Sonntag, 2. November 2025

Armut - Reichtum



 
 In einem Kindergarten wurde ein Projekt gestartet. Da konnten die Kinder einige Schmetterlinge von den Eiern über die Verpuppung  bis zum Ausschlüpfen der Distelfalter beobachten. Als ich hörte, wie sehr die Kinder sich freuten, als die Schmetterlinge dann freigelassen wurden, da überlegte ich wieder einmal, wie wenig Kinder doch brauchen, um glücklich zu sein.
Das Thema Kinderarmut in unserem Land beschäftigt mich schon seit vielen Jahren , als ich den Artikel "Kinderarmut",  in einem Forum veröffentlichte, schrieb mich eine Bloggerin aus Argentinien an, ob sie diesen in ihrem Blog natürlich unter meinem Namen veröffentlichen dürfte. Ich habe es  ihr erlaubt. Das ist nun schon einige Jahre her.


Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer Bekannten, über die Kinderarmut, die in Deutschland immer mehr zunimmt.
Doch wo beginnt Armut und was braucht ein Kind,
Essen, Kleidung und vor allem Sicherheit und Liebe?
Meine Bekannte meinte grimmig:
Es gibt keine armen Kinder, nur faule Mütter!“
Nun so pauschal darf man das nicht sehen, oder?
Ich will mir hier kein Urteil erlauben, aber wenn ich zurückdenke an meine, nach heutiger Ansicht wohl arme Kindheit, dann kann ich nur sagen ich habe es nie so empfunden.
Mein Vater hatte sein Erbe durch die Inflation verloren, meiner Mutter wurde ihre gesamte Aussteuer unterwegs im Zug gestohlen.
Meine Eltern fingen mit nichts an.
Die ersten Möbel zimmerte mein Vater aus leeren Bierkisten.
Wir hatten immer genug zu essen, weil meine Mutter aus nichts wunderbare Gerichte zaubern konnte, Kartoffeln waren immer da und Fleisch gab es nur sonntags,wenn überhaupt.
Spielzeug gab es nicht, aber wir hatten die Natur als Spielplatz und aus Sand und Wasser konnte man wunderbare Kuchen zaubern, mit denen wir dann verkaufen spielten. Wir waren glücklich.
Denn wir hatten Eltern, die uns liebten und uns Geborgenheit schenkten.
Ich erinnere mich, dass ich einmal eine Klassenfahrt nicht mitmachen konnte, weil meine Eltern das Geld dafür nicht hatten. Aber ich fühlte mich deshalb weder arm noch ausgegrenzt.
Vielleicht liegt heute die Latte zu hoch, was der Mensch braucht, um nicht als arm zu gelten.
 
Da ich alles in Geschichten verarbeite was mich bewegt, habe ich auch zu diesem Thema mir etwas ausgedacht.





