Freitag, 3. Juni 2022

Wenn die Pfingstrosen wieder blühen

 

 


 

Wenn die Pfingstrosen wieder blühen



Die alte Dame saß auf der Terrasse, eine leichte Decke über den Knien und ließ traurig ihre Augen durch den schönen großen Garten schweifen.

Pfingsten war vorüber und die roten und weißen Rosen sind fast verblüht und immer wieder lassen sie eine zarte Blüte fallen.

Vor einem halben Jahr war ihr Mann gestorben.

Er war ein strenger kalter Mann, der Herr Obergerichtsrat und hätte sie ihre kleine Tochter nicht gehabt, wäre sie in dieser Ehe erfroren.

Angela, ihr kleines Engelchen war so ein liebes, fröhliches Kind. Ein kleiner Kobolde, der voller Übermut steckte.

Nur wenn der strenge Vater zuhause war, dann war sie still und verschüchtert.

Ein Glück, dass er sie sowieso kaum beachtete, denn er war enttäuscht. dass sie kein Junge war.

So konnte ihr kleiner Sonnenschein eine unbeschwerte Kindheit erleben.

Sie wuchs zu einem hübschen Mädchen heran und auf einmal erweckte sie das Interesse ihres Mannes.

Er wollte die kaum achtzehnjährige mit einem seiner verknöcherten Kollegen verheiraten.

Doch Angela widersprach zum ersten Mal ihrem Vater, denn sie liebte einen mittellosen Studenten.

Es kam zu einem erbitterten Streit und der Vater warf sie aus dem Haus und brüllte „Ab heute hätte er keine Tochter mehr.“

Das war vor fünf Jahren und seitdem hatte sie von ihrer Tochter nichts mehr gehört.

Damals blühten auch die Pfingstrosen.




Martha die alte Angestellte trat auf die Terrasse und beobachtete besorgt die alte Dame.

Sie sollten net so viel grüble, Frau Baumann. Vertrauen sie doch auf unser Hergöttle, es wird es scho richte, dass alles wieder gut wird. Vielleicht hat unser Engelchen ja bereits gehört, dass ihr Vater gestorben ist und kommt wieder zurück.“

Aber warum hat sie sich die ganzen Jahre nicht bei mir gemeldet.“

Martha schwieg, sie hatte einen bestimmten Verdacht, doch sie wollte ihrer guten Frau nicht noch mehr Kummer machen, hatte sie doch genug unter ihrem Mann gelitten.

Soll i de Tee bringe?“

Nein danke, Martha, ich will noch ein wenig ruhen.“

Mit einem letzten besorgtem Blick, schlurfte Martha ins Haus zurück.

Die alte Dame lehnte sich zurück und schloß die Augen.

Ein fröhliches Bellen erklang und ein kleiner schwarzweißer Hund lief am Zaun entlang, verfolgt von einem kleinem Mädchen.

Bleib stehen Strolchi, du bist ein ganz böser Hund.“

Da sah sie Frau Baumann und kam an den Zaun.

Entschuldigen sie bitte liebe Dame. Ich hoffe Strolchi hat sie nicht geweckt.“

Nein, ich habe nicht geschlafen, wie heißt du meine Kleine.“

Rose, aber Papa nennt mich Röselein und Mama Engelchen. Und das ist mein Hund Strolchi, aber er muss erst lernen zu folgen, er ist ja noch sooo klein.“ 

 


Der Hund hatte sich inzwischen neben sie gesetzt und sah aus, als könnte er kein Wässerchen trüben.

Das Mädchen bückte sich und nahm den Hund an die Leine.

Nun muss ich wieder gehen. Auf Wiedersehen liebe Dame.“

Und weg war der kleine Wirbelwind.

Lächelnd sah Frau Baumann ihr nach. Sie fühlte sich auf einmal froh, die Kleine hatte ihre trüben Gedanken verscheucht.

Sie stand auf, faltete die Decke zusammen, legte sie über den Stuhl und ging durch den Garten.

Ihr war so leicht zumute wie schon lange nicht mehr.

Vor den Pfingstrosen blieb sie stehen.

Sie lächelte.

Angela hatte immer die Blüten gesammelt und sie zwischen Buchseiten gepresst.

Sie hörte nicht die leisen Schritten hinter sich und erschrak, als ein leises „Mama“ erklang.

Langsam drehte sie sich um, wankte und streckte beide Arme aus.

Angela, mein Engelchen.“

Die beiden Frauen lagen sich in den Armen und weinten und die Tränen spülten allen Schmerz und Kummer der vergangenen fünf Jahre von der Seele.

Auf der Terrasse stand Martha und auch ihr liefen die Tränen wir Sturzbäche aus den Augen.

Doch dann schnäuzte sie sich kräftig die Nase und rief.

Ich bringe jetzt den Tee!“

Arm in Arm gingen Mutter und Tochter zurück und setzten sich.

Ach Kind, warum hast du mir denn nie geschrieben, ich habe mir soviel Sorgen gemacht. Wusste ich doch nicht wo du bist und wie es dir geht.“

Aber Mama, ich habe dir viele Briefe geschrieben und war traurig, weil ich nie eine Antwort bekam.

Ich hätte nie gedacht, dass er so weit geht und meine Briefe an dich unterschlägt.“

Frau Baumann ballte die Hände zu Fäusten.

Weißt du man soll ja nichts schlechtes über Tote sagen, aber...“

Angela legte ihre Hände auf die Fäuste und meinte leise.

