Der
Pfarrer der Kirche in dem kleinen Ort St. Veit war ein freundlicher
junger Mann, der Mitleid mit der armen Kirchenmaus hatte und ihr
jeden Tag ein kleines Stück Käse, oder manchmal Brot vor ihr
Mausloch legte.
Und
zur Weihnachtszeit sogar ein Plätzchen.
Die
alte Pfarrköchin, die schon seinem Vorgänger gedient hatte,
schimpfte wie ein Rohrspatz, als sie es eines Tages mitbekam.
„Wie
können sie nur dieses Ungeziefer auch noch füttern. Mäuse
vermehren sich wie die Heuschrecken und bald werden sie über unsere
Speisekammer herfallen!“
„Nun
übertreibe nicht Rosa, soviel ich gesehen habe, handelt es sich um
einen alten Junggesellen.“
„Ha!
Und sie denken weil er in einer Kirche wohnt, lebt er im Zölibat!“
Pfarrer
Gietl lachte, doch dann wurde er wieder ernst.
„Rosa
auch eine Maus ist Gottes Geschöpf. Denk an den Hl. Franziskus, der
alle Tiere liebte. Und nun bringe mir bitte eine Tasse Kaffee in mein
Studierzimmer.“
Rosa
brummte vor sich hin und hantierte ziemlich laut mit ihren
Kochtöpfen.
Der
Pfarrer verließ schnell die Küche.
Im
Grunde ihres Herzens war seine Köchin eine gute Seele, die es nur
hinter ihrer poltrigen Art verbarg.
Das
bestätigte sich wenige Tage später.
Als
Pfarrer Gietl gerade die Kirche betreten wollte, sah er Rosa, wie sie
ein Stückchen Apfel vor das Mauseloch legte.
Still
zog er sich zurück.
So
war Konrad alles andere als eine arme Kirchenmaus und konnte seinen
Vetter Max und dessen Familie öfter einladen und sie aus seiner gut
gefüllten Speisekammer bewirten.
Herr
Oskar genoss diese Zeit, wenn seine Untermieter bei ihrem Vetter
weilten.
Manchmal
ging es doch recht turbulent zu, wenn die Kinder durch den Wagen
tollten.
Oskar
liebte seine Familie, aber er war nicht mehr der Jüngste. So ein
bisschen Ruhe ab und zu tat ihm doch gut.
So
döste Oskar vor sich, als eine wütende Stimme schimpfte: „Verflixt,
wo bin ich denn hier hingeraten!“
Herr
Oskar ließ seine Scheinwerfer aufflammen und sah einen seltsam
gekleideten Jungen mit blonden Ringellocken, der sich mit finsterem
Gesicht umsah.
Geblendet
durch das helle Licht der Scheinwerfer, schützte er seine Augen mit
der Hand und stapfte auf das Auto zu.
Er
klopfte an die Scheibe und Herr Oskar öffnete das Fenster. Der Junge
schaute erstaunt in das Innere,
„Der
Wagen ist ja leer, wer hat dann das Fenster geöffnet?“
„Na
ich,“ lachte Oskar vergnügt, „aber komm doch herein mein Junge,
hier ist es wärmer und gemütlicher.“
Dieser
kletterte durch das Fenster und ließ sich auf den Sitz fallen.
Die
Scheiben glitten nach oben und sperrten die Kälte aus.
„Darf
ich mich vorstellen, ich bin Herr Oskar, das kleine rote Auto.“
„Toll,
ich wollte schon immer einmal in so einem Ding sitzen,“ murmelte
der unbekannte Insasse und betrachtete aufmerksam das Armaturenbrett
und den Schalthebel.
„Hast
du eine Automatik eingebaut?“
Oskar
lachte, „ nein, die Elfenkönigin hat mich mit einem Zauber belegt,
zum Dank, dass ich ihre Tochter gerettet habe. Aber du scheinst noch
nie in einem Auto gesessen zu haben. Gibt es, da wo du herkommst
keine Autos?“
„Entschuldige,
ich habe ich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin der Engel Franziskus
und gerade frisch aus dem Himmel gepurzelt.“
„Wie
dass denn?“
Franziskus
runzelte die Stirn.
„Das
weiß ich auch nicht. Eben war ich noch oben und dann stehe ich
plötzlich hier mitten in den Einöde.“
„Das
ist wirklich seltsam, aber nun lass uns schlafen, Morgen sehen wir
weiter.“
Wie
freuten sich die Tiere, als sie am nächsten Morgen den Engel kennen
lernten und aufgeregt erzählten sie ihm , dass letztes Jahr am HL.
Abend das Christkind bei ihnen im Wald war.
Und
natürlich wollten sie wissen, ob es auch dieses Jahr wieder kommen
würde und er deshalb hier wäre.