Gloria saß auf ihrem Sofa und baumelte lustlos mit den Beinen. Sie trug ein hübsches weißes Kleid,ihre dunkelblonden Locken wurden von einem roten Band gehalten und rote feine Lachschuhe zierten ihre Füße.
Gelangweilt glitt ihr Blick durch das Zimmer, über die hübschen weiß lackierten Möbel, das große Puppenhaus mit dem echten elektrischem Licht, die vielen wunderschönen Puppen, die aufgereiht auf einem Puppensofa saßen, die große Kiste mit Spielsachen. Man hatte den Eindruck als wäre man in der Spielzeugabteilung eines großen Kaufhauses.
Gloria sprang auf und verließ das Zimmer.
Aus dem Salon drangen Stimmen und das Mädchen schlüpfte durch die Tür und stellte sich neben ihre Mutter die mit ihrem Freundinnen Kaffee trank.
Unwillig sah diese auf.
Was willst du?“
Mir ist so langweilig!“
Frau Baumann verdrehte die Augen und meinte zu ihren Freundinnen gewandt.
Dieses Kind hat das ganze Zimmer voller Spielzeug und beklagt sich über Langweile.“
Die jungen Frauen lachten und Gloria wurde rot.
Stirn runzelnd wandte sich ihre Mutter an das Mädchen.
Nun geh spielen, du siehst ja ich habe kein Zeit, du störst.“
Mit gesenktem Kopf verlässt das Kind das Zimmer.
Aus der Küche drang Stimmengewirr, Lachen und Töpfe klappern.
Gloria schlängelte sich durch die Tür.
Eines der Küchenmädchen sah sie und rief:
Was willst du hier, du bist im Weg, außerdem wenn die Gnädige das sieht, dann wird sie sehr ungnädig.“
Die anderen lachten und Gloria schlich sich hinaus.
Mit Tränen in den Augen ging sie über die Terrasse in den Garten.
Sie fühlte sich so schrecklich einsam.
Am Ende des Gartens sah sie eine Bewegung und schnell lief sie hinüber.
Ein Mädchen in Jeans sprang gerade über den Zaun und ihr Pferdeschwanz wippte fröhlich auf und ab, als sie auf dem Boden aufkam.
Wer bist du?“
Erschrocken sah das Mädchen auf und wurde leicht verlegen.
Hanna, bitte verrate mich nicht.“
Warum bist über den Zaun geklettert?“
Das Mädchen wurde etwas rot: „ ich wollte einige der Äpfel aufklauben, die hier am Boden liegen.“
Was willst du denn damit?“
Mein Mutter hat Morgen Geburtstag und ich will ihr einen Apfelkuchen backen.“
Kannst du das denn ?“
Hanna lachte.
Ich bin doch schon zwölf! Weißt du mein Papa ist vor zwei Jahren gestorben und meine Mutter muss jetzt immer soviel arbeiten, da helfe ich im Haushalt soviel ich kann.“
Ich bin acht Jahre, aber ich kann gar nichts und kochen und backen macht unsere Köchin und die Küchenmädchen. Mein Papa ist immer in der Arbeit, aber Mama muss gar nicht arbeiten. Sie muss nur mit ihren Freundinnen Kaffee trinken oder einkaufen gehen.“
Ihr seid ja auch reich.“
Gloria hob die Schultern. Dann lächelte sie.
Wie viele Äpfel brauchst du denn für den Kuchen.“
Fünf.“
Gloria bückte sich und reichte ihr die Äpfel, die Hanna in die Jeanstaschen und oben in ihr Hemd stopfte.
Danke, weißt du was, ich komme Morgen und bringe dir ein Stück von meinem Kuchen.“
Das wäre schön! Aber nicht über den Zaun, klingle an der Tür.“
Am nächsten Tag, trieb sich Gloria immer wieder in der Nähe der Tür herum und wartete sehnsüchtig auf ihre neue Freundin.
Endlich klingelte es und das Dienstmädchen öffnete die Tür, betrachtete das einfach gekleidete Mädchen und meinte naserümpfend: „Betteln ist hier verboten.“
Da drückte sie Gloria zur Seite.
Das ist meine Freundin Hanna.“
Achselzuckend verschwand das Dienstmädchen und
Gloria zog Hanna in die Halle.
Diese sah sich staunend um.
Das ist ja größer, als unsere ganze Wohnung.“
Bald standen sie in Glorias Zimmer und wieder staunte Hanna über die Reichtum und Pracht.
Und trotzdem wunderte sie sich, dass ihre neue Freundin so traurig war und sie sprach ihren Gedanken laut aus.
Die Kleine zuckte die Schultern.
Ich habe alles was ich mir nur wünsche, aber niemand hat Zeit für mich. Mein Vater ist in seiner Fabrik, oder auf Geschäftsreise, meine Mutter hat immer Besuch und dem Personal bin ich immer im Wege. Sonst kümmert sich meine Hauslehrerin um mich, aber da Ferien sind, ist sie verreist.“
Mitleidig setzte sich Hanna neben Gloria und legte ihr den Arm um die Schulter.
Jetzt hast du ja mich, darf ich deine Freundin ..., oh nun hätte es beinahe vergessen, ich habe dir was mitgebracht.“
Sie zog aus ihrer Hosentasche ein etwas zerdrücktes Päckchen.
Mein selbst gebackener Kuchen.“
Gloria biss ein Stück von dem etwas zerquetschtem Gebäck ab und meinte noch nie so etwas köstliches gegessen zu haben.
Der ist aber lecker und den hast du ganz allein gebacken, hat deine Mutter sich sehr gefreut?“
Hanna nickte glücklich und nun erzählt sie, wie tapfer ihre Mutter ist und viel arbeiten muss, seit Papa tot ist. Aber sie erzählt auch wie sie ihr soviel wie möglich im Haushalt hilft. Ach und wie froh diese immer ist, wenn sie nach Hause kommt und alles aufgeräumt und das Abendbrot auf dem Tisch steht und wie ihre Mutter sie immer mein kleines Hausmütterchen nennt. Und abends kuscheln sie auf dem Sofa, erzählen was sie tagsüber erlebt haben, dann zeigt sie noch ihre Hausaufgaben und sie lesen sich abends gegenseitig vor.
Gloria aber laufen die Tränen über das Gesicht.
Deine Mama hat dich so lieb und meine liebt mich gar nicht.“
Unsinn! Deine Mutter hat dich lieb, sonst würde sie dir doch nicht all dies her schenken.“
Aber ich bin doch immer so allein.“
Das bin ich doch auch, weil meine Mutter den ganzen Tag arbeiten muss. Weißt du was, ich werde dich jeden Tag besuchen und dann spielen wir zusammen.“
Gloria nickt glücklich.

© Lore Platz  2.09.2020







Samstag, 1. November 2025

November, die graue Eminenz



November, die graue Eminenz

 

 
 
 
Der November ist der Monat, den ich überhaupt nicht mag.
Sehe ich morgens aus dem Fenster, dann fühle ich mich als wäre ich im Inneren eines riesigen Spinnennetzes, gewebt von Tausenden von Spinnen, gefangen.
Ringsum ist die Landschaft von grauen Nebelschleiern umhüllt und dieses Grau setzt sich nahtlos fort in den Himmel.
Meine Gedanken werden bei diesem Anblick trübe und grau, selbst meine kleinen gefiederten Freunde haben keine Lust mehr zu zwitschern.
Wie vermisse ich das wunderschöne Lied der Amsel, die in einem Baum des Nachbargrundstückes ihr Nest hatte. Selbst das lärmende Tschilpen der Spatzen würde ich zu gerne wieder hören.
Ab und zu ist vielleicht das „Krakra“ eines Raben zu hören, aber sind diese Vögel in den Geschichten nicht die Begleiter von Hexen und Zauberern?
Nun gespenstisch ist er schon dieser November und deshalb ist es wohl auch kein Wunder, dass in Amerika die Nacht vor dem 1. November zur Gespensternacht erklärt wurde.
Bei uns ist der November der Monat unserer Verstorbenen.
An Allerheiligen treffen sich die Angehörigen an den Gräbern, um zu trauern und der Toten zu Gedenken.

Ich habe diesen Tag immer gehasst. Wir trafen uns bei unserer Mutter und während unsere Männer mit den Kindern in der schönen warmen Wohnung bleiben durften mussten meine Schwestern und ich mit unserer Mutter auf den Friedhof.
Während ich auf den marmornen schwarzen Stein starrte, auf dem der Name meines Vaters, sowie sein Geburts- und Todesdatum eingraviert war, empfand ich alles andere als Trauer.
Unmut machte sich in mir breit, ausgelöst von der Kälte die langsam von den Zehen bis zu meinen Knien nach oben kroch.
Warum musste ich hier vor einem leeren Grab stehen und warten bis der Pfarrer begleitet von zwei Ministranten zu uns kam, um das Grab zu segnen und ein Gebet zu sprechen.



