Dienstag, 16. April 2019

Unter falschen Verdacht

Als meine Tochter geboren wurde, musste ich meine Arbeit aufgeben. Damals gab es noch keine Kinderkrippen und meine Mutter war noch berufstätig.
Natürlich ging es finanziell eng zu, Kindergeld gab es damals 50 Mark und das reichte nicht mal für die Windeln.
Eine Zeitlang benutzte ich waschbare Windeln, was sehr arbeitsaufwendig war.
Um etwas zu der Haushaltskasse beisteuern zu können, suchte ich mir stundenweise einen Putzplatz.
Samstags reinigte ich die Dorfkirche und unter der Woche putzte ich in einem Haushalt.
Eines Tages kam meine Chefin zu mir und fragte, ob ich beim Abstauben vielleicht ein Kuvert mit tausend Mark gefunden hätte.
Ihr würde dieser Betrag fehlen und sie meinte, sich erinnern zu können, dass sie das Geld auf die Anrichte gelegt hätte.
Natürlich hatte ich kein Geld gefunden, aber ein komisches Gefühl blieb doch.
Einige Tage später erzählte mir ihre Sekretärin, dass die Chefin sich um tausend Mark verrechnet und, dass das Geld niemals in der Wohnung gelegen hätte.
Die feine Dame aber hat die Sache mir gegenüber niemals aufgeklärt.



(c) eigenes Foto




Unter falschen Verdacht


Anita Vollmer stellte die Tasse in die Spüle, dabei sah sie aus dem Fenster in den Garten und lächelte.
Fritz der Nachbarjunge stellte gerade sein Rad ab und kam mit einem großen Karton auf das Haus zu.
Seit sein Vater arbeitslos war arbeitet Fritz nach der Schule beim Lebensmittelladen Bauer um die Ecke und fuhr die bestellten Waren aus.
Als es klingelt war Anita bereits an der Tür. Mit einem fröhlichem Gruß ging der Junge an ihr vorbei und wuchtete den schweren Karton mit dem Wocheneinkauf auf den Tisch.
Hier ist der Kassenzettel, die Bananen sind heute im Angebot und einen schönen Gruß auch von Herrn Bauer.“
Die Rentnerin kramte in ihrer Geldbörse reichte Fritz den Betrag, dann drückte sie ihm noch einen Euro extra in die Hand.
Der Junge grinste, in dem Moment klingelte das Telefon und Anita ging in den Nebenraum.
Es war ihre Freundin, die mal wieder kein Ende fand. Sie hörte Fritz einen Gruß rufen und das Schlagen der Tür.
Nachdem Elvira alle ihre Klatschgeschichten losgeworden war, ging Anita zurück in die Küche.
Erfreut stellte sie fest, dass der Junge die Lebensmittel bereits ausgepackt und den Karton mitgenommen hatte.
Nun brauchte sie diese nur noch in Schrank, Kühlschrank und das Brot im Tiefkühler verstauen.
Sie kaufte immer mehrere Packungen Brot und fror sie ein, man konnte die Scheiben wunderbar im Toaster rösten.
Es klingelt an der Haustür und schnell raffte sie die Packungen mit dem geschnittenen Brot und warf sie in den Gefrierschrank.
Es war der Postbote.
Anita nahm die Post, die meistens nur aus Reklame bestand entgegen, und legte sie auf den Tisch.
Sie wollte sie später durchsehen, jetzt hatte sie erst mal Hunger. Nachdem sie die leckere Kartoffelsuppe mit Würstchen verspeist hatte, machte sie ein Nickerchen auf ihrem gemütlichen Ohrensessel.
Erschreckt fuhr sie auf, sie hatte ein schreckliches Durcheinander geträumt und dann fiel ihr siedend heiß ein, dass sie ihre Geldbörse, die sie doch auf dem Tisch gelegt hatte, nirgendwo gesehen hatte.
Erschrocken sprang sie auf, um nachzusehen. Auf dem Tisch lag das schwarze Lederetui nicht. Hektisch wühlte sie die Schubladen durch, sah in die Schränke, ja sogar in den Kühlschrank. Die Börse war weg.
Erschöpft ließ sie sich auf den Stuhl fallen, Tränen traten in ihre Augen.
Die ganze Rente von diesem Monat war in dem Portmonee.
Dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke:
 ' Fritz würde doch nicht?'
Doch dann schüttelte sie den Kopf. 
Sie kannte den Jungen seit er noch Windeln trug. Er war ein braver Junge, anständig, freundlich und machte seinen Eltern nur Freude.
So sehr sie sich wehrte aber immer wieder kam ihr der Gedanke, denn wo sonst sollte der Geldbeutel sein.
Fritz war der Einzige, der in der Wohnung war und sie hatte doch alles schon abgesucht.
Mit schweren Gedanken ging sie schließlich zu Bett.
Nach einer unruhigen Nacht schlurfte sie in die Küche, brühte Kaffee auf, dann holte sie Brot aus dem Tiefkühler und erstarrte, zwischen den Packungen lag die Geldbörse.
Mit einem erleichterten Lachen setzte sie sich hin. Da hatte sie wohl, abgelenkt vom Klingeln an der Tür, nicht bemerkt, dass sie zusammen mit dem Brot den Geldbeutel hochgehoben hatte.
In Gedanken leistete sie Fritz Abbitte und als er eine Woche später wieder die Ware vorbei brachte, bekam er eine Tafel Schokolade zu seinem Trinkgeld.

© Lore Platz