschriebenen Adventskalender vorzustellen.

Gesundheitlich geht es wieder aufwärts und dann war ich auch noch einige Tage ohne Internet und möchte mich herzlich bei meiner Freundin Regina bedanken die über ihren Computer meine Beiträge einstellte.

 

 


 

( geschrieben 2021)

 
In einigen Wochen werde ich siebzig und eine sehr liebe Freundin und treue Leserin meines Bloges hat Morgen in der Familie zwei siebziger Geburtstage zu feiern, da muss ich doch eine  Geburtstagsgeschichte einstellen.
Übrigens Tante Betty und Onkel Franz hat es wirklich in meiner Kindheit gegeben und auch ich habe später den Kontakt zu ihnen verloren.





Der achtzigste Geburtstag

Birgit legte den Schlüssel auf die Kommode und ging ins Wohnzimmer. Bernd, der gerade fürs Examen büffelte, hob den Kopf von den Büchern und grinste.
Nun hast du die Turteltauben in den Flieger gesetzt?“
Birgit kicherte. „ Man sollte meinen sie fahren in die Flitterwochen und nicht auf eine Kreuzfahrt nach 25 Jahren Ehe.“
Ihr Vater hatte der Mutter zur Silberhochzeit eine Kreuzfahrt geschenkt und Birgit hatte die beiden eben zum Flughafen gefahren.
Bernd sah seine Freundin nachdenklich an. Irgend etwas bedrückte sie doch?
Und dann setzte sich Birgit auch schon neben ihn, legte den Kopf auf seine Schultern und erzählte ihm von Tante Betty und Onkel Franz, die im gleichen Haus wie ihre Eltern gewohnt hatten und immer auf sie aufgepasst haben, wenn die Eltern in der Arbeit waren.
Sie waren wie Großeltern für sie, doch dann waren sie weg gezogen, nachdem sie sich ein kleines Häuschen gekauft hatten.
Nun hatte ihre Mutter ihr erzählt, dass Onkel Franz vor einem Jahr gestorben sei und Tante Betty nächsten Dienstag ihren achtzigsten Geburtstag feiere und ganz allein wäre.
Sie hat Birgit gebeten, nach ihr zu schauen.
Das Mädchen hob den Kopf. „Weiß du ich schäme mich, so oft habe ich mir vorgenommen, sie zu besuchen, doch es blieb immer nur bei dem Vorsatz, dabei sind es nur
hundert Kilometer von hier. Ich habe ein richtig schlechtes Gewissen.“
Warum fährst du denn nicht für ein paar Tage zu ihr? Deine Klausur für dieses Semester ist abgeschlossen und du hast frei.“
Und du?“
Bernd grinste. „ Ich genieße es, dich mal für ein paar Tage los zu sein!“
Birgit knuffte ihn in die Seite.
Doch im Ernst, ich muss sowieso fürs Examen büffeln, du verlierst dein schlechtes Gewissen der alten Dame gegenüber und am Dienstag komme ich mit dem Zug, dann feiern wir gemeinsam zu dritt Geburtstag.“
Birgt küsste ihn stürmisch.
Du bist ein Schatz!“




Einige Stunden später stand sie vor dem Häuschen von Tante Betty.
Etwas bange ist ihr doch zumute, doch da kam die alte Dame schon aus dem Haus und es ist, als hätten sie sich erst gestern getrennt.
Bald saßen sie gemütlich am Kaffeetisch, nachdem Birgit ihren Koffer in das kleine Zimmer gebracht hat, das von Tante Betty gleich nach ihrem Anruf für sie hergerichtet wurde.
Die alte Frau war überglücklich das Mädchen nach all den Jahren wieder zu sehen und als Birgit ihr gestand, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, winkte sie nur ab.
Nun verlebten die beiden so unterschiedlichen Frauen einige wundervolle Tage und wurden des Erzählens nicht müde.
Am Abend vor ihrem Geburtstag fand Birgit die alte Frau weinend draußen auf der Bank.
Still setzte sie sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern.
Weißt du, das ist der erste Geburtstag den ich ohne meinen Franz feiere.“ flüsterte Betty.
Doch dann lächelte sie unter Tränen.
Jeden Morgen vor meinem Geburtstag ist er in den Wald gegangen und hat Waldmeister gerupft und dann hat er davon eine Bowle zu meinem Geburtstag gemacht.“
Gerupft?“
Tante Betty kichert. „Ja sie sahen immer ziemlich zerrupft aus, aber es wurde trotzdem eine köstliche Bowle daraus.“



