Dienstag, 4. November 2025

Der alte Puppenspieler


Vor vielen Jahren las ich in einem Forum, dass ein junger Mann einem Obdachlosen die Hand gedrückt hat und dieser glücklich gelächelt hat. Damals dachte ich dieser junge Mann hat ihm seine Würde wieder gegeben. Wie achtlos und verächtlich gehen doch die Menschen an denen vorbei. Dabei steckt hinter jedem Obdachlosen eine eigene Geschichte. Mein Mann der dreißig Jahre zur See  gefahren und die Armut auf der ganzen Welt sah, hat immer versucht zu helfen. Und als wir beide zusammen kamen haben wir nie wegeschaut .
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
 
 Jaja, das Alter ist so ein Ding. Meine  Freundin Irmi hat darübe r ein Gedicht gemacht und darin schildert sie ihren derzeitigen Alltag.
 
 
 
 (C) Irmgard Brüggemann

 
Bist du reif an Jahren, kann man sich über Arzt Termine nicht beklagen.
Ein Facharzt für alle Körperteile, nein, man hat keine Langeweile.
Erst werden die Organe gecheckt, Herz, Lunge, Leber, Bauch, Probleme im Kopf vielleicht auch.
Bei jedem positiven Befund, ist man noch ein wenig Gesund.
Jetzt sind die anderen Teile im Körper dran, ob man da etwas entdecken kann.
Vom Radiologen, zum Kardiologen, Neurologen, doch, es ist wirklich nicht gelogen.
Die Gelenke, Blut, Kreislauf und Puls, wer ist für das Missbehagen schuld?
Auch die Nervenschmerzen, was soll ich sagen, nein nicht noch zusätzlich klagen.
Auch die Augen offenbar, haben den Grauen Star.  
Gegen die Schmerzen einige Tabletten dreimal am Tag, auch wenn ich sie nicht mag.
Zum Schluss bleibt nur noch der Psychiater, kein Wunder, bei all dem Theater!
Ja, nur die Termine für all diese schlauen Ärzte sind vielleicht gleich und sofort, dengste.
Monate gehen ins Land, das bringt mich um den Verstand.
Vieleicht fange ich mit dem Termin beim Psychiater an, so dass ich vielleicht dann viele andere Termine vergessen kann ❗ 😁
Oh je, habe ich vielleicht ein Körperteil vergessen, die Vergesslichkeit, kann es vielleicht noch nicht ganz ermessen?
 
 (c)Irmgard Brüggemann
 
 
 Viel Spaß beim Lesen !
 
 
eigenes Foto

Der alte Puppenspieler



Langsam senkt sich die Dämmerung über den Marktplatz und es sind nur noch wenige Menschen unterwegs.
Eine leichte Brise wirbelt den Staub auf und der alte Mann senkt den Kopf und schlägt den Kragen seines abgetragenen Mantels hoch.
Traurig bückt er sich zu dem verbeulten Teller und schüttet die paar Kupferstücke in die hohle Hand.
Niemand hat mehr Interesse an seinem Puppenspiel, nicht mal die Kinder. Sie laufen vorbei und spotten noch über seine langweiligen Puppen.
Müde hebt er den schwarzen, abgeschabten Koffer, indem er liebevoll seine 'Kinder', wie er seine Puppen nennt,verstaut hat, auf und schlurft mit gesenktem Kopf die Straße hinab.
Er biegt in den kleinen Weg ein, der zum Häuschen seiner Schwester führt, die ihm ein kleines Kämmerchen zur Verfügung gestellt hat, als er sich nicht mehr als Puppenspieler selbst ernähren konnte.
Seinem Schwager war das gar nicht Recht und er missgönnte ihm jeden Bissen.
Der alte Mann öffnet die Holztür, die leise knarrt, als wollte sie protestieren und tritt in den gefliesten Flur.
Sein Schwager Paul tritt ihm entgegen.
Na, hast du heute gut verdient mit deinem Firlefanz,“ spottet er.
Martin senkt den Kopf und will sich an ihm vorbei drängen, doch dieser hält ihn am Arm fest.
Ich habe es satt, dich unnützen Träumer noch weiter mit durch zu füttern, du wirst in Zukunft auf dem Hof mitarbeiten.“
Hilde tritt aus der Küche und stemmt die Arme in die Hüften.
Lass meinen Bruder in Ruhe, das bisschen was er isst, können wir immer noch verkraften.“
Ins Narrenhaus gehört er, ein alter Mann, der noch mit Puppen spielt!“ brummt ihr Mann und verlässt das Haus.
Hilde aber legt liebevoll ihren Arm um Martins Schulter.
Komm mit in die Küche ich habe eine gute warme Suppe.“
Obwohl Hilde einige Jahre jünger war als ihr Bruder hatte sie ihn schon als Kind bemuttert und in Schutz genommen, wenn der Vater mal wieder grob wurde, weil Martin lieber Puppen schnitzte und träumte, als auf dem Hof zu arbeiten.
Sie hatte für seine Puppen die Kleider genäht und auch ihm das Nähen beigebracht.
Natürlich durfte der Vater das nicht mitbekommen, dann hätte er sich noch mehr erzürnt, wenn er seinen Sohn bei so einer weibischen Tätigkeit erwischt hätte.
Als die Eltern dann gestorben sind, war Hilde in die Stadt in Dienst gegangen und Martin hatte seine Puppen in den Rucksack gepackt und war über Land gezogen.
In Dörfern und Städten hatte er alte Märchen und auch ausgedachte Geschichten vorgeführt.
Reich wurde er nicht, aber für eine warme Mahlzeit hatte es immer gereicht.
Aber sein schönster Lohn war doch das Lachen und die Freude der Kinder.
So ging das viele Jahre, doch auf einmal wollten die Menschen keine Puppenspiele mehr sehen und auch die Kinder fanden andere Spiele interessanter.
Martin war inzwischen alt geworden und auch das Leben auf der Straße wurde immer beschwerlicher und so war er eines Tages vor der Tür seiner Schwester gestanden.
Hilde hatte ihn ohne viel zu Fragen aufgenommen.
Martin löffelt schweigend seine Suppe und auch den
Milchkaffee und das dick mit Butter bestrichene Brot lässt er sich schmecken.