Ich habe meinen Vater sehr geliebt, war so ein richtiges Papakind und es verging kein Tag, an dem ich nicht an ihn dachte. Ein Bild von ihm hatte ich vergrößern lassen.
Es hing rechts neben meinem Schreibtisch an der Wand und immer wenn ich dort saß, dann schenkte ich ihm ein Lächeln und schickte einen Gruß in die Welt, wo er jetzt lebt.
Doch zu diesem Grab hatte ich überhaupt keine Verbindung und spürte hier auch nicht seine Nähe.
Längst schon ist sein Körper verwest und eins mit der Erde geworden und seine Seele, die ist doch sowieso nie mitgegangen in das Grab.
Doch dann schämte ich mich meiner Gedanken. Für viele bedeutet so eine Grabstätte doch die einzige Verbindung noch zu ihren lieben Verstorbenen, die letzte Wohnstätte.
Und indem sie diese sauber machen und bepflanzen, können sie auch über den Tod hinaus für den geliebten Menschen sorgen.
Endlich kam der Priester zu uns, murmelte sein Gebet, sprach den Segen und sprengte Weihwasser über das Grab, dann ging er weiter.
Erleichtert wartete ich auf das Zeichen meiner Mutter zum Aufbruch.


Als mich dann die wohlige Wärme der Wohnung empfing, die Kinder uns fröhlich entgegenkamen, aus dem Wohnzimmer die Stimmen unserer Männer drangen, da spürte ich, wie mit der Kälte auch meine trübe Stimmung abfiel.
Und ich dachte daran, dass der November ja nur dreißig Tage dauerte und dann der frostige, polternde Dezember kam, der die Welt in eine schöne weiße Decke hüllte.
Und der Weihnachtsdüfte, Weihnachtfreude und Weihnachtsfrieden mitbrachte.
Auch werde ich dann meinen kleinen gefiederten Freunden wieder begegnen, wenn ich das Vogelhäuschen aufstellte.

© Lore Platz   4.11.14




 

Freitag, 31. Oktober 2025

Halloween

 

 

(c) Irmi Brüggemann

 

 Halloween


Die Kelten glaubten  fest daran, dass die Seelen der Verstorbenen in der Nacht vom 31. Oktober als Geister auf die Erde zurückkommen, um in ihre Häuser zurückzukehren.
Doch die Geister die den Weg zurück nicht fanden und verzweifelt umher irrten, die spukten durch die Nacht und erschreckten die Menschen.
Deshalb verkleiden sich Groß und Klein als schreckliche Monster und haben ihren Spaß die Leute zu erschrecken.
Besonders in Amerika wird Halloween ja ganz groß gefeiert und dort gibt es wirklich die abscheulichsten Verkleidungen.
Heidi Klum liebt ja dieses Fest und denkt sich jedes Jahr etwas aus und das mit einem großem Medienrummel.
Der Brauch wurde von irischen Einwandern in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gebracht und kam auch im
19. Jahrhundert nach Europa.
Doch bei uns hat Halloween nicht gar so große Bedeutung.
Vielmehr ist der 31. Oktober der Allerseelen – Tag und wir gedenken dann unserer lieben Verstorbenen.





Wisst ihr warum an Halloween Kürbisse ausgehöhlt werden und man ein Licht hineinstellt.
Ursprünglich waren es ja Rüben, aber in Amerika gab es nicht so viel Rüben, also nahmen die Iren Kürbisse.
Und so entstand der Brauch in Kürbisse Fratzen zu schneiden und diese dann von innen zu beleuchten.
Doch ich wollte euch ja erzählen warum das so ist.
Der alte irische Hufschmied Jack, ein Tunichtgut und Trunkenbold, saß mal wieder in seinem Lieblingspub und war nicht mehr ganz nüchtern.
Da erschien der Teufel und wollte seine Seele. Jack stierte in sein fast leeres Glas und bat den Herrn der Finsternis, ihm noch einen Drink zu spendieren.
Der Teufel aber hatte kein Geld dabei und verwandelte sich in eine Münze.
Jack nahm diese und steckte sie in seine Lederbörse, auf der ein Kreuz aufgenäht war.
Erst als der Teufel ihm versprach, ihn ein Jahr in Ruhe zu lassen, ließ er ihn frei.
Nach einem Jahr kam der Höllenfürst wieder und verlangte die Seele von Jack.
Dieser bat, der Teufel möge ihm doch einen Apfel pflücken.
Kaum saß Luzifer aber auf dem Baum, ritzte Jack ein Kreuz in die Rinde.
Und nun musste der Teufel  versprechen ihn in Ewigkeit in Ruhe zu lassen.
Jack wurde ein alter Mann und starb.
Am Himmeltor aber wies man ihn wegen seinem schlechten Lebenswandel ab und der Teufel konnte ihn nicht aufnehmen, da er sein Ehrenwort gegeben hatte.
Der Teufel aber hatte Mitleid mit ihm und schenkte ihm eine magische glühende Kohle, die niemals erlosch und Jack steckte diese in eine ausgehöhlte Rübe.
So wandert Jacks Seele bis zum heutigen Tag durch die ewige Dunkelheit.



© Lore Platz




Gibt es Vampire?


Die alte Villa, die stolz auf der Anhöhe am Rande des Dorfes auf die kleinen Häuser herab blickt, ist verkauft worden und am Mittwoch spät in der Nacht sind die neuen Besitzer eingezogen.

Bisher hatte sie noch niemand zu Gesicht bekommen. Man wusste nur, dass ein reicher Industrieller mit Frau und Kind dort eingezogen war.

Giuseppe, der täglich die Lebensmittel in die Villa lieferte hatte von der Herrschaft bisher noch niemanden gesehen.

Die alte Köchin Rosalie nahm ihm immer die Tüten ab und bezahlte ihn auch und ja einmal ist ein riesengroßer schwarzer Rabe auf ihn zu gewatschelt und hat ihn ganz komisch angesehen, richtig unheimlich war das.

Für Antonio, den zwölfjährigen Sohn des Schmieds war somit alles klar.

Die neuen Bewohner der Villa mieden das Sonnenlicht, hatten einen schwarzen Raben, das konnten nur Vampire sein.

Antonia machte sich große Sorgen, besonders als seine Schwester sich am Abend zum Ausgehen hübsch machte.

„Mercedes, du darfst nicht weggehen, es ist zu gefährlich!“

flehte er.

Mercedes warf ihm einen erstaunten Blick zu:

„Ich habe eine Verabredung mit Claudio, wir wollen in die Disco, was soll daran gefährlich sein?“

„Wegen den Vampiren aus der Villa oben, die streifen nachts durch die Gegend und saugen dir das Blut aus.“

Seine Schwester starrte ihn an.