Es dämmerte erst frühmorgens, als Birgit sich aus dem Haus schlich und in den nahe gelegenen Wald ging.
Sie musste ziemlich suchen, bis sie die weißen Blüten in dem grünen Blättermeer entdeckte.
Vorsichtig legte sie die Blätter in das mit gebrachte Tuch, das sie dann verknotete.
Als sie den Wald verließ pflückte sie noch einen bunten Wiesenblumenstrauß und schaute dann noch beim Bäcker vorbei und kaufte frische Brötchen und Kuchen.
Sie befürchtete schon, dass Tante Betty bereits wach sei, denn die Suche nach dem Waldmeister hatte doch länger gedauert.
Aber im Haus war alles still. Sie wusste nicht, dass die alte Dame bereits hell wach im Bett lag und schmunzelnd darauf wartete, dass sie gerufen wurde.
Summend bereitete Birgit das Frühstück, richtete den Tisch besonders liebevoll her und legte die mitgebrachten Geschenke neben den Teller der Tante, obenauf das Tuch mit dem Waldmeister.



Angelockt von dem Duft des Kaffees, der durchs ganze Haus zog, kam das Geburtstagskind die Treppe herunter und fand sich sogleich in einer stürmischen Umarmung.
Tränen traten der alten Dame in die Augen, als sie das Tuch aufknöpfte und die grünen Blätter sah und Birgit bekam einen extra Kuss.
Später machten sie zusammen die Bowle, wobei der frisch gewaschenen Waldmeister in Bündeln gebunden mit den
Blättern voran in den Wein gelegt wurde. 
Später wurde dann der Sekt dazu gegossen.
Von Birgits Eltern kam ein Blumenstrauß von Fleurop und ein Glückwunschtelegramm.
Gegen Mittag kam Bernd an und die Beiden verstanden sich auf Anhieb.
Bis spät in die Nacht wurde nun gefeiert und als die jungen Leute abfuhren, versprachen sie jetzt recht oft zu Besuch zu kommen.
Und dieses Versprechen haben sie auch gehalten.