 
(c) meine Tochter

In seiner Kammer holt er seine Puppen aus dem Koffer und setzt sie nebeneinander auf das alte Sofa.
Er legt sich auf das Bett und verschränkt die Arme unter dem Kopf. Er kann nicht schlafen, denn zu viele Gedanken gehen ihm durch den Kopf.
Die Tür unten knarrt. Sein Schwager kommt wohl aus dem Wirtshaus zurück und wenn er getrunken hat, fühlt er sich besonders stark.
Schon hört man ihn brüllen, „ und dass du es genau weißt, der alte Nichtsnutz kommt aus dem Haus, ich dulde es nicht länger, dass du ihn durch fütterst.“
Martin hebt sich die Ohren zu, um die streitenden Stimmen nicht mehr zu hören.
Endlich werden sie leiser und dann verstummen sie ganz.
Der alte Mann setzt sich im Bett auf und sieht hinüber zu seinen Puppen und flüstert. „Kinder, Morgen werden wir diese Haus verlassen. Ich will nicht, dass meine Schwester ständig Ärger wegen mir bekommt.“
Es dauert lange, bis er eingeschlafen ist, doch dann fallen ihm die Augen zu und leise Schnarchtöne sind zu hören.
Auf dem Sofa wird es auf einmal lebendig. Die Puppen recken und strecken sich.
Habt ihr gehört,“ murmelt Friederich, der meistens die Rolle des Kammerdieners spielen muss, „ Morgen will er ganz allein mit uns weiter reisen.“
Kasperles Oma sieht sehr besorgt aus.
Ja, das wird er nicht überleben, bald kommt der Winter und außerdem will uns doch niemand mehr spielen sehen.
Er wird verhungern.“
Alle Puppen nicken betrübt, selbst der Räuber, die Hexe und das Krokodil, die immer die Rolle der Bösewichte übernehmen müssen, obwohl sie doch gar nicht so böse 
sind.
Hm,“ der Zauberer streicht über seinen langen grauen Bart, „Vielleicht sollten wir die Puppenfee um Hilfe bitten?“
Wer ist die Puppenfee, wo wohnt sie und warum kann sie Meister Martin helfen.“ so rufen die Puppen durcheinander.
Die Puppenfee wohnt in einem wunderschönen Land und ihre Helfer eilen durch die ganze Welt um allen traurigen Puppen, die verlassen oder durch Menschenhand zerstört wurden, zu sich zu holen und ihnen eine neue Heimat zu geben,“ erklärt der Zauberer.
Weißt du denn wo sie wohnt?“


