Vor Jahren fand ich einen kleinen Zeitungsbericht. Eine alte Frau hat eine Packung Katzenfutter gestohlen und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Ich war wütend und fand das ungerecht, denn wenn die Frau kein Geld für Katzenfutter hat, wie soll sie dann die Strafe bezahlen. Zum Glück haben gute Menschen gesammelt,daraus habe ich eine Geschichte gemacht.
Und nun wünsche ich Euch viel Spaß beim Lesen!
Die
Katzenmarei
Müde
tastet sich die alte Frau durch den schmalen Flur, den Eimern
ausweichend, die sie wegen dem eindringenden Regen dort aufgestellt
hat.
Der
Sturm vor einigen Tagen hat einige Dachziegel herunter gerissen.
In
der halbdunklen Küche, durch dessen schmales Fenster der beginnende
Tag sein schwaches Licht wirft, ist es kühl und Marei zieht frierend
das Schultertuch fester um ihre Schultern.
Mit
klammen Fingern schürt sie in der Glut des alten Eisenofens und legt
einige Holzstücke dazu.
Bald
hört man es lustig knistern und knacken und ganz langsam breitet
sich Wärme aus.
Fröstelnd
wäscht sie sich mit dem kalten Wasser an dem Becken aus Email am
Fenster, dann schlüpft sie in die alten abgenutzten Kleider, die sie
aus der Schlafstube mitgebracht hat.
Sie
stellt einen Kessel mit Wasser auf den Ofen, nimmt den Melkeimer,
schlüpft in die Holzpantinen und schlurft über den Hof in den
Schuppen.
Die
Ziege begrüßt sie mit ihrer meckernden Stimme und liebevoll
streicht Marei ihr über das Fell, bevor sie sie melkt.
Dann
geht die alte Frau zu einer großen weißen Schüssel in der Mitte
des Schuppens und gießt die noch warme Milch hinein.
Und
nun wird es lebendig. Aus allen Ecken kommen Katzen angelaufen. Keine
Schönheiten, mager zerzaust und einem kampferprobtem Kater fehlt
sogar ein Ohr.
Schmeichelnd
drängen sie sich an Marei, als wollen sie Danke sagen, bevor sie
sich über die Milch hermachen.
Liebevoll
betrachtet die Katzenmarei, so nennt man sie im Ort, weil sie sich um
streunende Katzen kümmert, ihre Schützlinge.
Dann
wird ihr Blick traurig. Wie mager sie sind, wie viele von ihnen den
Winter wohl überleben. Und es würde einen harten Winter geben.
(c) Werner Borgfeldt |
Als
sie im Wald Tannenzapfen und Holz gesammelte hat, ist
ihr aufgefallen, wie groß die Ameisenhaufen sind. Das lässt auf
einen langen harten Winter schließen.
Ihr
Blick fällt auf eine schwarzweiße Katze, die jetzt die Schüssel
erreicht hat. Gestern erst ist sie zu ihr gekommen und so schwach,
dass ihre Hinterläufe immer wieder einknicken und so mager, dass man
jede einzelne Rippe zählen kann.
Sie
braucht unbedingt kräftigere Nahrung als nur Milch, die anderen
auch, doch die sind wenigstens noch kräftig genug, um sich ab und zu
eine Maus zu fangen.
Marei
seufzt und Tränen treten ihr in die Augen.
Bis
vor kurzem hat ihr der Metzger am Ort jede Woche eine große Portion
Fleischabfälle vorbei gebracht und auch Markknochen.
Aus
den Markknochen machte sie eine kräftigende Brühe , der sie, die
von ihr gesammelten Kräuter, hinzufügte.
Und
diese Brühe flößte sie dann den schwächsten ihrer Schützlingen
ein. So manches Tier konnte sie damit retten.
Aber
vor einigen Monaten hat die Metzgerei geschlossen, der nahe
Supermarkt war eine zu große Konkurrenz .
Marei
geht in trübe Gedanken versunken ins Haus zurück.
Nachdem
sie den Melkeimer gesäubert, gießt sie sich einen Tee auf und isst
die letzte Scheibe Brot mit Marmelade.
Nachher
muss sie noch im Supermarkt, Brot kaufen, doch erst will sie auf den
Kartoffelacker.
Sie
darf
nämlich die Kartoffeln,
die die Maschine nicht erfasst hat, auflesen.
Wenig
später kommt sie mit zwei gut gefüllten
Eimern wieder zurück. Es ist gar nicht so leicht gewesen mit dem
kleinen Leiterwagen und der schweren Last über die holprigen Wege zu
fahren. Doch es hat sich gelohnt, mit den Kartoffeln wird sie gut
über den Winter kommen.
Nachdem
sie ihren kostbaren Schatz im Keller verstaut hat, macht sie sich
Stadt fein und mit
ihrer großen Tasche über dem Arm geht sie zum Supermarkt.
Sie
mag den Supermarkt nicht, hier ist alles so groß und unübersichtlich
und die Verkäufer sind auch nicht sehr freundlich. Sie schüchtern
sie sogar ein wenig ein und wenn sie etwas umständlich ihr Kleingeld
zusammen sucht, spürt sie die Ungeduld der jungen Frau an der Kasse.