„Du spinnst wohl! Das kommt nur von den blöden Horrorfilmen, die du dir ständig rein ziehst!“

Sie wühlte in ihrer Handtasche. „Verflixt, wo ist denn mein Handy!“, und verließ die Küche.

Diesen Moment nutzte Antonio und steckte blitzschnell eine

Diesen Moment nutzte Antonio und steckte blitzschnell eine Knoblauchknolle in die kleine Umhängetasche.

Nun war seine Schwester geschützt!

Mitten in der Nacht stürzte diese in sein Zimmer und warf ihm den Knoblauch an den Kopf.

Du hast sie wohl nicht mehr alle, weißt du welch eine Blamage das für mich war, als das eklige Ding aus meiner Tasche kullerte.“

Wütend verließ sie das Zimmer.

Antonio aber grinste zufrieden. Mercedes war nichts passiert, denn wäre sie gebissen worden, dann würde sie bleich und apathisch durch die Gegend wandeln und nicht wie eine Furie in sein Zimmer stürzen.

Am nächsten Morgen nach dem Kirchgang beschloss Antonio sich die Villa mal aus der Nähe anzuschauen.

Aber irgendwie musste er sich schützen.

Leise schlich er in das Zimmer seiner Großmutter, die in ihrem Lehnstuhl saß.

Auf ihrem Schoß lag die aufgeschlagene Bibel, ihr Kinn war auf die Brust gesunken und leise Schnarchtöne zeigten, dass sie schlief.

Auf Zehenspitzen schlich sich Antonio zur Kommode und nahm das kleine silberne Kreuz und steckt es tief in seine Hosentasche, damit er es nicht verlieren konnte.

In der Speisekammer holte er einen ganzen Ring mit Knoblauchknollen und hängte ihn sich um den Hals.

Nun konnte kein Vampir ihm etwas anhaben.

Wie immer waren die Vorhänge in der Villa geschlossen.

Und Antonio wusste auch warum, kannte es dies doch von seinen Filmen.

Vampire wurden nämlich zu einem Häufchen Asche, wenn das Sonnenlicht sie traf.

Sicher schliefen sie jetzt in ihren Särgen und erst wenn die Sonne unterging würden sie die Gegend durchstreifen, um ihre Beute zu suchen.

Oja Antonio kannte sich aus.

Er entdeckte ein kleines Fenster, das nicht durch einen Vorhang verschlossen war und stellte sich auf die Zehenspitzen, um in das Haus zu sehen.

Plötzlich tauchte ein großer schwarzer Rabe auf und klopfte mit dem Schnabel gegen die Scheibe, dabei musterte er Antonio finster aus seinen runden kleinen schwarzen Augen.

Erschrocken trat der Junge einen Schritt zurück und zuckte zusammen, als sich zwei schwere Hände auf seine Schultern legten.

Als er sich umblickte, sah er einen großen finster blickenden Mann, der ganz in schwarz gekleidet war.

Geistesgegenwärtig holte Antonio das Kruzifix aus der Hosentasche und hielt es dem Mann unter die Nase, gleichzeitig umklammert er den Kranz mit Knoblauchknollen.

Unbeeindruckt aber schob der Mann den widerstrebenden Jungen in die Villa, durch eine große Halle in einen gemütlichen Salon und dort schubste er ihn auf ein Sofa.

Eine hübsche Frau saß auf einem gemütlichen Sessel und ließ nun das Buch sinken, aus dem sie gerade vorgelesen hatte.

Ein blasser Junge lag auf einer Liege und schaute nun auch ganz erstaunt auf den Besucher, der mit schreckgeweitetem Gesicht auf dem Sofa gegenüber kauerte und ihnen ein kleines Kreuz entgegen hielt und um den Hals ein Kette aus Knoblauch trug.

Ein gut gekleideter Mann betrat den Salon.

„Meine Lieben, mir ist es endlich gelungen einen Handwerker aufzutreiben, morgen...“

Er erblickte das Häufchen Elend auf der Couch und begann fröhlich zu lachen.


„Wisst ihr, wofür uns unser Gast hält? Für Vampire!“

Nun begann auch die Frau zu lachen und auch der Junge kicherte.

Der Butler, ganz seiner Würde bewusst stand stocksteif da und verzog keine Miene.

Doch wer genauer hinsah, der konnte ein leichtes Zucken um die Mundwinkel wahrnehmen.

Antonio aber saß mit hochrotem Kopf da und wusste nicht, was er von dem ganzen halten sollte.

Der Mann hatte sich inzwischen beruhigt, zog mit einem Schwung die Vorhänge zurück und stellte sich mitten ins gleißende Sonnenlicht.

„Wenn man den alten Sagen glauben darf, müsste ich jetzt nur noch ein Häufchen Asche sein!“

„Madame, ich werde Tee und Kakao bringen,“ presste der Butler hervor und wandte sich schnell um, denn mit seiner Beherrschung war es nun vorbei, was man an dem Zucken seiner Schultern erkennen konnte.

Herrn Brentano schloss den Vorhang wieder und meinte freundlich.

„Für alles gibt es eine einfache Erklärung. Die Klimaanlage ist kaputt, aber ich habe heute einen Handwerker erreicht, der dies morgen in Ordnung bringt.

Da unser Sohn gerade von einer schweren Krankheit sich erholt, konnte wir noch keine Besuche machen.

Ach ja und der schwarze Rabe, gehört unserem Butler Patrick.

Er hat ihn vor einigen Jahre schwer verletzt gefunden und da ihm ein halber Flügel fehlt, haben wir ihn behalten.

Du siehst man soll nicht immer das Schlimmste annehmen, oft gibt es auch ganz einfache Erklärung für die Dinge.“

Antonio wusste nicht mehr wohin er blicken sollte.

Er schämte sich fürchterlich.

Langsam verstaute er das Kreuz seiner Großmutter in der Hosentasche und legte den Knoblauch neben sich auf das Sofa.