(c) meine Tochter
Nicht so genau, aber vor der Stadt im Wald wohnt Eulalia, die Eule, sie ist sehr weise und kann uns weiter helfen.“
Wir können aber nicht alle gemeinsam losgehen, was wird Meister Martin denken. Er wird einen großen Schreck bekommen. Wenn nur einer von uns die Fee aufsucht, wird es ihm nicht auffallen,“ meint der König, der sehr klug ist.
Ich werde gehen,“ meldet sich das Kasperle und alle sind einverstanden.
Wenig später klettert der kleine Kerl durch das Fenster und lässt sich an der Regenrinne hinab.
Mit schnellen Schritten verlässt er den Hof und saust die Straße entlang, die aus der Stadt führt. Atemlos kommt er im Wald an.
Müde sinkt er ins Gras, lehnt sich an den Stamm eines Baumes und schließt erschöpft die Augen.
Warum rennst du denn so?“
Kasperle öffnet die Augen und sieht einen Igel vor sich, der ihn aus seinen dunklen Knopfaugen neugierig mustert.
Ich muss zu Eulalia.“
Das geht jetzt nicht, die ist vor einiger Zeit zurück gekommen und schläft jetzt sicher und wenn man sie aufweckt wird sie furchtbar böse.“
Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen, ich brauche unbedingt ihre Hilfe.“
Na ich weiß nicht,“ meint der Igel zweifelnd.
Wenn er Eulalies Hilfe benötigt, dann wird sie ihm auch helfen.“
Ein Reh tritt zwischen den Büschen hervor.
Komm, setz' dich auf meinen Rücken, ich werde dich zu Eulalie bringen.“ wendet sie sich an das Kasperle.
Der Igel zuckt nur mit der Nase und verschwindet im Gebüsch.
Kasperle aber klettert auf den Rücken des hilfsbereiten Rehs und nun geht es über Stock und Stein durch den Wald.
Vor einer großen mächtigen Eiche bleibt das Reh stehen und deutet mit dem Kopf nach oben.
Siehst du die große runde Öffnung, dort wohnt Eulalie.“
Kasperle bedankt sich, richtet sich auf und greift nach dem nächsten Ast und schwingt sich flink den Baum hinauf.
Das Reh beobachtet ihn noch eine Weile bis er im Bau der Eule verschwunden ist, dann läuft es weiter.
Kasperle aber steht vor dem Bett der Eule, die mit leicht geöffnetem Mund leise schnarcht. Es tut ihm leid sie zu wecken, denn war sie doch als Nachttier die ganze Nacht unterwegs gewesen, aber dann denkt er an Meister Martin und auch an seine Freunde und rüttelt die Eule leicht an der Schulter.
Unwillig brummt diese und dreht sich auf die andere Seite.
Doch Kasperle lässt ihr keine Ruhe und ruft verzweifelt. „Bitte Frau Eulalie, bitte ich brauche eure Hilfe.“
Die Eule öffnet die Augen und blickt den Störenfried finster an.
Bitte, ich muss wissen wie ich zur Puppenfee komme. Es geht um Meister Martin und seine Puppen. Wir brauchen Hilfe.“
Eulalie setzt zu einer unwirschen Antwort an, doch dann sieht sie den flehenden Blick des kleinen Kerls und ihr gutes Herz siegt.
Wenn du nicht weißt, wo die Puppenfee wohnt, dann ist es dir noch nie schlecht gegangen.“
Nein!“ Kasperle lächelt, „ unser Vater Meister Martin hat uns geschaffen und all die Jahre geliebt und für uns gesorgt. Doch nun ist er alt und niemand will unser Spiel
mehr sehen und der Mann seiner Schwester ist böse und deshalb möchte Meister Martin heute wieder auf Wanderschaft gehen. Aber er ist zu alt für das Leben auf der Straße, deshalb will ich die Puppenfee um Hilfe bitten und man hat mir gesagt, sie wüssten wie ich sie finden kann.“
Eulalie richtet sich seufzend auf.
Das ist ganz einfach, du musst die Puppenfee rufen und wenn du wirklich in Not bist, wird sie dich finden. Aber nun lass mich schlafen.“
Die Holzpuppe bedankt sich und klettert flink den Baum hinab. Einen Moment bleibt sie stehen und überlegt, sollte es wirklich so einfach sein?
Nun er musste es versuchen.
Leise ruft er: „ Liebe Puppenfee, ich brauche deine Hilfe.“
Aufmerksam sieht er sich um, doch nirgends kann er jemanden entdecken. Mutlos mit gesenktem Kopf verlässt er den Wald.
Als er die große Lichtung erreicht, hört er plötzlich leises Lachen und neben ihm geht eine wunderschöne Frau mit rotbraunen wallenden Haaren. Das Kleid, das aus vielen Schleiern besteht ist fast so bunt wie sein Kasperlegewand.
Du hast mich gerufen?“
Kasperle starrt sie mit offenem Mund an. „Du bist die Puppenfee?“
Wieder erklingt das melodische Lachen und schmeichelt sich in sein Herz.


Ja, ich bin die Puppenfee und ich kenne deinen Kummer, denn schon viele Jahre beobachte ich deinen Meister Martin und seine Liebe zu meinen Geschöpfen. Längst habe ich beschlossen ihm helfen, also sorge dich nicht.“
Sie lächelt und Kasperle fühlt, wie all sein Kummer von ihm abfällt und er ist sicher, dass alles gut wird.
Aber nun lauf, bald wird Meister Martin aufstehen und dann solltest du wieder bei den anderen sein.“
Die Puppenfee verschwindet, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
Nun aber saust das Kasperle los, kommt über die Regenrinne ungesehen ins Zimmer und ist gerade mit seinem Bericht fertig, als Meister Martin sich in seinem Bett bewegt.
Etwas schwerfällig erhebt er sich und schlurft ins angrenzende Bad.
Als er zurück kommt nimmt er den Koffer und legt ganz liebevoll eine Puppe nach der anderen hinein. Seine wenigen Habseligkeiten packt er in den alten Rucksack, den er im Schrank verstaut hat, dann wirft er noch einen Abschied nehmenden Blick ins Zimmer und geht langsam die Treppe hinunter.
Er hört Hilde in der Küche hantieren und deponiert Koffer und Rucksack im Flur, dann tritt er zu seiner Schwester.
Diese schenkt ihm ein liebevolles Lächeln.
Guten Morgen, Martin, setz' dich. Willst du wirklich wieder durch die Gegend streifen. Es ist Sturm und Regen angesagt, da wird wohl niemand stehen bleiben.“
Ach vielleicht kann ich ja in einer Gaststube spielen.“
Hilde nickt nur, sie weiß dass niemand seine Puppen mehr sehen will, aber sie schweigt. Sie weiß wie wichtig ihrem Bruder das Gefühl ist noch etwas unternehmen zu können.
Aber wenn nicht, dann komm bitte nach Hause, aber nun trink deinen Kaffee und iss deine Stulle.“
Nach dem Frühstück bleibt der alte Mann unschlüssig stehen, dann umarmt er seine Schwester.
Nanu, was ist denn heute mit dir los?“
Ach Hilde, ich will dir einfach nur mal danken, warst immer eine gute Schwester.“
Sie gibt ihm eine kleinen Klaps und brummt, um ihre Rührung zu verbergen.
Dafür sind Geschwister doch da, aber nun nimm deine Brotzeit und bring Freude mit deinen Puppen unter die Menschen.“
Martin verlässt die Küche, dreht sich noch einmal um und wirft Hilde einen langen Blick zu, unter dem es dieser ganz eigentümlich zu Mute wird.
Langsam mit müden Schritten wandert er aus dem Dorf und das Herz ist ihm schwer.
Nach endlos scheinender Zeit hat er die nächste Ortschaft erreicht und stellt sich auf den Marktplatz und holt seine 'Kinder' heraus.
Doch die Menschen hasten vorbei und niemand hat Interesse für seine schön geschnitzten Puppen.
Große Tropfen fallen vom Himmel und schnell verstaut er die Marionetten im Koffer. Er schlägt den Kragen hoch und eilt, um einen schützenden Platz vor dem Regen zu finden.
In einer alte Scheune lässt er sich aufatmend ins Heu sinken. Mit einem großen karierten Taschentuch fährt er sich über das nasse Gesicht. Ihm ist kalt und seine Zähne klappern, er fühlt sich so elend und müde und dann fallen ihm die Augen zu.
Ein überirdisch schönes Licht erhellt den alten Schuppen und vor ihm steht eine junge Frau in einem kunterbunten Kleid und lächelt ihn an.
Martin, komm mit!“
Und sie hält ihm ihre feingliedrige Hand entgegen und wie in einem Traum nimmt der Puppenspieler diese und folgt ihr. Sie erreichen einen herrlichen großen Garten voller Sonnenschein in dem viele Puppen fröhlich herum springen.
Wo bin ich hier?“
In meinem Puppenreich, in dem vergessene und verletzte Puppen eine neue Heimat finden, möchtest
du mir helfen diese armen Geschöpfe wieder glücklich und gesund zu machen?“
Ach bin doch so alt und müde.“
Die Puppenfee lächelt und schnippt mit den Fingern und Martin spürt wie seine Kraft zurück kehrt. Er dehnt und streckt sich.
Dann sind auf einmal alle seine 'Kinder' hier und umringen ihn.
Vater, du bist ja auf einmal wieder jung!“ staunen sie.
Und Martin bewegt seine durch Arthritis geschwächten Finger.
Sie sind beweglich und ohne Schmerzen, da stößt er einen Jodler aus und ruft fröhlich.
Ich will all den verletzten Geschöpfen helfen, hast du ein Schnitzmesser für mich?“
Die Puppenfee lächelt und führt ihn zu einem hübschen kleinen Häuschen.
Hier kannst du mit deinen Kindern wohnen und nebenan ist eine Werkstatt. Also willst du bei mir bleiben?“
Ja!“ ruft Martin mit strahlenden Augen.

