Denn auch die Freizeit ist oft schon verplant, als wollten wir die Leere in unserem Innern zum Schweigen bringen.
Besonders Weihnachten wird es wieder hektisch zugehen und in manchen Familien brechen oft die Konflikte aus, die während des Jahres nicht zur Sprache kamen.
Wir sollten uns einfach immer wieder etwas Zeit für uns und für andere nehmen.
Wie wäre es wenn ihr statt kostbaren Geschenken einfach euren Lieben etwas Zeit schenken würdet, Zeit zum zuhören.
Nun lasst uns zusammen das 8. Türchen öffnen.
Nehmt euch die Zeit und genießt die Geschichte.
Viel Spaß beim Lesen!
8. Türchen
Der
Engel, der vom Schlitten fiel
Frederic
lugt vorsichtig in die Backstube, aus der köstliche Düfte seine
Nase kitzeln und locken.
Er
grinst vergnügt als er niemanden dort erblickt und eilt mit
schnellen Schritten zu dem Regal, wo die Plätzchen zum Auskühlen
abgestellt sind.
Vergnügt
langt er in eine der Dosen, holt sich eine Handvoll heraus und stopft
sie in den Mund.
Mit
dicken Backen kauend sieht er sich nach einer neuen Sorte der
leckeren Kekse um.
„Dachte
ich doch, dass du Leckermaul hier bist!“, reißt ihn die Stimme
seines Freundes Markus aus seinen seligen Gedanken.
„St.
Nikolaus wartet in der Halle und alle suchen nach dir!“
Frederic
schluckt schnell den Rest hinunter, schürzt sein Kleidchen und rast
durch den Himmel.
Atemlos
erreicht er die große Halle, in der St. Nikolaus neben dem voll
bepackten und startbereiten Schlitten bereits auf ihn wartet.
Der
weiße Schimmel scharrt schon ungeduldig mit den Hufen.
Petrus
der neben Nikolaus steht wirft Frederic einen finsteren Blick zu und
grollt.
„Länger
hätten wir jetzt nicht mehr gewartet und ein anderer Engel hätte
St. Nikolaus auf die Erde begleitet!“
Frederic
wird rot und wirft dem Bischof einen entschuldigenden Blick zu, dann
klettert er blitzschnell auf die Pakete im Rücksitz des Schlittens.
Das
große Himmelstor öffnet sich und sie schweben durch die Wolken auf
die Erde.
Unten
angekommen geht es in Windeseile durch Städte und Dörfer.
Der
kleine Engel, der zum ersten Mal auf der Erde ist kommt aus dem
Staunen nicht mehr heraus.
Leider
verweilen sie immer nur kurz an einem Ort und
Frederic
ist so beschäftigt mit Päckchen schleppen und an die Kinder
verteilen, dass er wenig von seiner Umgebung sehen kann.
Als
sie durch einen Wald fahren, fliegt plötzlich vom Baum eine Ladung
Schnee herunter und direkt auf den Engel, der ganz oben auf den
Päckchen thront, um ja alles um ihn herum im Blick zu haben.
Er
schwankt und stürzt vom Schlitten.
St.
Nikolaus , der nichts bemerkt hat, fährt ahnungslos weiter.
Der
kleine Engel liegt einen Moment benommen im Schnee.
Als
er die Augen wieder öffnet haben sich die Tiere des Waldes um ihn
geschart und betrachten ihn neugierig.
„Hallo,
könnt ihr nicht St. Nikolaus nachlaufen und ihn aufhalten?“
Ein
Hirsch, der sich etwas abseits gehalten hat, tritt nun näher.
„Tut
mir leid, kleiner Engel, aber der Schlitten des Nikolaus ist viel zu
schnell für uns, den können wir nicht mehr einholen.“
„Ich
heiße Frederic,“ stellt dieser sich vor.
„Angenehm,
mein Name ist Adrian.“
„Und
wir sind Hoppel, Poppel und Stups!“ rufen die Hasen.
Es
raschelt im Gebüsch und ein Eichkätzchen kommt heraus.
„Hört
mal die kleine Annika sitzt da vorn und weint.“
Dann
sieht es den Engel.
„Wer
bist denn du?“
Der
kleine Stups drängt sich nach vorn und erklärt wichtig:
„Das
ist Frederic, er ist vom Schlitten des Nikolaus gefallen!“
Dieser
hat sich inzwischen erhoben und klopft sich den Schnee aus dem
Kleidchen.