Dann wollen wir es auch nicht tun. Er war dein Mann und mein Vater und konnte nicht aus seiner Haut. Außerdem hat er uns nur fünf Jahre gestohlen.“

Du hast Recht, mein Kind. Ich höre Geschirr klappern, Martha kommt mit dem Tee.“

Angela sprang auf und nahm Martha das schwere Tablett ab.

Flink deckte sie den Tisch, dann forderte sie Martha auf.

Setz dich, ich hole dir noch schnell eine Tasse.“

Aber, das geht doch nicht.“

Doch das geht!“ rief die junge Frau übermütig.

Die steifen Tage im Hause Baumann sind vorbei, jetzt weht ein frischer Wind.“

Lachend verschwand sie im Haus.

Die alte Dame aber lächelte.

Bleib nur sitzen Martha, du gehörst doch zur Familie. Und das Mädel hat Recht. Jetzt wird es wieder schön bei uns.Unser Sonnenschein ist zurück gekommen.“




Angela erzählte nun, was sie während der letzten fünf Jahre erlebt hatte.

Sie war zu Konrad gefahren, der glücklicherweise sein Examen gemacht hatte.

Drei Wochen später heirateten sie standesamtlich, zwei Freunde von Konrad waren Trauzeugen.

Sie wohnten weiterhin in der Studentenbude und hatten viele Nebenjobs, um sich über Wasser zu halten.

Dann bekam Konrad eine Stelle in einer großen Firma und konnte sich langsam noch oben arbeiten.

Sie konnten sich nun eine kleine Wohnung leisten.

Mit seinem alten Chef verstand er sich großartig, doch vor einem Jahr übergab dieser die Firma seinem Sohn.

Seitdem fühlte sich Konrad nicht mehr wohl und begann wieder Bewerbungen zu schreiben.

Vor zwei Wochen bekamen sie zwei Briefe.

Einer war von Bärbel, mit der sie immer noch in Kontakt war.

Sie hatte ihre Eltern hier besucht und erfahren, dass

der Obergerichtsrat Baumann verstorben war.

Der zweite kam von der hiesigen Firma Wallraff und Co und lud Konrad zu einem Vorstellungsgespräch ein.

Und deshalb sind wir heute hier,“ schloss Angela ihren Bericht.

Stolz betrachtete die Mutter ihre Tochter.

Du hast dich wacker geschlagen, mein Kind. Ich bin stolz auf dich. Ist Konrad noch bei Walfraff?“

Nein er wartet bei Bärbels Eltern, er wollte uns Zeit geben, bei unserem ersten Wiedersehen.“

Hat er die Stelle bekommen?“

Ja im Oktober fängt er an.“

ihr werdet doch hier im Haus wohnen, ihr könnt den ganzen ober Stock haben.“

Angela sprang auf und umarmte ihre Mutter stürmisch.

Langsam setzte sie wieder hin und schmunzelte.

Da ist noch etwas. Ich habe ein dreijähriges Töchterchen.“

Ich bin Oma!“

Angela lachte und strich liebevoll über ihren Bauch.

Und in sechs Monaten wirst du wieder Großmutter.“

Martha schlug die Hände zusammen und stammelte:

Liabs Herrgöttle von Biberach. Wir haben ein Kind und bald noch eins.“

Und einen Hund haben wir auch.“

Macht nix, das Haus ist groß genug!“

Resolut hob Martha das Tablett und marschierte ins Haus.

Frau Baumann aber lachte, bis ihr die Tränen kamen.

Dein Vater wird sich im Grab umdrehen,“ japste sie.

Kinder machen Lärm und Hunde machen Dreck,“ ahmte sie die Stimmer ihres Mannes nach.

Nun lachten sie beide.


Angela rief ihren Mann an und wenig später klingelte es an der Haustür.

Zuerst kam ein schwarzweißes Wollknäuel auf die Terrasse gestürmt und versuchte auf Angelas Schoß zu springen.

Als ihm das nicht gelang, drehte es sich wie ein Kreisel und raste kläffend in den Garten.

So ein Irrwisch!“ brummte eine Stimme und ein großer junger Mann trat auf seine Schwiegermutter zu.

Kurz musterte diese ihn, dann streckte sie ihm beide Hände entgegen.

Willkommen in der Familie, lieber Konrad.“

Danke Mama.“

Papa, Mama!“ Ein kleiner Wirbelwind fegte heran.

Nanu, wir kennen uns ja.“

Ja, sie sind die liebe Dame. Papa sagt, dass sie meine Großmutter sind. Darf ich Oma zu dir sagen?“

Aber natürlich!“

Weit breitete sie die Arme aus und Rose klettert auf ihren Schoß und schmiegt sich an sie.

Über den Kopf des Kindes sehen sich drei Augenpaare glücklich an.


Die Kleine setzte sich energisch auf und nahm das Gesicht der Oma zwischen ihre kleinen Hände.


Oma,kannst du auch schöne Geschichten erzählen?“

Aber sicher, dazu sind Omas ja da!“



© Lore Platz




 

2 Kommentare:

  1. Jetzt musste ich erstmal ein Tasche.tuch nehmen...
    Was für eine schöne Geschichte!
    Liebe Grüße zu dir.

    AntwortenLöschen
  2. Ach wie schön Lore . Da bekommt man Pippi in die Augen. So richtig was fürs Herz!

    AntwortenLöschen

WIR FREUEN UNS SEHR ÜBER JEDEN KOMMENTAR! MIT DER NUTZUNG DIESES FORMULARS ERKLÄRST DU DICH MIT DER SPEICHERUNG UND VERARBEITUNG DEINER DATEN DURCH DIESE WEBSITE EINVERSTANDEN.