Am nächsten Morgen fand man den alten Puppenspieler tot in der Scheune.


© Lore Platz 25.01.2019






Montag, 3. November 2025

Die Mäuse Max und Moritz

(c) Monika Mandelik


 

Heute erzähle ich euch eine Geschichte von einem 
   lieben alten Mann, der als Archivar die Gerichtsakten im Amtsgericht verwaltet und dabei zwei Freunde findet.
 
Der einzige Lagerist, dem ich begegnet bin, war ein richtiges Ekelpaket.
Nach der Schule fing ich in einer großen Versicherung an zu arbeiten. Damals gab es noch keine Computer und digitalisierten Akten.
Unten im Keller (sechs Stockwerke) war ein großer Lagerraum mit Akten und der Herr des Ganzen war ein Mann in mittleren Jahren.
Er trug einen grauen Kittel, hatte fettige gewellte Haare und stank permanent nach Schweiß.
Als Jüngste in der Abteilung wurde ich von meinen Kollegen öfter als Laufbursche eingesetzt.
Und ich habe es gehasst!
Denn während ich am Tisch die Akten sortierte, rückte mir der unangenehme Mann auf die Pelle. Geschickt versuchte ich seinen widerlichen Annäherung zu entkommen, indem ich zur Seite rückte, raffte schließlich die Papiere und verließ fluchtartig den Raum.
Damals wusste man noch nicht wie man sich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wehren kann.


Doch Herr Franz in meiner Geschichte ist ganz anderes, ein lieber freundlicher älterer Herr mit einem großem Herzen für Tiere.


Viel Spaß beim Lesen!


Die Mäuse Max und Moritz



Im Keller des Amtsgerichts war das Archiv untergebracht.
In hohen Regalen, die fast bis zur Decke reichten waren hunderte von Akten verstaut.
Vorne neben dem niedrigen Fenster stand ein alter Schreibtisch, an dem der Archivar Herr Franz immer arbeitete.
Zwei dicke Mäuse saßen zusammen gekauert in einer Ecke und blickten etwas ratlos zur Tür.
Wenn die Uhr der nahestehenden Kirche achtmal läutete, dann kam Herr Franz herein. Die Augen hinter der Brille funkelten vergnügt und er pfiff eine fröhliche Melodie.
Nachdem er die alte verschrammte Aktentasche neben den Schreibtisch gestellt hatte, schlüpfte er in seinen grauen Kittel und setzte sich.