„Wer
ist denn Annika und ist sie auch gefallen, oder warum weint sie?“
„Annika
ist ein kleines Mädchen und wohnt mit ihrer Mutter in dem Häuschen
am Waldrand.
Sie
ist sehr lieb und immer nett zu uns Tieren.
Warum
sie weint, weiß ich nicht, aber du könntest sie ja fragen.
Foto meiner Tochter |
Du
sprichst doch die Sprache der Menschen?“
Frederic
nickt und zusammen mit den Tieren gehen sie zu dem Mädchen, das auf
einem Baumstamm sitzt und bitterlich weint.
Mitleidig
umringen sie die Tiere und schniefend fährt sich das Mädchen mit
dem Handschuh über die Augen.
Dann
starrt sie Frederic mit offenen Mund an.
„Du
bist ja ein Engel!“
„Ja
und ich heiße Frederic, aber sag warum weinst du denn?“
Das
Mädchen deutet auf den Korb, der neben ihr steht.
„Ich
habe Tannenzapfen und kleine Äste gesammelt zum Anheizen, dann habe
ich den Schlitten des Nikolaus bimmeln gehört und bin losgelaufen,
um ihn zu sehen.
Dabei
habe ich mich verlaufen!“
„Die
Tiere können dir bestimmt den Weg nach Hause zeigen, nicht wahr?“
wendet sich der Engel an diese.
Diese
nicken.
Und
bald sind sie alle zusammen auf dem Weg zum Haus am Waldessrand.
Annika
hat Frederic angeboten bei ihnen zu warten, denn der Hl. Nikolaus
kommt immer auf dem Rückweg bei ihnen vorbei.
Die
Tiere kehren in den Wald zurück und der Engel folgt dem Mädchen ins
Haus.
Die
Mutter blickt erstaunt auf den Jungen der im Kleidchen und barfuß
ihre Stube betritt.
„Mein
Junge, du musst ja frieren, komm schnell zum Ofen und setz` dich.“
Frederic
lacht vergnügt. „Engel frieren nicht!“
„Ach
du bist ein Engel?“ fragt Annikas Mutter etwas zweifelnd.
„Ja,
stell dir vor, St. Nikolaus ist mit seinem Schlitten durch den Wald
gefahren und Frederic ist herunter gefallen.
Nicht
wahr er kann doch bei uns warten, bis der Heilige Bischof heute Abend
bei uns vorbeikommt?“
ruft
Annika, die sich inzwischen aus dem Mantel geschält hat und mit ein
paar flauschigen Pantoffeln in der Hand in die Stube kommt.
Sie
hält sie dem Engel hin und dieser schlüpft hinein.
Voller
Wohlbehagen lächelt er.
„Die
sind aber schön weich!“
„Mama
dürfen Frederic und ich auf mein Zimmer gehen?“
Diese
nickt abwesend, sie sitzt bereits wieder an ihrer Nähmaschine, den
bald kommt eine Kundin zur Anprobe.
Annika
zeigt nun dem Engel ihr kleines Reich.
Auf
dem Bett sitzen mehrere Plüschtiere und der Engel erkennt einige,
die im Himmel genäht worden sind.
Da
meint Annika auch schon:
“Die
hat mir alle das Christkind gebracht, jedes Jahr eines.“
„Was
hast du dir denn für dieses Jahr gewünscht?“
„Weißt
du das denn nicht?“
„Aber
nein, für die Briefe sind andere Engel zuständig,“ meint Frederic
und gesteht etwas verschämt:
„Ich
kann noch nicht so gut lesen!“
„Oh
ich kann schon ganz gut lesen! Lesen ist sooo schön!
Ich
bin ja auch schon in der zweiten Klasse und ich habe mir vom
Christkind ein großes Geschichtenbuch und Schlittschuhe gewünscht,
glaubst du ich bekomme das?“
Frederic
nickt ernst:
„Bestimmt,
du bist ja ein ganz braves Mädchen und außerdem sind es ja gar
keine ausgefallenen Wünsche.“
„Das
wäre schön! Willst du mal sehen welche Geschenke ich für
Weihnachten gebastelt habe?“
„Ihr
Menschen fertigt auch Weihnachtsgeschenke?“
Nun
staunt der Engel aber.