Marei
legt das Brot und die Flasche billiges Salatöl in ihren
Einkaufswagen und fährt in Richtung Kasse.
Im
Vorbeigehen fällt ihr Blick auf ein Regal voll mit Katzenfutter. Sie
studiert die Preise und bedauert, dass sie nicht genügend Geld dabei
hat. Es ist einige Tage vor dem Ersten.
(c) Helge T. |
Vor
ihrem inneren Augen sieht sie die schwarzweiße kleine Katze, die so
schwach ist, dass sie sich nur mühsam vorwärts bewegen kann.
Mit
diesem kräftigen Futter könnte sie sie wieder aufpäppeln,
ansonsten befürchtet sie das allerschlimmste.
Automatisch
greift sie nach der großen Dose und lässt sie in ihrer karierten
Einkaufstasche verschwinden
Ein
schwere Hand legt sich auf ihre Schultern.
Daniel
sitzt in seinem Büro des Zeitungsverlags
'Der
Tagesbote', die Füße auf dem Schreibtisch und zielt mit
Papierkügelchen auf den Papierkorb.
Christiane,
seine Kollegin beobachtet ihn amüsiert und meint: „ Du solltest
mal an deinem Wurfarm arbeiten.“
Mit
einem schiefen Grinsen betrachtet Daniel das Chaos auf dem Teppich.
Er
nimmt die Füße vom Schreibtisch und fährt sich mit beiden Händen
durch das bereits verstrubbelte Haar.
„Ich
soll bis Redaktionsschluss einen Artikel schreiben und ich habe keine
Ahnung worüber.“
„Da
hätte ich was für dich, ich war eben auf dem Gericht.“
„Hat
Richter Gnadenlos mal wieder zu geschlagen?“
Christianes
Gesicht verfinstert sich.
„Ja
und diesmal hat er sich selbst übertroffen. Er hat die Katzenmarei
zu 300Euro Strafe verdonnert!“
„Ist
das die alte Frau, die in dem verfallenem Haus am Ortsrand
wohnt und sich um streunende Katzen kümmert? Was hat sie denn
verbrochen?“
„ Im
Supermarkt eine Dose Katzenfutter gestohlen?“
„Die
Strafe ist aber happig, selbst für Richter Gnadenlos.“
„Er
will ein Exempel statuieren, erklärte er bei der Begründung, denn
die Verluste durch Ladendiebstähle sei enorm hoch.“
„Ach
und das muss er ausgerechnet bei dem armen alten Weiblein?“
„Die
sich noch nie etwas in ihrem Leben zuschulden kommen ließ und der
nur 170 Euro von ihrer Rente bleiben zum Leben.“
Daniel
machte nur „hm“ und Christiane verlässt leise das Zimmer.
Den
Blick kennt sie, nicht umsonst hat sie den besten Reporter im Team
auf diese Geschichte angesetzt.
Vergnügt
summend schlendert sie zu ihrem Schreibtisch mit dem sicheren Gefühl,
dass der Katzenmarei geholfen wird.
Wenig
später verlässt Daniel die Redaktion und bald hält sein Sportwagen
vor dem alten Häuschen.
Er
führt ein langes Gespräch mit der alten Frau, macht auch einige
Fotos von den Katzen besonders von der schwarzweißen für die das
Katzenfutter bestimmt war.
Beim
Abschied erklärt er noch, dass die Zeitung die Strafe bezahlen
würde.
Zurück
in der Redaktion geht er ohne rechts und links zu schauen in sein
Büro und dann hämmern seine Finger auf den Laptop.
Am
nächsten Morgen steht ein großer Artikel auf der ersten Seite des
'Tagesboten' mit Bildern von der Marei, ihren Schützlingen und der
kleinen völlig abgemagerten
schwarzweißen Katze.
Dieser
Artikel löst einen Sturm der Hilfsbereitschaft aus.
Geldspenden
gehen in der Redaktion ein, sodass man ein extra Spendenkonto
einrichten muss.
Der
hiesige Tierschutzverband ruft an, dass er künftig die
Katzenmarei mit Katzenfutter versorgen wird.
Aus
der Kreisstadt kommt der Tierarzt und fragte nach dem Weg zu Mareis
Haus, denn er will die Katzen kostenlos ärztlich betreuen.
Und
der ortsansässige Bauunternehmer fährt mit einigen seiner Leute zu
dem alten Haus, um die Sturmschäden zu beseitigen und selbst den
Schuppen verstärken sie mit zusätzlichen Brettern, damit die Tiere
es schön war haben.
Die
alte Marei aber kann ihr Glück gar nicht fassen und als Daniel sie
besucht, streckt sie ihm nur mit Tränen in den
Augen beide Hände entgegen und flüstert: „Danke“
Dann
nimmt sie den jungen Mann mit in den Schuppen und zeigt ihm die
schwarzweiße Katze, die gesund und munter mit den andern angelaufen
kommt.
©
Lore Platz (2022)
Eine schöne Geschichte Lore. Manchmal muß man einfach an die Öffentlichkeit gehen! Gruß Helge
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