© Lore Platz


Mittwoch, 13. November 2024

Ein Geschenk zum Verlieben










Ein Geschenk zum Verlieben


Das fröhliche Klingeln einer Fahrradglocke ließ die alte Dame, die vor einem Gemüsebeet kniete, aufblicken.
Du bist aber heute früh, mein Kind,“ lachte sie ihre Enkelin vergnügt an.
Durfte früher gehen, dafür habe ich aber eine Mammutaufgabe von meinem Chef bekommen.“
Franziska, kurz Franzi genannt, verzog das Gesicht und nahm den Kopf Salat entgegen, den die Oma ihr reichte.
Zusammen gingen sie ins Haus.
Während die alte Frau den gefüllten Schweinebraten übergoss und dann die Knödel ins Wasser legte, zerpflückte Franzi mit flinken Fingern den Salat.
Als ihre Eltern starben kam die damals Zwölfjährige zu ihrer Großmutter und dann als sie die Wirtschaftsschule erfolgreich abgeschlossen hatte, bekam sie die Stelle auf dem hiesigen Rathaus.
Mittlerweile war sie so etwas wie die rechte Hand des Bürgermeisters, Franzi bezeichnete sich aber „als Mädchen für alles“.
Weißt du was er,“ damit meinte sie ihren Chef, „mir wieder aufgedrückt hat. Ich soll für die da oben auf dem Berg ein Geburtstagsgeschenk besorgen.“
Die alte Frau wusste, wen sie meinte.
Auf dem Berg stand die Villa des längst verstorbenen Fabrikanten Kleinholz. Vor ungefähr zwei Jahren hatte seine Tochter nach dem Tode ihres Mannes die Villa wieder bezogen und lebte nun mit einer alten Haushälterin allein in dem riesigen Haus.
Was soll man denn einer Frau schenken, die schon alles hat?“ stöhnte das junge Mädchen.
Warum will der Bürgermeister das überhaupt?“
Weil sie und ihr Mann berühmte Forscher waren und am selben Tag doch die 500 Jahresfeier unseres Ortes ist.
Und du weißt ja unser Bürgermeister will unseren Ort berühmt machen und der 70igste Geburtstag einer so berühmten Einwohnerin, das ist doch das gefundene Fressen für ihn. Wäre mir auch alles wurscht, wenn er nur nicht mich mit der Suche nach einem Geschenk beauftragt hätte.“
Franzi zog ein ulkig verzweifeltes Gesicht und ihre Oma lachte herzlich.
Oma, ihr beide seid doch im selben Alter, kannst du mir denn keinen Tipp geben?“
Frau Hermes schüttelte den Kopf und meinte:
Weißt du die da oben auf dem Berg, die waren immer für sich und Magda hat auch nicht die Dorfschule besucht, sondern hatte einen Privatlehrer, später kam sie dann ins Internat und ging dann in G. auf die Universität, dort hat sie dann ihren Professor, der zwanzig Jahre älter war, geheiratet und sie sind in alle Herren Länder auf Forschungsreisen gegangen.
Sie war fast vierzig als sie schwanger und die Beiden sesshaft wurden.“
Dann gibt es also ein Kind, aber es hat seine Mutter bisher noch nicht besucht, lebt es denn noch?“
Ach der Professor war ein ungemein schwieriger Mensch und fast sechzig, als der Junge geboren wurde.
Ich hörte munkeln, dass es ein Zerwürfnis zwischen den beiden gab. Aber weißt du was, frag doch die alte Leni, ihre Haushälterin, die war damals die Kinderfrau des Jungen.Vielleicht kann sie dir auch helfen bei einem Geschenk. Aber nun deck den Tisch, die Knödel sind fertig.“
Am nächsten Vormittag wartete Franzi in der Nähe der Villa und als sie Leni mit den Einkaufstaschen den Berg herauf kommen sah, eilte sie ihr entgegen und half ihr beim Tragen.
Sie folgte der Alten in die geräumige Küche.
Moagst an Kaffää?“
Franzi nickte und dann fing sie vorsichtig an die Leni auszufragen.
Dazu brauchte es gar nicht viel, denn Leni redete für ihr Leben gern, war es doch sehr einsam hier in der Villa für sie.
Ja woast, der gnädige Herr war hoalt a ganz extraer, war eben a Wissnschaftler und seine Vorträg waren voller Brillianten.“
Franzi sah sie verblüfft an, hatte der Professor denn mit Edelsteinen zu tun, dann dämmerte es ihr, dass die gute Alte wohl „Brillianz“ meinte.
Das bestätige sich dann, denn die Leni stand mit Fremdwörtern auf Kriegsfuß.
Ja, der war ganz a Gscheider, aber a schwierig, die gnä Frau hoats net immer leicht ghabt mit eam, trotzdem , is sie sehr melandolisch“ – Franzi registrierte bei sich, dass sie wohl melancholisch meinte – „ seit er doat is, aber des is woi a weger dem Tobias“.
Leni schnäuzte sich kräftig und wischte sich die Tränen aus den Augen und dann erzählte sie von dem lieben Bub, der nach einem bösen Streit mit seinem Vater fortgegangen war. Wissenschaftler sollte er werden, aber er wollte Kunst studieren, jetzt sei er ein gefragter Resttadeur.
Franzi grinste, die Gute meinte wohl Restaurator.
Sie erfuhr nun, dass Leni mit ihrem Bub seit zehn Jahren in Verbindung stand, doch die Gnädigen durften davon nichts wissen.
Franzi kam eine Idee und die teilte sie gleich der guten Alten mit.
Sie wollte den Tobias ausfindig machen und ihn zum Geburtstag seiner Mutter einladen, das wäre doch ein tolles Geschenk.
Leni schlug die Hände zusammen.
Döes wär a Freid für die Gnädige, denn sie hoat sehr under dem Streit glitten, aber gegen den Professor kams net oa, der war ja so vuil älter wia sie und hoats oft bhandlt wie a kloans Kind.“
Franzi fragte nach der Adresse von Tobias van der Meeren und Leni gab sie ihr.