Franziskus,
dem schon der Kopf schwirrte, weil alle durcheinander redeten, wollte
gerade antworten, als ein Rauschen in der Luft zu hören war.
Mit
einem lautem Knall landete Frau Eule auf Herrn Oskars Dach.
„Oho!“
rief dieser empört, „zerkratz mir nicht das Dach mit deinen
riesigen Krallen!“
„Ach
halt die Klappe, Oskar, du bist ein Schrottauto, da macht ein Kratzer
mehr oder weniger nichts aus.
Außerdem
bist wohl du wieder an dem Höllenlärm hier schuld.“
Sie
ließ ihren zornigen Blick über die Tiere gleiten, die plötzlich
ganz still waren.
„Sagt
einmal, könnt ihr keine Rücksicht auf eine alte Frau nehmen, die
die ganze Nacht auf war und etwas schlafen möchte?“
Ihr
Blick fällt auf den Engel.
„Aha,
Besuch, du bist wohl für den Spektakel hier verantwortlich.“
Franziskus
nickte schüchtern.
Frau
Eule‘s Blick wurde milder.
„Du
siehst aus wie die kleinen Jungen, die letztes Jahr das Christkind
begleitet haben. Will es uns auch dieses Jahr besuchen und bist du
deshalb hier?“
Franziskus
zuckte die Schultern.
„Ich
weiß nicht, gestern Abend war ich im Himmel und auf einmal stand ich
hier mitten im Wald.“
„ Alles
im Leben hat einen Sinn. Hm, vielleicht hat Gott einen Auftrag für
dich?“
„Aber
er hat mir nichts gesagt."
„Vielleicht
sollst du es selber heraus finden. Wie heißt du denn?“
„Franziskus!“
In
den Augen der Eule blitzte es auf. Sie breitete ihr Flügel aus, warf
einen strengen Blick in die Runde und brummte.
„Ich
muss jetzt schlafen. Ich hoffe ihr nehmt Rücksicht auf mich.“
Sie
rauschte davon.
Oskar
wurde sehr nachdenklich. Irgendwie hatte er das Gefühl, als wüsste
seine Freundin, die Eule mehr, als sie sagen wollte.
Franziskus
streifte mit den Tieren durch den Wald, lernte auch die anderen
Waldbewohner kennen, darunter auch die Wichtel. Nur Elfen traf er
keine, denn die schliefen tief unter der Erde.
Als
er abends wieder ins Auto kletterte, erzählte er aufgeregt von
seinen Erlebnissen. Doch plötzlich wurde er still und traurig.
„Wenn
ich nur wüsste warum ich auf die Erde gekommen bin.“ flüsterte
er.
„Du
wirst es erfahren, Gott hat dich nicht auf die Erde geschickt ohne
dafür zu sorgen, dass du Hilfe bekommst. Hab Vertrauen.“ tröstete
Oskar.
Der
Engel rollte sich auf dem Sitz zusammen und bald ist nur noch sein
gleichmäßiges Atmen zu hören.
Am
späten Vormittag des nächsten Tages kam Kathrin mit ihrer Familie
wieder zurück. Wie staunten sie, als sie den Engel auf dem
Beifahrersitz sahen.
Sie
schlüpften in das Auto, kletterten auf die Rücklehne und wollten
wissen, wie es im Himmel aussah, ob das Christkind auch dieses Jahr
wieder zu ihnen kommt.
Herr
Oskar hörte schmunzelnd dem Durcheinander zu. Obwohl er die Ruhe
genossen hatte, so merkte er doch wie sehr er seine Familie vermisst
hatte.
Es
klopfte am Fenster und Herr Oskar ließ die Scheibe herunter gleiten.
Frau
Eule`s rundes Gesicht wurde sichtbar und quietschend verschwanden die
Mäuse im Riss der Rückbank.
„Feiglinge,“
brummte die Eule.
„Rück
rüber Kleiner, ich denke ich weiß warum du hier bist.“
Die
Eule machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem.
„Kommt
heraus, ihr kleinen Feiglinge, ihr wollt sicher auch wissen, was ich
zu berichten habe. Außerdem habe ich Herrn Oskar versprochen euch
nichts zu tun. Und ich pflege meine Versprechen zu halten".
Langsam
kletterten die Mäuse aus ihrem Versteck, setzten sich aber
vorsichtshalber weit entfernt von der Eule.
Diese
kicherte, wurde aber sofort wieder ernst.
„Als
du mir gestern deinen Namen nanntest, da kam mir die Idee, das könnte
vielleicht ein Hinweis sein.“
„Ein
Hinweis, worauf?“ Etwas ratlos sah der Engel den Vogel an.
„Im
Dorf lebt ein junger Pfarrer, der den Hl. Franziskus sehr verehrt.
Dieser junge Mann ist der Sohn eines reichen Fabrikanten und sollte
sein Nachfolger werden.