Das war der Zeitpunkt an dem die beiden Mäuse losliefen, flink an dem Schreibtisch emporkletterten und Männchen machten.
Herr Franz lachte dann vergnügt, holte einen Apfel hervor und legte ihnen ganz klein geschnittene Stückchen vor die Nase.
Er selbst aß die andere Hälfte und dabei erzählte er ihnen, was er gestern Abend so erlebt und was seine Frau Trudchen ihm leckeres gekocht hatte.
Dann aber setzte er die beiden Mäuse auf den Boden und das war das Zeichen, dass sie ihn jetzt nicht stören durften.
Zusammengekauert saßen sie dann da und beobachten ihren Ziehvater.
Das ging nun schon so seit zwei Jahren.
Seit ihre Mutter plötzlich ganz still da lag und ihr verzweifeltes Fiepen nicht hörte.
Doch Herr Franz hatte sie gehört und sofort gesehen, was passiert war.
Mitleidig hatte er die beiden Waisen aufgehoben, auf den Schreibtisch gesetzt, ihnen einige kleine Stückchen Äpfel und Käse hin gelegt.
Dann hatte er ihre Mutter auf eine kleine Schaufel geladen und war hinaus gegangen.
Als er zurück kam, saßen sie immer noch etwas verängstigt da, die kleinen Bröckchen aber hatten sie verschluckt.
Herr Franz erzählte ihnen nun, dass ihre Mutter im Mäusehimmel sei und von dort über sie wachen würde und er nun in Zukunft für sie sorgen würde.
Dann erklärte er ihnen, dass sie nun Max und Moritz hießen. Max sei der mit dem schwarzen Punkt unter dem Auge und Moritz der mit dem geringelten Schwanz.
Sie hörten ihm aufmerksam zu und nun freuten sie sich jeden Tag auf das Kommen von Herrn Franz.
Sie beobachteten ihn gerne bei der Arbeit.
Oft klingelte der schwarze Apparat auf dem Schreibtisch und der alte Mann lauschte der Stimme, die daraus erklang.
Dann nahm er das große Buch und schrieb etwas in seiner sauberen akkuraten Schrift hinein.
Anschließend ging er zu den Regalen, zog einige Akten, legte sie auf seinen Wagen und verließ den Raum.
Wenn er dann wieder kam mit dem Wagen voller Akten, die nicht mehr gebraucht wurden, lachte er oft vergnügt und setzte sich an den Schreibtisch.
Das war das Zeichen und Max und Moritz flitzen heran, denn von so einem Rundgang brachte er meist etwas mit.
Obst, Kekse oder selbstgebackenen Kuchen, den ihm die Sekretärinnen zusteckten.
Und während er seine Schätze mit ihnen teilte, erzählte er ihnen von Fräulein Ilona, die wieder mal unglücklich verliebt war, oder von Frau Ulrike, deren Mutter schwerkrank war, oder von dem schüchternen Assessor, der in seine Sekretärin Fräulein Klara verliebt war.
Manchmal aber schimpfte er aber auch über die Schlechtigkeit und Dummheit der Menschen.
Denn davon bekam man hier im Gericht viel zu viele zu sehen.
Dann philosophierte er, wenn Menschen sich wegen einem Stück Zaun oder einem Ast, der in ihr Grundstück ragte schon stritten, wie könnte man dann erwarten, dass ganze Völker sich vertrugen.
Und Max und Moritz hörten aufmerksam zu und lernten viel.
Heute aber war alles anders, schon lange hatte die Uhr achtmal geschlagen und Herr Franz war immer noch nicht da.
Angstvoll kauerten sie sich zusammen und ließen die Tür nicht mehr aus den Augen.
Endlich öffnete sie sich.
Doch wie sah Herr Franz aus?
Statt dem Schlamm braunen Anzug trug er heute einen schwarzen und unter dem Kinn ein seltsames Stück Stoff.
Es sah aus wie ein Schmetterling.
Einmal hatte sich ein solcher hierher verirrt und Herr Franz hatte ihnen erklärt, was für ein Tier das sei.
Aber der alte Mann war nicht nur anders gekleidet, auch seine Augen sahen traurig aus.
Müde schleppte er sich an seinen Schreibtisch.
Max und Moritz sausten los und saßen wenig später vor ihm.
Herr Franz lächelte traurig und berichtete ihnen, dass das
Archiv geschlossen worden sei und man ihn in Frührente geschickt hätte.
Der Herr Obergerichtsrat hatte eine schöne Rede gehalten und ihm eine tolle Uhr überreicht. Alle hatten ihm die Hand gedrückt, doch wenn er heute dieses Haus verließ, würde er morgen schon vergessen sein.
Nachdenklich betrachtet er die beiden Mäuse und meinte erschrocken:
Morgen schon kommt eine Speditionsfirma und holt alle Akten ab, sie werden digitalisiert und dann wird der Keller geschlossen. Aber was wird dann aus euch?“
Herr Franz öffnete die Schubladen und räumte seine persönlichen Sachen in die Aktentasche, dann nahm er Max und Moritz und steckte auch sie dazu.
Am besten, ich bringe euch in den Park,“ murmelte er.
Nachdem er in seinen Mantel geschlüpft, seinen Hut aufgesetzt hatte, warf er noch einen traurigen Blick durch den Raum.
Herr Albrecht, der Pförtner eilte herbei und hielt ihm die Tür auf.
Er tippte sich an seine Mütze und meinte :
Auf Wiedersehen Herr Franz und alles Gute für die Zukunft.“
Der alte Mann drückte ihm stumm die Hand und ging mit müden Schritten die Stufen hinab.
Es war ein verregneter Tag, als würde das Wetter sich seiner Stimmung anpassen.



Im Park setzte Herr Franz sich auf eine Bank und öffnete die Tasche.
Max und Moritz kletterten sofort heraus und flüchteten sich auf seinen Schoß.
Eine lange Zeit saßen sie im Nieselregen, dann aber nahm der alte Mann die beiden Mäuse und setzte sie ins Gras.
 
Nun müsst ihr allein zurecht kommen,“ erklärte er und ging mit langsamen müden Schritten davon.
Max und Moritz aber flüchteten unter die Bank, denn die Nässe war ihnen unheimlich.