„Du musst dich nicht schämen,“ tröstete ihn Frau Brentano, „ weißt du, ich habe Philippo seit seiner Krankheit nicht mehr so lachen gesehen und das verdanken wir dir.“

Der kranke Junge aber strahlte Antonio an.

„Wollen wir Freunde werden?“

Begeistert nickt dieser.

Patrick schob einen Teewagen herein, auf dem allerlei Köstlichkeiten waren.

Nachdem der Butler den Tee und Kakao eingeschenkt und eine große Platte mit kleinen leckeren Kuchen auf der Mitte des Tisches platziert hatte, griff er mit spitzen Fingern den Kranz Knoblauch und meint etwas pikiert.

„Das gehört wohl besser in die Küche!“

Antonio aber hat alle Scheu verloren und mit vollen Backen erzählt er ihnen von der Knoblauchzehe in der Tasche seiner Schwester und man hatte in der Villa noch nie soviel fröhliches Lachen gehört.

Als der kleine Philippo aber müde wurde verabschiedet sich Antonio.

Doch er musste versprechen am nächsten Tag nach der Schule wiederzukommen.

Und nun wurde er in der Villa, die ihm erst soviel Angst eingeflößt hatte, ständiger Gast.

Zwischen den beiden Jungen aber entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft.

Und als sie viele viele Jahre später beisammen saßen, konnten sie immer noch über die Vampir-Geschichte lachen.


© Lore Platz   (2013)




Donnerstag, 30. Oktober 2025

Der alte Kapitän



(c) Monika Mandelik






Der alte Kapitän



Am Rande der Stadt stand eine alte Villa mitten in einem verwilderten Garten.
Lange war sie leer gestanden, doch vor kurzem war sie verkauft worden an einen pensionierten Kapitän.
Und vor einigen Tagen war dieser zusammen mit seiner Schwester Lena, die ihm den Haushalt führte, eingezogen.



Kapitän Fridjoofen saß in seinem gemütlichen Arbeitszimmer und sah sich vergnügt um.
Die Wände waren voll von all den Mitbringsel, die er im Laufe der Jahre während seiner Reisen gesammelt und sie bei seiner Schwester in ihrem kleinen Häuschen gelagert hatte.
Worüber diese oft geschimpft hatte, besonders über das lebensgroße ausgestopfte Krokodil, das drohend sein Maul aufriss und eine Reihe beachtlicher Zähne zeigte.
Auch die große Schlange, die einem mit glitzernden Augen anstarrte war ihr nicht geheuer.
Schmunzelnd ließ der alte Mann seinen Blick über die verschiedenen Waffen an der Wand gleiten und auch den Piranhas die den Sims des Kamins bevölkerten gönnte er einen Blick.
Zufrieden seufzte er, was den schwarzweißen Spaniel zu seinen Füßen aufstehen und seinen Kopf an das Knie seines Herrn schmiegen ließ.
Dieser kraulte ihn hinter dem Ohr und Hund und Mensch genossen ihr Zusammensein.
Ein gewaltiges Klirren schreckte beide auf und das große Fenster zerbarst in tausend Stücke.
Ein brauner Fußball rollte auf den Kapitän zu.
Die Tür wurde aufgerissen und Lena stürzte herein.
Sie stemmte die Arme in die Hüften und wetterte:
Das waren bestimmt die Lausbuben von drüben! Ich hab`s ja immer gesagt, wie konntest du nur ein Haus genau neben einem Waisenhaus kaufen.“
Ihr Bruder lachte gutmütig.
Es war günstig und mich stören die Kinder nicht, außerdem so laut sind sie doch gar nicht und nachts schlafen sie tief und friedlich und wir auch.“
Er bückte sich, hob den Fußball auf und wandte sich zur Tür.
Dann werde ich das Geschoss mal zurückbringen!“
Er erhielt nur ein Gemurmel als Antwort, denn Lena die sich inzwischen mit Besen und Schaufel bewaffnet hatte, war dabei die Scherben zu beseitigen.