„Aber
natürlich, weißt du, die Erwachsenen bekommen doch nichts vom
Christkind, also habe ich für Mama eine kleine Schachtel für ihre
Nähnadeln ..., warte ich zeig sie dir.“
Sie
läuft zum Schrank und kramt darin herum, dann kommt sie mit einem
wollenem Tuch und legt es vorsichtig auf den Boden.
Die
Beiden setzen sich und Annika schlägt das Tuch auseinander und
zeigt ihm ihre Schätze.
Eine
hübsch bemalte Schachtel für die Mama, noch eine Schachtel mit
buntem Papier beklebt, für die Pfeifenreiniger des Opas und einen
gehäkelten Topflappen, der leider etwas schief geraten ist, für die
Oma.
Traurig
sieht Annika auf ihre Schätze und seufzt.
„Nur
für die arme Frau Markwart habe ich noch nichts, denn ich weiß
nicht was ich ihr schenken soll, hast du keine Idee?“
„Ich
kenne die Frau doch gar nicht.“
„Sie
ist ganz ganz lieb, aber sie kann nicht mehr laufen, und muss den
ganzen Tag im Rollstuhl sitzen. Morgens kommt immer der Pflegedienst
und wäscht sie, dann helfen sie ihr beim Anziehen und dann sitzt sie
den ganzen Tag am Fenster und sieht hinaus.“
„Hat
sie denn keine Kinder?“
„Nein
sie ist ganz allein, manchmal gehe ich mit Mama hinüber, wir bringen
ihr dann eine Suppe oder einen Kuchen.Sie freut sich immer so.
Ach
sie ist immer so lieb und freundlich und ich würde ihr so gerne eine
Freude machen.“
Frederic
stützt den Kopf in die Hände und überlegt angestrengt und Annika
beobachtet ihn gespannt dabei.
„Könntest
du ihr denn nicht auch einen Topflappen häkeln wie deiner Oma.“
Das
Mädchen schüttelt den Kopf, „ das geht so schrecklich
schwer
und außerdem kocht Frau Markwart ja nicht mehr.“
Frederic
wirft einen Blick zum Regal, auf dem einige Bücher stehen.
„Und
wenn du ihr eines deiner Bücher schenkst, du hast doch gesagt , dass
Lesen so schön ist.“
„Ihre
Augen sind so schwach!“
Wieder
versinkt der Engel in Gedanken, dann ruft er plötzlich:
„Ich
weiß etwas, du schenkst ihr Zeit!“
„Wie
soll das denn gehen?“
„Du
gehst jeden Tag zu ihr und liest ihr etwas aus deinen Büchern vor,
das freut sie bestimmt und sie ist nicht mehr so allein und sie hat
jeden Tag etwas worauf sie sich freuen kann.“
Annika
umarmt den Engel stürmisch.
„Das
ist eine gute Idee! Aber wie verschenkt man denn Zeit?“
„Schreibe
ihr einen Brief!“
Bald
liegen beide bäuchlings auf dem Boden und basteln an dem Brief für
die alte Frau.
Sie
malen große Buchstaben, damit sie es auch lesen kann.
Dann
faltet Annika das Blatt zusammen und sie laufen hinunter, denn das
Mädchen hat beschlossen nicht bis Weihnachten zu warten, sondern
heute zum Nikolaustag ihr Geschenk zu überreichen.
Auch
die Mutter findet es für eine gute Idee und gibt ihnen noch eine
Tüte mit selbstgebackenen Plätzchen mit.
Wie
staunt die alte Frau, die etwas verloren am Fenster sitzt, als ein
Engel und die kleine Annika zu ihr kommen.
Und
Tränen laufen ihr über das Gesicht, als sie den Brief liest und
Annika ihr erklärt, wie das gemeint ist und sie jeden Nachmittag nun
vorbei kommt, um ihr vorzulesen.
Als
sie nach einer Weile wieder gehen, lassen sie eine glückliche alte
Frau zurück, denn nun hat sie etwas auf das sie sich jeden Tag
freuen kann.
Später
kommt dann der Hl. Nikolaus zu Annika.
Er
ist auch gar nicht erstaunt, Frederic dort zu treffen, denn die Tiere
haben es ihm bereits gesagt.
Lange
noch winken Annika und ihre Mutter dem Schlitten nach.
©
Lore Platz 8.12.2018