 
(c) Irmgard Brüggemann


Als Herr Franz den Flur seines kleinen Häuschens betrat, kam ihm seine Frau, die bereits besorgt aus dem Fenster nach ihm Ausschau gehalten hatte, entgegen.
Sie half ihm aus dem nassen Mantel, reichte ihm die Puschen und lotste ihn in die warme heimelige Küche.
Ich habe einen Gugelhupf gebacken mit extra viel Rosinen, so wie du ihn magst.“
Lächelnd betrachtete Franz sein Trudchen, das in der Küche herum wuselte und dachte liebevoll:
' Ohne sie wäre alles noch viel schlimmer '.
Als sie dann gemeinsam am Tisch saßen, berichtete er seiner Frau, dass er Max und Moritz im Park ausgesetzt hätte.
Du hättest die beiden doch mitbringen können,“ sagte Trudchen leise.
Aber du ekelst dich doch vor Mäusen.“
Sie hätten ja nicht unbedingt hier im Haus wohnen müssen, aber im Schuppen wäre bestimmt ein Plätzchen für sie gewesen. Ich weiß doch wie sehr du an ihnen hängst.“
Franz drückte stumm die Hand seiner Frau.
Er wusste welches Opfer sie ihm damit gebracht hätte und dachte traurig:
' Ach hätte ich das nur früher gewusst. Ob die Zwei wohl im Park zurecht kommen?'
Max und Moritz saßen zitternd unter der Bank. Sie hatten Angst. Alles um sie herum war so fremd und die Nässe war ihnen unangenehm.
Endlich hörte es zu regnen auf und sie wagten einige Schritte hinaus in das Unbekannte.
Dicht beieinander liefen sie durch das nasse Gras.

 
(c) Werner Borgfeldt


Plötzlich stellte sich ihnen ein großes pelziges Ungeheuer in den Weg.
Wen haben wir den da? Ihr seid ja zwei nette fette Kerlchen, gerade was ich brauche.“
Seine Augen verengten sich und er setzte zum Sprung an.
Doch er verschätzte sich.
Jetzt erwachten Max und Moritz aus ihrer Erstarrung und rannten los, bis sie gegen einen großen Erdklumpen prallten.
Wer klopft denn da und stört mich in meiner Mittagsruhe!“
Der Hügel bewegte sich und oben guckte eine schwarze Maus mit einer spitzen Nase heraus.
Sie blinzelte, wie Kurzsichtige das tun, und sah dann die beiden Mäuse streng an.
Warum habt ihr geklopft?“
Ent... Entschuldigung, wir sind nur aus Versehen an ihr Haus gerannt, weil ein riesengroßes Monster uns verfolgte.“
Was geht mich das an, das nächste Mal passt besser auf.“
Der unfreundliche Gesell verschwand.




Ein leises Kichern erklang und Max und Moritz erblickten einen Wichtel der zwischen den Wurzeln eines Baumes stand.
Herr Maulwurf mag es gar nicht wenn man ihn stört.
Hallo ihr zwei, ihr seid wohl neu hier. Habe gesehen, dass ein alter Mann euch gebracht hat. Außerdem scheint ihr ja richtige Grünschnäbel zu sein. Das Monster das euch verfolgt hat war ein Kater.“
Er sah sich vorsichtig um.
Sicher schleicht er noch hier herum. Am besten ist, ihr kommt erst mal zu mir herein, bisschen ungemütlich bei dem Wetter und auch gefährlich.“
Die Mäuse folgten dem Wichtel, der sich als Pietro, aus der Familie der Wurzelwichtel vorstellte, durch das Gewirr von Wurzeln.
Wie staunten sie, als er sie in ein gemütliches mollig warmes Stübchen führte.
Pietro holte aus einem Schrank zwei Handtücher und warf sie ihnen zu.
Trocknet euch lieber ab, damit ihr euch nicht erkältet. Und dann berichtet, ich höre gerne Geschichten.“
Max und Moritz erzählten ihm nun von ihrem Ziehvater und wie sie hier her gekommen sind.
Pietro bot ihnen an, bei ihm zu wohnen, das Nebenstübchen wäre noch frei.
Außerdem könne er zwei so Grünschnäbel nicht allein lassen, denn sonst würden sie die Nacht hier im Park nicht überleben.
Nun waren sie schon einige Wochen hier und hatten viele nette Freunde gefunden, aber auch ihre Feinde hatte der Wichtel ihnen gezeigt.
Doch obwohl es hier schön war und es ihnen gut ging, sehnten sie sich doch nach ihrem Ziehvater.
Herrn Franz ging es nicht anders.
Immer wieder dachte er an Max und Moritz und ob sie überhaupt noch lebten. Manchmal plagte ihn das schlechte Gewissen, dass er sie so einfach ins Unbekannte ausgesetzt hatte.
Und eines Tages machte er sich auf den Weg in den Park.
Er setzte sich auf die Bank und ließ seinen Blick herum schweifen. Viel Hoffnung hatte er natürlich nicht.
Aber wenn er hier auch nur saß so fühlte er sich seinen Lieblingen doch ganz nahe.
Es war Frühling als Max und Moritz in den Park gekommen sind und inzwischen war es Herbst geworden.
Die Blätter hatten sich bunt verfärbt und dann mit Hilfe des Windes die Bäume verlassen.
Auch unter dem Baum, in dem die Mäuse zusammen mit Pietro wohnte lagen eine Menge Blätter.
Max und Moritz liebten es in dem raschelnden Haufen zu spielen.
Auch heute versteckten sie sich darin.