 
(c) meine Tochter

Im großen Vorhof des Waisenhauses tummelten sich vergnügt die Kinder. 
Als der Kapitän durch das Tor trat sah er aus den Augenwinkel, wie sich drei Jungen schnell seitwärts in die Büsche verdrückten.
Der Spaniel aber war zu der alten Kastanie gelaufen, um die rundum eine Bank angebracht war.
Darauf saß ein kleines Mädchen, die den Hund liebevoll streichelte.
Als Fridjoofen näher trat, bemerkte er, dass die Kleine blind war.
Er setzte sich neben sie.
Das Mädchen wandte ihm den Kopf zu.
“Ist das dein Hund?“
Ja, darf ich vorstellen. das ist Klabautermann und wer bist du?“
Ich bin Else, aber dein Hund hat einen komischen Namen.“
Weißt du denn, was ein Klabautermann ist?“
Die Kleine schüttelte den Kopf.
Nun dann will es dir erzählen, aber erst einmal muss ich ein paar Übeltäter kielholen!“
Eine nicht mehr ganz junge Frau kam mit misstrauischem Blick auf sie zu, doch als sie den Fußball sah, wurde sie verlegen.
Guten Tag sie sind wohl unser neuer Nachbar Kapitän Fridjoofen und wie ich sehe haben die Jungen den Ball wohl in ihren Garten geschossen.“
Der alte Mann schmunzelte:
Nicht nur in den Garten, sondern durch die Scheibe meines Arbeitszimmers.“
Das tut mir leid, wir werden die Scheibe selbstverständlich ersetzen. Entschuldigen sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Frauke Sörensen und leite dieses Waisenhaus.“
Der Kapitän erhob sich und beugte sich ganz Kavalier der alten Schule über ihre Hand.
Die Scheibe brauchen sie nicht zu ersetzen, aber ich werde mal einigen jungen Herrn ein wenig einen Schrecken einjagen.“
Er zwinkerte und deutete mit den Augen auf das Gebüsch in das Klabautermann gerade schnüffelnd seine Nase steckte.
Die Direktorin lächelte und nickte zustimmend.
Ein kleine Hand schob ich sich in die große Pranke des Kapitäns und Else sagte bittend.
Onkel Kapitän, du darfst sie aber nicht verhauen, sie haben es doch nicht absichtlich getan. Der Tom hat nur so einen schweren Fuß und deshalb ist der Ball so weit geflogen.“
Die beiden Erwachsenen lächelten, dann ging der Kapitän mit seiner kleinen Freundin an der Hand, gefolgt von der Leiterin des Waisenhauses, hinüber zum Gebüsch.
Mit seiner dröhnenden Stimme meinte er:
Ich glaube gar dahinter haben sich ein paar Feiglinge
versteckt, die nicht wissen, dass man zu seinen Taten stehen muss !“
Das Gebüsch teilte sich, drei Jungen standen mit gesenkten Köpfen vor ihm und ließen das Donnerwetter, das nun über sie prasselte erschrocken über sich ergehen.
Die kleine Hand zuckte in der großen Pranke und Else flüsterte, „nun ist es aber gut, Onkel Kapitän.“
Der Hüne beugte sich zu seiner kleinen Freundin hinunter.
Denkst du, dass sie als Strafe bei mir in meinem Garten arbeiten sollen, der sieht nämlich ziemlich verwildert aus.“
Else nickte eifrig.
Nun!“ wandte Fridjoofen sich an die Jungen.
Ihr könnt nicht erwarten, dass das Waisenhaus die kaputte Scheibe bezahlt, also werdet ihr euch Morgen um 15Uhr bei mir drüben einfinden und mir helfen meinen Garten zu roden.“
Er warf einen fragenden Blick auf die Leiterin, die zustimmend nickte und auch die Jungen nickten erleichtert.
So nun will ich meiner kleinen Freundin vom Klabautermann erzählen, wollt ihr die Geschichte auch hören?“
Wir auch, wir auch !“ riefen die Kinder, die sich inzwischen alle bei den Büschen eingefunden hatten, angelockt durch das laute Brüllen des Kapitäns.
Gefolgt von allen großen und kleinen Waisenkindern geht der Kapitän zur Kastanie, setzt sich auf die Bank und nimmt Else auf seinen Schoß.
Die Kinder aber lassen sich zu ihren Füßen nieder.
Frau Sörensen geht lächelnd zurück in ihr Büro.
Der Kapitän blickte vergnügt schmunzelnd in die erwartungsvoll erhobenen Gesichter und fragte.
Weiß jemand von euch, wer der Klabautermann ist?“
Kopfschütteln!



(c) meine Tochter


Nun der Klabautermann ist ein Kobold, der unsichtbar auf den Schiffen lebt und dort allerhand Unfug anstellt.
Auch erschreckt er gerne die Matrosen durch poltern und lässt einfach mal Dinge vor ihren Augen in die Luft gehen oder einfach umfallen. Er ist aber auch sehr hilfsbereit und hilft ihnen bei ihren Arbeiten.
Mancher der Matrosen kann es sich dann gar nicht erklären, wieso er so schnell fertig wurde und guckt sich dann immer furchtsam um.
Aber er kann natürlich niemanden sehen, denn der Klabautermann ist unsichtbar und wenn man ihn einmal zu Gesicht bekommt, dann ist das ein schlechtes Zeichen.
Er zeigt sich und verlässt ein Schiff nur wenn diesen untergeht.
Ich habe ihn aber einmal gesehen und kann euch deshalb genau sagen wie er aussieht.
Er ist gekleidet wie ein Matrose, hat rote Haare und grüne Zähne und ist nicht größer als ein Zwerg.
Wer von euch kennt den Pumuckl von Ellis Kaut?“
Fast alle Finger schossen in die Höhe.
Fridjoofen schmunzelte.
Dann wisst ihr sicher auch, dass der Pumuckl ein Nachfahre von den Klabautermännern ist.“
Eifrig nickten die Kinder.
Also wir fuhren über den Atlantik, als auf einmal ein heftiger Sturm die Wellen peitschte, dass sie meterhoch das Deck überschwemmten.
Der Wassermann hatte wohl wieder seine Frau verärgert und die tobte nun unter Wasser, dass das ganze Meer in Aufruhr war.
Unser Schiff schaukelte im tosenden Wind und der Steuermann hatte alle Hände voll zu tun, das Schiff auf Kurs zu halten.
Ein Matrose wurde schwer verletzt als einer der Masten brach und wir hatten Mühe in darunter hervor zu ziehen.
Während man ihn in die Kajüte brachte und der Sanitäter ihn verarztete, sah ich plötzlich einen kleinen Gnom an Deck und vorne zum Bug laufen.
Ich wusste sofort das war der Klabautermann, denn keiner meiner Männer war so klein. 
Erschrocken wurde mir bewusst, das konnte nur bedeuten, dass das Schiff untergehen wird, denn offensichtlich wollte der kleine Kerl das Schiff verlassen.
Daran musste ich ihn unbedingt hindern.
Ich kämpfte mich durch Wind und Nässe nach vorn und fasste ihn gerade noch an seinem blauen Rock, als er über Bord springen wollte.
Nein mein Freund,“ brüllte ich gegen den Sturm an, „ du bleibst schön hier. Mein Schiff wird nicht untergehen.“
Er wand sich und zappelte und warf mir finstere Blicke zu, doch ich hielt ihn mit eiserner Faust fest.
Da verlegte er sich aufs Bitten und versprach mir, dass das Schiff bestimmt nicht untergehen würde, ich sollte ihn doch nur loslassen.
Aber ich glaubte ihm nicht und hielt ihn so lange mit meiner Faust fest, bis der Sturm sich gelegt und wir in ruhigen sicheren Fahrwasser segelten.
Da wurde er unsichtbar in meiner Hand und während der ganzen Fahrt hatte ich nichts zu Lachen.
Fässer fielen vor mir um, Seile lösten sich und mehr als einmal stolperte ich darüber, nachts polterte und rumorte es in meiner Kabine, dass ich kein Auge zu tun konnte.
Doch das machte mir nichts aus, mein Schiff war gerettet.
Und bei der nächsten Fahrt nahm ich ein Huhn mit an Bord, denn es heißt, Klabautermänner können Hühner nicht leiden.
So Kinder nun muss ich aber gehen, denn meine Schwester schimpft mit mir, wenn ich nicht pünktlich zum Tee zuhause bin!“
Er wandte sich an die drei Fußballer.
Abgemacht, morgen Nachmittag!“
Eifriges Nicken.
Dürfen wir auch mitkommen, wir können doch auch helfen!“ riefen die Kinder.
Frau Sörensen, die durch das geöffnete Fenster lächelnd der Geschichte gelauscht hatte, kam nun heraus und wollte protestieren.
Der Kapitän sah sie verschmitzt an.
Sicher wenn eure Direktorin nichts dagegen hat.“
Diese nickte, denn sie konnte den fünfzehn bettelnden Augenpaare nicht widerstehen.