Doch
je älter der Junge wurde, fühlte er, dass er lieber Gott und den
Menschen dienen wollte, als die Fabrik zu übernehmen.
Nach
einem heftigen Streit warf sein Vater ihn aus dem Haus.
Vor
zwei Jahren verarmte der alte Mann, sein Sohn weiß nicht, dass sein
Vater jetzt ein kümmerliches ärmliches Leben führt. Vielleicht ist
es deine Aufgabe die beiden zusammen zu führen.“
„Woher
weißt da das alles?“ will Herr Oskar wissen.
„Ich
komme viel herum.“
„Gib
doch zu, dass du neugierig bist und die Menschen belauscht.“ rief
Klein Oskar, der frechste der Mäusekinder.
Die
Eule drehte sich so schnell um, dass alle fünf Mäuse sich
erschrocken duckten.
„Hör
mal zu du Großmaul, ich habe deinem Patenonkel versprochen, euch
nicht zu fressen, aber ich habe nicht versprochen, dich so lange zu
beuteln, bis dir hören und sehen vergeht.
Herr
Oskar, öffnen sie bitte das Fenster. Ich möchte weiter schlafen.“
Die
Eule schlüpfte hinaus.
„Aber
was soll ich denn tun?“ rief der Engel ihr nach.
„Das
musst du schon selber wissen, ich habe dir gesagt was deine Aufgabe
ist.“
Mutlos
ließ Franziskus sich auf den Sitz zurück fallen.
„Nun,
nun" tröstete Herr Oskar, das wird sich alles finden. Als
erstes solltest du versuchen, Pfarrer Gietl kennen zu lernen.“
„Da
kann ich helfen,“ rief Max und kletterte nach vorne. „ Mein
Vetter Konrad wohnt doch in der Kirche, ich kann dich zu ihm
bringen.“
„Können
wir gleich zu ihm.“
Max
betrachtet zweifelnd die kleinen Flügel des Engels
„Kannst
mit den Dingern denn fliegen?
Franziskus
wird rot. „Nur ganz kurze Strecken, denn sie sind noch klein, aber
sie wachsen jedes Jahr ein bisschen.“
„Dann
werden wir gehen.“
Kurze
Zeit später wanderten eine Maus und ein kleiner Engel durch den
Wald.
An
der Kirche angekommen bat Max den Engel zu warten, denn er wollte
erst nachsehen, ob Menschen in der Kirche waren.
Flink
schlüpfte die Maus durch die Tür, die einen Spalt geöffnet war und
raste kreuz und quer durch die Kirche.
Heinrich betrachtete kopfschüttelnd seinen jungen Verwandten.
„Was
rast du denn wie ein Verrückter durch die Kirche?“
„Ich
wollte nur nachsehen, ob Menschen da sind.“
Heinrich lachte und sein grauer Schnurrbart hüpfte auf und ab,“ da hättest
du doch mich fragen können, hast du nicht an meinen Hinterausgang
gedacht.“
„Das
habe ich in der ganzen Aufregung ganz vergessen,“ kicherte Max.
Dann
erzählte er seinem Vetter von dem Engel, der auf die Erde geschickt
worden ist, um Pfarrer Gietl zu helfen.
Heinrich begann zu strahlen.
„ Das
wird mein schönstes Weihnachtsfest!
Jede
Nacht wenn alle schlafen, kommt der Pfarrer in die Kirche und betet
und dabei laufen ihm die Tränen übers Gesicht. Wie gerne würde ich
ihm helfen, aber nun hol den Engel herein.“
Staunend
sah dieser sich in der kleinen aber hübschen Kirche um. Vor dem
Altar war das Krippenspiel nachgestellt. Darüber hing ein großer
Adventskranz und bei drei der Kerzen war der Docht schwarz und Morgen
würde die vierte Kerze angezündet.
„Gefällt
dir unsere Kirche. Max hat mir erzählt warum du hier bist, komm
setzen wir uns auf eine Bank und reden darüber.“
Heinrich erzählte nun, dass Pfarrer Gietl jede Nacht weinend in der Kirche
betet. Und Franziskus erzählt ihm, was die Eule über seinen Vater
berichtet hat.
Nun
steckten sie die Köpfe zusammen und beraten.
Erschrocken
fuhren sie auseinander, als sie Stimmen hören.
„Das
sind die beiden Frauen, die die Kirche putzen und die Blumen
richten,“ flüsterte Konrad.
Die
Mäuse verschwanden in Heinrichs Wohnung. Der Engel aber lief zur
Krippe, kniete sich nieder und faltete die Hände.
„Ein
schlaues Kerlchen,“ grinste Max.
In
der Nacht kam der Pfarrer durch die Sakristei in die Kirche, betete
und dabei liefen ihm die Tränen über das Gesicht.
