Erinnerungsgeschichte
Die
Wunderpflanze
Mein
damals 15jähriger Neffe Rainer war ein rechtes Schlitzohr und
Lausbub.
Eines
Tages bekam er von seinem Freund eine kleine Pflanze geschenkt, die
dieser angeblich aus Vogelfutter gezüchtet hatte.
Die
beiden Schlingel wussten garantiert, um was für eine Pflanze es sich
handelte.
Rainer
aber stellte das kleine Blumentöpfchen auf die Fensterbank in seinem
Zimmer und vergaß es.
Als
wenige Tage später seine Tante Anneliese in sein Zimmer kam und das
halb verdorrte Gewächs erblickt, quoll ihr Herz über vor Mitleid.
Sie
war Gärtnerin aus Leidenschaft mit zwei grünen Daumen und liebevoll
pflanzte sie das vernachlässigte Gewächs in eine Ecke des Gartens
und begann es nun zu hegen und zu pflegen.
Und
die Pflanze dankte es ihr und wurde groß und immer größer.
Vielleicht
kennt ihr ja das Märchen von Jack und der Bohnenstange?
Diese
unbekannte Pflanze wuchs zwar nicht in den Himmel, aber sie wurde
doch recht stattlich.
Eines
Morgens aber stand im Garten nur noch ein Skelett!
Die
arme Pflanze reckte ihre Äste gen Himmel, all ihrer Blätter
beraubt.
Wenig
später klingelte die Polizei an der Tür.
Was
war geschehen?
Ein
polizeilich bekannter Jugendlicher war auf einen seiner Streifzüge
an dem Garten vorbeigekommen und hatte die Pflanze
sofort als das erkannt was sie war.
In
der Nacht kam er dann wieder und hielt reiche Ernte, wurde aber kurze
Zeit später mit dem „Gras“ in der Tasche von der Polizei
aufgegriffen.
Und
nun begannen die Mühlen des Gesetzes zu mahlen.
Fazit:
Mein minderjähriger Neffe wurde vor den Kadi zitiert, begleitet von
seinem Vater und der Tante.
Und
nun begann eine Verhandlung, die sehr an das königlich bayrische
Amtsgericht erinnert, nur ins schwäbische verlegt.
Der
Richter und er Staatsanwalt konnten sich kaum das Lachen verkneifen,
als die Anklageschrift verlesen wurde.
Die
kämpferische Tante Anneliese rief immer wieder von der Zuschauerbank
dazwischen.
„Der
Buabe is unschuldig, des Plänzle han ich gosse!“
Und
mein Schwager amüsierte sich königlich.
Der
Einzige, der geknickt und ziemlich weiß um die Nase auf dem
Armesündbänkchen saß, war mein sonst so übermütiger Neffe.
Die
Verhandlung endete mit Freispruch und einer Ermahnung.
Vor
einigen Tagen rief ich die inzwischen über achtzig Jahre alte
Anneliese an, um mir die Geschichte noch einmal schildern zu lassen.
Selbst
nach zwanzig Jahren klang ihr Stimme noch kämpferisch, als sie
meinte:
„Aneui
, i muast do mit go, um dem Bieble zu helfe!
©
Lore Platz 26.02.2019
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