Am nächsten Nachmittag erschien die ganze kleine
Gesellschaft frisch gewaschen und gestriegelt aber in vernünftiger Arbeitskleidung bei Fridhoofens.
Lena, die erst protestiert hatte, als ihr Bruder ihr die Nachbarn ankündigte, war sehr angetan von den höflichen gut erzogenen Kindern.
Besonders die kleine Else schlich sich in ihr Herz und sie ließ sie nicht mehr von ihrer Seite.
Die größeren Kinder durften mit dem Kapitän nun die Bäume und Sträucher beschneiden.
Während die Mädchen und die kleineren Jungen die Äste sammelten und sie an den dafür vorgesehenen Platz brachten, wo sie morgen abgeholt werden sollten.
Später brachte Lena eine riesige Platte mit frischen Waffeln, dazu gab es Sahne und Kakao.
Als die kleinen Helfer abenda in ihren Betten lagen, da waren sie sich einig, dass dies der schönste Tag gewesen war.
Nun herrschte ein reger Verkehr zwischen den Nachbarn.
Und der Kapitän schaffte es nach hartem Kampf mit den Behörden, dass die kleine Else zu ihm und seiner Schwester als Ziehkind kam.
So ein Sturm erprobter Kapitän, der wird auch mit dem stursten Bürokraten fertig.
Er schickte Else auf eine Blindenschule, wo sie zur Lehrerin ausgebildete wurde.
Und als Else dann längst schon eine erwachsene Frau war,
saß sie am Bett ihres Pflegevaters und hielt tröstend seine Hand, als er ins andere Reich wechselte.
Sie nahm sich liebevoll der alten Lena an, die froh war nicht ganz allein zu sein.
Und da Else die Erbin von Villa und Vermögen der beiden war, richtete sie eine Blindenschule in dem alten Haus ein und Lena konnte nun wieder für viele Kinder kochen, natürlich mit Hilfe einiger Hausmädchen.
Und als sie einige Jahre später ihrem Bruder folgte, saß auch an ihrem Bett die junge Frau, die sie als kleines Kind so liebevoll aufgenommen hatten.


© Lore Platz (2014)


Mittwoch, 29. Oktober 2025

Nicht standesgemäß

Ich gehörte nie zu den Lieblingen der Lehrer, aber das machte mir wenig aus, denn da ich aus einem gebildeten Elternhaus stammte, nahm das auf meine Leistungen keinen Einfluss. Die schlimmste meiner Lehrerinnen verwende ich in meinen Geschichten immer als böse Frau. 
Passt also gut auf ihr werdet sie finden (schmunzeln)
Ich wünsche euch einen schönen sonnigen Tag.
Viel Spaß beim Lesen!


(c) Elli M.


Nicht standesgemäß

Elena betritt neben Direktor Zimmermann das Klassenzimmer und sieht sich zweiundzwanzig erwartungsvollen Gesichtern gegenüber.
Fräulein Hartleitner, das ist ihre neue Schülerin Elena von Straten. Ihre Eltern haben das Gut Waldblick übernommen und den dazu gehörigen Ponyhof.“
Freundlich nickt die Lehrerin dem Mädchen zu, trotzdem war sie Elena nicht sehr sympathisch.
Sie setzt sich auf den ihr angewiesenen Platz und packt ihre Schultasche aus.
Die Tür wird leise geöffnet und ein Mädchen drückte sich herein.
Entschuldigung,“ murmelt sie und hastet in die hinterste Bank.
Das ist Bärbel, sie ist strohdoof und außerdem hässlich angezogen.“ flüstert Rita Elena zu.
Das Mädchen betrachtet unauffällig das Mädchen, dessen Kleider geflickt sind, und die Haare unordentlich aus den Zöpfen hängen.
Direktor Zimmermann hat inzwischen das Zimmer verlassen und der Unterricht beginnt.
Elena beobachtet, dass die Lehrerin das Mädchen in der letzten Bank vollkommen ignoriert und in der Pause wird sie von den anderen Kindern gehänselt.
Elena gefällt das gar nicht und sie fragt Rita „ was hat euch das Mädchen denn getan?“
Ach,“ meint diese schnippisch, „ schau sie dir doch an wie hässlich sie angezogen ist, bestimmt hat sie auch Läuse, außerdem wohnt sie in einer ärmlichen Hütte mit ihrer Oma und mein Opa, der ja Bürgermeister ist, hat gesagt, die beiden sind der Schandfleck in unserem schönen Dorf.“
Elena runzelt die Stirn und nimmt sich fest vor zu Bärbel besonders nett zu sein.
Doch das war nicht so einfach, denn Bärbel lässt niemand an sich heran und so gibt Elena allmählich auf.

Nach einigen Wochen hat Elena sich eingewöhnt und viele Freunde gefunden. Jeder möchte ihre Freundin sein, war sie doch die Tochter des reichen Gutsbesitzer und die Kinder durften auf den Ponys reiten, wenn sie Elena besuchten.
Bärbel kam jeden Morgen zu spät und huschte schnell auf ihren Platz von niemand beachtet. Die Kinder hänselten sie auch nicht mehr, hatten sie doch schnell gemerkt, dass das Elena gar nicht gefiel und mit dieser wollte es sich keiner verderben.
Und die Lehrerin kümmerte sich überhaupt nicht um das Mädchen. Bärbel wurde niemals aufgerufen und selbst ihre Hausaufgaben wurden nicht eingesammelt.
Als wäre sie überhaupt nicht anwesend.
Manchmal warf Elena einen heimlichen Blick nach hinten und sah, dass das Mädchen sehr aufmerksam verfolgte was vorne geschah. Wenn ihre Blicke sich trafen sah Bärbel scheu weg und spielte mit ihrem Bleistift.
 