(c) Roswitha Borgfeldt

Pietro, der auf dem Rückweg von seinem Freund, dem Igel war, sah Herrn Franz auf der Bank sitzen und begann zu laufen.
Jungs kommt schnell!“ rief er schon von Weitem und die beiden Mäuse rannten ihm erschrocken entgegen.
Was ist los?“
Vorne auf der Bank, sitzt euer Ziehvater!“Nun waren die Beiden nicht mehr zu halten.
Sie sausten durch das Gras, sprangen Herrn Franz auf den Schoß, machten Männchen, drehte sich im Kreis, liefen an seinen Armen rauf und runter, setzten sich auf seine Schulter und wussten vor Freud nicht ein noch aus.
Dem alten Mann liefen die Tränen über das Gesicht.
Pietro aber, der alles beobachtete hatte, drehte sich langsam um und ging traurig nach Hause.
Er wusste, dass er seine beiden Freunde nicht mehr wiedersehen würde.
Herr Franz aber nahm Max und Moritz mit und richtete ihnen im Schuppen ein lauschiges Plätzchen her.
In die Wand des Schuppens sägte er ein kleines kreisrundes Loch, sodass sie in den Garten konnten.
Und jeden Tag wenn er ihnen etwas zum Fressen brachte, dann setzte er sich zu ihnen und erzählte und philosophierte.
Und wenn er in ihre kleinen klugen schwarzen Äuglein sah, wusste er, dass sie jedes Wort verstanden.


© Lore Platz 10.10.2022






Sonntag, 2. November 2025

Armut - Reichtum



 
 In einem Kindergarten wurde ein Projekt gestartet. Da konnten die Kinder einige Schmetterlinge von den Eiern über die Verpuppung  bis zum Ausschlüpfen der Distelfalter beobachten. Als ich hörte, wie sehr die Kinder sich freuten, als die Schmetterlinge dann freigelassen wurden, da überlegte ich wieder einmal, wie wenig Kinder doch brauchen, um glücklich zu sein.
Das Thema Kinderarmut in unserem Land beschäftigt mich schon seit vielen Jahren , als ich den Artikel "Kinderarmut",  in einem Forum veröffentlichte, schrieb mich eine Bloggerin aus Argentinien an, ob sie diesen in ihrem Blog natürlich unter meinem Namen veröffentlichen dürfte. Ich habe es  ihr erlaubt. Das ist nun schon einige Jahre her.


Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer Bekannten, über die Kinderarmut, die in Deutschland immer mehr zunimmt.
Doch wo beginnt Armut und was braucht ein Kind,
Essen, Kleidung und vor allem Sicherheit und Liebe?
Meine Bekannte meinte grimmig:
Es gibt keine armen Kinder, nur faule Mütter!“
Nun so pauschal darf man das nicht sehen, oder?
Ich will mir hier kein Urteil erlauben, aber wenn ich zurückdenke an meine, nach heutiger Ansicht wohl arme Kindheit, dann kann ich nur sagen ich habe es nie so empfunden.
Mein Vater hatte sein Erbe durch die Inflation verloren, meiner Mutter wurde ihre gesamte Aussteuer unterwegs im Zug gestohlen.
Meine Eltern fingen mit nichts an.
Die ersten Möbel zimmerte mein Vater aus leeren Bierkisten.
Wir hatten immer genug zu essen, weil meine Mutter aus nichts wunderbare Gerichte zaubern konnte, Kartoffeln waren immer da und Fleisch gab es nur sonntags,wenn überhaupt.
Spielzeug gab es nicht, aber wir hatten die Natur als Spielplatz und aus Sand und Wasser konnte man wunderbare Kuchen zaubern, mit denen wir dann verkaufen spielten. Wir waren glücklich.
Denn wir hatten Eltern, die uns liebten und uns Geborgenheit schenkten.
Ich erinnere mich, dass ich einmal eine Klassenfahrt nicht mitmachen konnte, weil meine Eltern das Geld dafür nicht hatten. Aber ich fühlte mich deshalb weder arm noch ausgegrenzt.
Vielleicht liegt heute die Latte zu hoch, was der Mensch braucht, um nicht als arm zu gelten.
 
Da ich alles in Geschichten verarbeite was mich bewegt, habe ich auch zu diesem Thema mir etwas ausgedacht.