Zuhause setzte sich das junge Mädchen sofort an den Computer und recherchierte.
Gleich am nächsten Tag machte sie sich auf den Weg, denn das schien ihr sicherer, als zu schreiben.
Ein junges hübsches Mädchen saß in dem Büro der Firma van der Meeren und erklärte auf ihre Frage, der Chef wäre in der Werkstatt.
Franzi betrat diese und blieb einen Moment stehen und beobachtet den jungen gutaussehenden Mann,  der tief versunken über einem alten Schreibtisch stand vorsichtig mit einem Pinsel darüber fuhr.
Jetzt richtete er sich auf und bemerkte das junge Mädchen, das ihn fasziniert betrachtete.
Hallo!“ Er grinste und Franzi spürte plötzlich ein Kribbeln im Bauch.
Einen schönen Gruß von der Leni!“
Der junge Mann wurde ernst. „Geht es ihr gut, ist alles in Ordnung?“ fragte er besorgt.
Ja, ja, aber ich hätte gerne mit ihnen über ein besonderes Anliegen gesprochen, nichts berufliches, eher privat.“
Nun wurde Franzi doch verlegen und überlegte, ob das ganze nicht doch eine verrückte Idee war.
Sie drehte sich um und wollte gehen.
Doch da wurde sie am Arm gepackt und festgehalten.
Jetzt haben sie mich neugierig gemacht, also was ist los?“
Ehe sich das Mädchen versah, saß sie auf einem Stuhl, einen Kaffeebecher in der Hand und blickte in die erwartungsvollen Augen des jungen Mannes, der ihr Herz soviel schneller schlagen ließ.
Sie wusste nicht wie sie anfangen sollte, doch dann sprudelte sie die ganze Geschichte heraus.
Der siebzigste Geburtstag seiner Mutter, der Auftrag des Bürgermeisters wegen eines Geschenkes und dass sie bei der Leni sich Hilfe holen wollte, diese dann von ihm erzählt und sie beide beschlossen hätten, ihn als Geschenk zu überbringen.
Eine Weile blieb es still und Franzi wagte nicht ihr Gegenüber anzusehen.
Plötzlich fing dieser zu lachen an.
Ich soll also ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter sein, wollen sie mich einpacken und eine große rote Schleife um mich binden?“
Franzi wurde flammend rot und stammelte.
Entschuldung, es war eine dumme Idee.“
Der junge Mann wurde ernst und nahm ihre Hand.
Nein, so dumm war die Idee gar nicht, Leni will schon längst, dass ich mich mit meiner Mutter versöhne, aber ich habe es bisher nicht geschafft.
Vielleicht ist dies eine gute Gelegenheit.
Wissen sie, meine Eltern waren schon sehr alt, als ich zur Welt kam und beide Wissenschaftler, die mit einem kleinen Kind wenig anfangen konnten. So war ich meist Leni überlassen und ohne sie, wäre meine Kindheit sehr lieblos geworden. Ich mache meinen Eltern keinen Vorwurf, sie konnten wohl nicht anders. Mein Vater nahm erst von mir Notiz, als ich nach dem Abitur aus dem Internat kam. Er wollte, dass ich in seine Fußstapfen trete, doch das machte ich nicht mit. Ich wollte Kunst studieren. Das hat uns entzweit und von da ab existierte ich nicht mehr für ihn.
Ich zog aus, finanzierte mein Studium selbst, durch Nebenjobs. Und dann bekam ich einen Job als Aushilfsfahrer bei einem Restaurator und dessen Arbeit faszinierte mich. Ich wusste nun was ich werden wollte.
Als mein Vater starb hatte ich gerade einen Auftrag in Amerika und konnte nicht zur Beerdigung kommen. Irgendwie tut es mir leid, dass ich mich vor seinem Tod nicht mehr mit ihm versöhnt habe. Ich möchte nicht, dass dies auch mit meiner Mutter geschieht und Leni bittet mich schon lange, doch endlich zu kommen, aber bisher fand ich nicht den rechten Mut. Vielleicht aber ist ihr Geburtstag die Gelegenheit, vorausgesetzt sie verzichten auf die rote Schleife.“ grinste er.
Als Franzi sich auf den Weg machte sang sie vergnügt und seltsamerweise handelten alle Lieder von der Liebe.
Die Festgäste waren alle eingetroffen und Franzi blickte immer wieder zum Eingang. Würde er auch kommen?
Da sah sie ihn und ihr Herz begann freudig zu schlagen.
Schnell schlängelte sie sich durch die Tischreihen zum und zog ihren Ehrengast aus dem Festzelt.
Wie schön, dass sie gekommen sind, warten sie, ich muss sie erst anmelden.“
Und schon lief sie zurück zur Bühne, klopfte an das Mikrofon und erzählte nun in launigen Worten, wie der Bürgermeister ihr aufgetragen hatte für ihren Ehrengast ein Geschenk zu suchen.
Liebe gnädige Frau van der Meeren, sehen sie bitte zum Eingang, dort kommt ihr Geschenk.“
Alle Augen wandten sich dem Zelteingang zu, durch das jetzt Tobias van der Meeren trat.
Leni quietschte und legte beide Hände aufs Herz und Frau van der Meeren wurde abwechselnd rot und blass.
Sie stand auf und eilte ihrem Sohn entgegen.
In der Mitte trafen sie sich und lagen sich weinend in den Armen.
Ringsum herrschte Stille und manche Träne floss, dann aber brauste Beifall auf.
Franzi aber setzte sich still neben die Oma und über ihre Wangen liefen die Tränen.
Später holte Tobias sie und ihre Oma an ihren Tisch.
Als Franzi dann alle Pflichttänze mit den Honoratioren hinter sich hatte, wobei ihr der dicke Bäcker Strudel kräftig auf die Zehen trat, konnte sie mit dem geliebten Mann über die Tanzfläche wirbeln.
Drei Augenpaare beobachteten sie und Leni sprach aus, was die anderen zwei sich dachten.
O mei, is des a schens Paar und wia verliabt s si oschaun.
Deee passn guat zsamm!“

© Lore Platz (2014)

Anmerkung: 
Ich hoffe ihr versteht den bayrischen Kauderwelsch von Leni!