(c) Elli M.



Elena war gerade von der Schule nach Hause gekommen und lief in die Küche, wo Martha, die Köchin ihr lächelnd das Essen servierte und erzählte, dass ihre Mutter in die Stadt gefahren war und ihr Vater eine Besprechung mit dem Bürgermeister hatte.
Martha sah dabei sehr grimmig aus und Elena fragte sie
was denn los sei.
Ach den Bürgermeister hier kann ich gar nicht leiden, so ein Unmensch, will das arme Weiblein und ihre Enkelin aus dem Haus werfen. Sind ein Schandfleck für das Dorf behauptet er.“
Was will er denn von Papa?“
Der Wald gehört doch zu dem Gut und das alte Häuschen ist nur gemietet. Also soll der Herr seine Macht als Vermieter demonstrieren und ihnen kündigen.“
Das wird doch Papa nicht machen!“ rief Elena erschrocken.
Als der Bürgermeister abgefahren war, schlüpfte Elena in das Arbeitszimmer ihres Vaters.
Lächelnd sah Herr von Straten sein Töchterlein an. „Was hast du denn auf dem Herzen?“
Papa, du willst doch nicht Bärbel und ihre Oma aus dem Haus werfen?“
Kennst du sie denn?“
Ja, Bärbel geht mit mir in dieselbe Klasse.“ Und dann erzählt sie ihrem Papa, was ihr aufgefallen war und wie die Lehrerin und auch die Kinder mit dem armen Mädchen umgehen.
Ihr Vater nickte nachdenklich.
Die Menschen vergessen viel zu schnell, wenn es ihnen gut gut, dass nicht jeder soviel Glück hat.“
Aber hast du nicht immer gesagt, wir sollen dankbar sein, dass es uns so gut geht und die nicht vergessen, denen es nicht so gut geht.“
Ja, meine Kleine und daran wollen wir uns auch halten, habe keine Angst um deine Freundin.“
Elena widerspricht nicht, denn eigentlich wollte sie gerne mit Bärbel befreundet sein.



Im Stall trifft sie auf Justus, den Stallmeister, der an seiner alten Pfeife kaut. Er wollte sich nämlich das Rauchen abgewöhnen, aber von seiner geliebten Pfeife konnte er sich nicht trennen.
Na Prinzessin willst wohl ausreiten, Triumph muss bewegt werden.“
Elena ging an die Box, holte aus ihrer Hosentasche ein Stück Zucker und hielt es auf der flachen Hand dem weißen Pony hin.
Bald trabten die beiden über den Hof, begleitet von Gina dem gefleckten Mischling.
Der Hund umsprang sie freudig bellend, dann spitzte er plötzlich die Ohren und sauste los und verschwand im Wald.
Ärgerlich rief Elena den Hund,natürlich hörte er nicht, sicher hatte er wieder ein Kaninchen aufgestöbert.
Das Mädchen band das Pony an einen Baum und folgte dem Hund in den Wald.
Sie hörte ein komisches Geräusch, das konnte nur Gina sein.
Als sie den seltsamen Lauten folgte, sah sie Bärbel, die auf einem Baumstamm saß, Tränenspuren auf dem Gesicht, und mit offenen Mund Gina betrachtete.
Die Hündin hatte die Schnauze nach oben gerichtet und heulte Herz erweichend.
Als Bärbel Elena sah wollte sie aufspringen, doch dann fiel ihr Blick wieder auf den Hund und sie prustete los.
Elena ließ sich neben ihr auf dem Baumstamm nieder und auch sie konnte sich nicht mehr halten.
Weißt du, Gina ist ein besonders mitfühlender Hund, wenn sie jemand weinen sieht, weint sie gleich mit.
Wieder prusten sie los und der Hund, der die Beiden lachen sieht, drängt sich schwanzwedelnd zwischen sie.

 
(c) Werner B.

Die Mädchen streicheln den Hund.
Warum hast du geweint?“
Bärbel wird rot und wendet das Gesicht ab.
Elena ergreift ihre Hand.
Du brauchst keine Angst haben, mein Vater hat nicht vor euch zu vertreiben, auch wenn der Bürgermeister es so will.“
Er war gestern bei meiner Oma und hat ihr angedroht, dass der neue Besitzer uns rausschmeißen wird. Wir sind der Schandfleck des Dorfes. Aber meine Oma hat doch nur eine kleine Rente. Außerdem hat sie Arthritis und kann nicht mehr so arbeiten. Ich helfe ihr so gut ich kann, deshalb komme ich auch morgens immer zu spät in die Schule. Eigentlich will ich gar nicht mehr in die Schule gehen. Frau Hartleitner will sowieso nichts mit mir zu tun haben, sie mag nur die reichen Kinder.“
Elan umarmte Bärbel spontan. „ Ich mag dich und wäre so gerne deine Freundin.“
In diesem Moment entstand eine Freundschaft fürs Leben und für Bärbel und ihre Oma begann eine Zeit des Glücks.
Herr von Straten hatte auf seinem Besitz ein kleines unbewohntes Häuschen, das er herrichten ließ und in dem Bärbel und ihre Oma in Zukunft leben konnten.
Zuerst aber schickte er die alte Frau in ein Heilbad zur Erholung und während dieser Zeit durfte Bärbel bei Elena wohnen.
Martha, die Köchin verwöhnte das arme Mädchen mit Leckerbissen und Elenas Mutter sorgte für passende Kleider.
Elena und Bärbel aber waren unzertrennlich und mit Elenas Hilfe wurden auch deren Leistungen in der Schule besser.
Nichts erinnerte mehr an das zerlumpte Kind, das der Außenseiter in der Schule war.
Anfangs zögernd, aber dann wurde Bärbel in die Klassengemeinschaft aufgenommen.


© Lore Platz  C2016)