Gloria saß auf ihrem Sofa und baumelte lustlos mit den Beinen. Sie trug ein hübsches weißes Kleid,ihre dunkelblonden Locken wurden von einem roten Band gehalten und rote feine Lachschuhe zierten ihre Füße.
Gelangweilt glitt ihr Blick durch das Zimmer, über die hübschen weiß lackierten Möbel, das große Puppenhaus mit dem echten elektrischem Licht, die vielen wunderschönen Puppen, die aufgereiht auf einem Puppensofa saßen, die große Kiste mit Spielsachen. Man hatte den Eindruck als wäre man in der Spielzeugabteilung eines großen Kaufhauses.
Gloria sprang auf und verließ das Zimmer.
Aus dem Salon drangen Stimmen und das Mädchen schlüpfte durch die Tür und stellte sich neben ihre Mutter die mit ihrem Freundinnen Kaffee trank.
Unwillig sah diese auf.
Was willst du?“
Mir ist so langweilig!“
Frau Baumann verdrehte die Augen und meinte zu ihren Freundinnen gewandt.
Dieses Kind hat das ganze Zimmer voller Spielzeug und beklagt sich über Langweile.“
Die jungen Frauen lachten und Gloria wurde rot.
Stirn runzelnd wandte sich ihre Mutter an das Mädchen.
Nun geh spielen, du siehst ja ich habe kein Zeit, du störst.“
Mit gesenktem Kopf verlässt das Kind das Zimmer.
Aus der Küche drang Stimmengewirr, Lachen und Töpfe klappern.
Gloria schlängelte sich durch die Tür.
Eines der Küchenmädchen sah sie und rief:
Was willst du hier, du bist im Weg, außerdem wenn die Gnädige das sieht, dann wird sie sehr ungnädig.“
Die anderen lachten und Gloria schlich sich hinaus.
Mit Tränen in den Augen ging sie über die Terrasse in den Garten.
Sie fühlte sich so schrecklich einsam.
Am Ende des Gartens sah sie eine Bewegung und schnell lief sie hinüber.
Ein Mädchen in Jeans sprang gerade über den Zaun und ihr Pferdeschwanz wippte fröhlich auf und ab, als sie auf dem Boden aufkam.
Wer bist du?“
Erschrocken sah das Mädchen auf und wurde leicht verlegen.
Hanna, bitte verrate mich nicht.“
Warum bist über den Zaun geklettert?“
Das Mädchen wurde etwas rot: „ ich wollte einige der Äpfel aufklauben, die hier am Boden liegen.“
Was willst du denn damit?“
Mein Mutter hat Morgen Geburtstag und ich will ihr einen Apfelkuchen backen.“
Kannst du das denn ?“
Hanna lachte.
Ich bin doch schon zwölf! Weißt du mein Papa ist vor zwei Jahren gestorben und meine Mutter muss jetzt immer soviel arbeiten, da helfe ich im Haushalt soviel ich kann.“
Ich bin acht Jahre, aber ich kann gar nichts und kochen und backen macht unsere Köchin und die Küchenmädchen. Mein Papa ist immer in der Arbeit, aber Mama muss gar nicht arbeiten. Sie muss nur mit ihren Freundinnen Kaffee trinken oder einkaufen gehen.“
Ihr seid ja auch reich.“
Gloria hob die Schultern. Dann lächelte sie.
Wie viele Äpfel brauchst du denn für den Kuchen.“
Fünf.“
Gloria bückte sich und reichte ihr die Äpfel, die Hanna in die Jeanstaschen und oben in ihr Hemd stopfte.
Danke, weißt du was, ich komme Morgen und bringe dir ein Stück von meinem Kuchen.“
Das wäre schön! Aber nicht über den Zaun, klingle an der Tür.“
Am nächsten Tag, trieb sich Gloria immer wieder in der Nähe der Tür herum und wartete sehnsüchtig auf ihre neue Freundin.
Endlich klingelte es und das Dienstmädchen öffnete die Tür, betrachtete das einfach gekleidete Mädchen und meinte naserümpfend: „Betteln ist hier verboten.“
Da drückte sie Gloria zur Seite.
Das ist meine Freundin Hanna.“
Achselzuckend verschwand das Dienstmädchen und
Gloria zog Hanna in die Halle.
Diese sah sich staunend um.
Das ist ja größer, als unsere ganze Wohnung.“
Bald standen sie in Glorias Zimmer und wieder staunte Hanna über die Reichtum und Pracht.
Und trotzdem wunderte sie sich, dass ihre neue Freundin so traurig war und sie sprach ihren Gedanken laut aus.
Die Kleine zuckte die Schultern.
Ich habe alles was ich mir nur wünsche, aber niemand hat Zeit für mich. Mein Vater ist in seiner Fabrik, oder auf Geschäftsreise, meine Mutter hat immer Besuch und dem Personal bin ich immer im Wege. Sonst kümmert sich meine Hauslehrerin um mich, aber da Ferien sind, ist sie verreist.“
Mitleidig setzte sich Hanna neben Gloria und legte ihr den Arm um die Schulter.
Jetzt hast du ja mich, darf ich deine Freundin ..., oh nun hätte es beinahe vergessen, ich habe dir was mitgebracht.“
Sie zog aus ihrer Hosentasche ein etwas zerdrücktes Päckchen.
Mein selbst gebackener Kuchen.“
Gloria biss ein Stück von dem etwas zerquetschtem Gebäck ab und meinte noch nie so etwas köstliches gegessen zu haben.
Der ist aber lecker und den hast du ganz allein gebacken, hat deine Mutter sich sehr gefreut?“
Hanna nickte glücklich und nun erzählt sie, wie tapfer ihre Mutter ist und viel arbeiten muss, seit Papa tot ist. Aber sie erzählt auch wie sie ihr soviel wie möglich im Haushalt hilft. Ach und wie froh diese immer ist, wenn sie nach Hause kommt und alles aufgeräumt und das Abendbrot auf dem Tisch steht und wie ihre Mutter sie immer mein kleines Hausmütterchen nennt. Und abends kuscheln sie auf dem Sofa, erzählen was sie tagsüber erlebt haben, dann zeigt sie noch ihre Hausaufgaben und sie lesen sich abends gegenseitig vor.
Gloria aber laufen die Tränen über das Gesicht.
Deine Mama hat dich so lieb und meine liebt mich gar nicht.“
Unsinn! Deine Mutter hat dich lieb, sonst würde sie dir doch nicht all dies her schenken.“
Aber ich bin doch immer so allein.“
Das bin ich doch auch, weil meine Mutter den ganzen Tag arbeiten muss. Weißt du was, ich werde dich jeden Tag besuchen und dann spielen wir zusammen.“
Gloria nickt glücklich.

© Lore Platz  2.09.2020