Franziskus
schlich leise durch die Kirche und setzte sich still neben den
Betenden.
Als
dieser sich schwerfällig erhob, sah er den kleinen Kerl neben sich.
„Was
machst denn du so spät noch hier, solltest du nicht Zuhause im Bett
liegen. Deine Eltern werden sich Sorgen machen.“
Franziskus
kicherte. „Ich bin ein Engel und wurde von Gott gesandt, um dir zu
helfen.“
Pfarrer
Gietl fuhr sich über die Augen und betrachtete sich den kleinen
Gesellen genauer, das weiße Kleidchen und tatsächlich die kleinen
Flügel, die hinten am Rücken hervor spitzten.
Träumte
er?
Konrad
und Max liefen auf der Bank auf sie zu und machten Männchen.
Der
junge Mann schlug beide Hände vors Gesicht und murmelte.
„Nun
macht sich der Schlafmangel bemerkbar. Ich habe Halluzinationen.“
Die
Mäuse schlichen sich davon, doch der Engel blieb sitzen.
„Du
bist ja immer noch da,“ rief der Pfarrer, als er die Hände vom
Gesicht nahm.
Franziskus
grinste.
“ Sicher,
du glaubst doch an Gott und du glaubst auch an Engel. Warum glaubst
du nicht, dass Gott deine Gebete erhört und mich gesandt hat, um dir
und deinem Vater zu helfen?“
„Ich
glaube. Ich brauche erst mal Schlaf. Komm mit, du kannst im Pfarrhaus
übernachten, aber lass dich nicht von meiner Haushälterin
erwischen.“
Es
klopfte an der Tür des Zimmers, in dem der Engel übernachtet hatte
und der Pfarrer trat ein.
„Hier
ich habe dir einige Kleider aus dem Paket für die Kleidersammlung
heraus gesucht, die Größe dürfte stimmen. Nach dem Frühstück
fahren wir zu meinem Vater, ich habe inzwischen seine Adresse
erfahren.“
Der
Engel zog die Jeans und den warmen Pullover über und folgte dem
jungen Mann. Vor der Küche flüsterte dieser. Ich habe meiner
Haushälterin erzählt, du hättest dich verlaufen und ich hätte
dich in der Kirche gefunden.“
Rosa
hatte den kleinen Jungen sofort in ihr Herz geschlossen und verwöhnte
ihn direkt, was dieser sich grinsend gefallen ließ.
Franziskus
saß angeschnallt auf der Rückbank des Autos und sah staunend wie
die Landschaft an ihm vorüberflog.
Vor
einem heruntergekommenen Haus hielt das Auto an und die beiden
stiegen aus.
Zweifelnd
schaute der Engel auf das baufällige Gebäude.
„Bist
du sicher, dass wir hier richtig sind?“
Oliver
Gietl nickte sorgenvoll und öffnete die zerkratzte Haustür.
Der
Engel folge ihm die ausgetretenen Stufen nach oben.
Der
Pfarrer klingelt. Schlurfende Schritte näherten sich der Tür, die
sich langsam öffnet.
Der
junge Mann erschrak. Beinahe hätte er seinen Vater nicht erkannt.
Die Kleider schlotterten um den einst so stattlichen Mann, die
schneeweißen Haaren hingen in Strähnen in das unrasierte Gesicht.
„Papa!“
Er nahm den alten Mann in die Arme und beide weinten.
Franziskus
setzte sich leise auf das Sofa und am liebsten hätte er auch
geweint.
Lange
sprachen Vater und Sohn miteinander und alles was zwischen ihnen lag
verschwand. Es zählte nur noch das Heute.
Während
sein Vater duschte und sich frisch machte, packte sein Sohn einen
Koffer.
Sie
hatten beschlossen, dass der alte Herr nun im Pfarrhaus bei seinem
Sohn leben sollte.
Schon
lange hatte er bereut, dass er damals so hart zu seinem Sohn gewesen
war, nur sein Stolz hatte ihn daran gehindert sich zu versöhnen.
Erst als das Leben ihn in eine harte Schule genommen hatte, war er
demütig geworden.
Und
Gott hatte zum richtigen Zeitpunkt seinen Engel gesandt.
Als
das Auto vor dem Pfarrhaus hielt bemerkt Oliver erst, dass die
Rückbank leer war, nur eine kleine weiße Feder lag noch da.
„ Danke
Franziskus,“ flüsterte er.
Rosa
nahm den alten Herrn sofort unter ihre Fittiche. Sie würde ihn schon
wieder aufpäppeln.
Als
Max in den Wald zurück kehrte und seinen Freunden berichtete was
sich im Pfarrhaus
inzwischen
ereignet hatte, waren allen glücklich und zufrieden.
©
Lore Platz 2.12.2014