Dienstag, 18. Oktober 2022

Der Wunschbrunnen

Manchmal wünscht man sich einen Wunschbrunnen, besonders in der momentanen Lage, die unsere Welt belastet. Leider gibt es den nicht, oder doch, manchmal wenn man fest daran glaubt gehen Wünsche in Erfüllung

Viel Spaß beim Lesen!



                    




Der Wunschbrunnen



Wohlig streckte sich Isabella , der Hahn hatte sie geweckt, als er fröhlich die Sonne begrüßte. Die junge Frau sprang aus dem Bett und zog die Vorhänge zurück. Strahlender Sonnenschein beleuchtete die herrliche Landschaft und die Luft war so klar, dass man die Berge sehen konnte.

Drei Wochen Urlaub lagen vor ihr, die sie auch dringend nötig hatte. Sie arbeitete in einem Münchner Krankenhaus als Krankenschwester und die letzten Wochen waren sehr stressig.

Nach einer erfrischenden Dusche zog sie ihre Wanderkleidung an, denn gleich nach dem Frühstück ging es in die Berge.




Um die Mittagszeit hatte Isabella das Gipfelkreuz erreicht. Sie setzte sich ins Gras und packte das Lunchpaket aus, das sie von der Köchin der Pension mitbekommen hatte.

Gestärkt und zufrieden lehnte sie sich zurück und ließ ihren Blick umherschweifen. Für sie gab es keinen schöneren Ort, als die bayrischen Berge.

Bereits als Kind schon hatten sie und ihre Eltern jedes Jahr einen Wanderurlaub gemacht. Doch nun waren ihre Eltern nicht mehr bei ihr, vor drei Jahren hatte ein betrunkener Autofahrer ihnen die Vorfahrt genommen.

Ein Bussard kreiste hoch oben am Himmel, plötzlich stürzte er herab, er hatte wohl ein Beutetier entdeckt.

Isabella nahm ihren Rucksack und machte sich an den Abstieg.

Als sie an einer Almwiese, die übersät war mit bunten Blumen, vorbei kam, lief sie schnell hinüber. Sie würde sich einen schönen bunten Wiesenblumenstrauß für ihr Hotelzimmer pflücken.

Sie bückte sich, da rief eine Stimme. „Halt Derndel, lass des sein!“

Isabella schaute erstaunt zu der alten Frau , die wie aus dem Boden gewachsen plötzlich vor ihr stand.

„Warum stehen die unter Naturschutz?“

„ Na des net, aber wenn du die Blermerl abbrichst und dann ins Wasser stellst dann lebens nimmer lang. Hier auf der Wiesen aber hams ihre Füsserl in der warmen Erde , können sich dem Sonnenschein entgegen strecken und morgens die Tautropfen trinken und noch viele Wochen leben.“

Isabelle wurde etwas rot und lächelte verlegen. „Sie haben Recht, es war gedankenlos von mir.“

„Ist ja nix geschehn, ich bin übrigens die Anna, aber die meisten nennen mi des Kräuterweiberl.“

Sie zwickte die Augen zusammen und sah zum Himmel.

„Es wird glei regnen, kommers meine Hütte ist net weit.“

Isabella folgte ihr, denn sie wusste wie schnell in den Bergen das Wetter umschlug.

Als sie die Hütte erreichten, prasselten auch schon die ersten Regentropfen auf das Dach.

„Setzns erner hie, ich mach uns an Tee.“

Während die alte Frau am Herd hantierte, sah Isabella sich um. Quer durch das Zimmer war ein Seil gespannt und daran hingen Büschel mit Kräutern zum Trocknen. In der Ecke stand ein alter Tisch, der übersät war mit kleinen Gläschen und Töpfchen.

„ Des is mei Hexenküche. „ lachte die Alte und stellte eine Tasse Tee vor die junge Frau. „Wollns an Honig nei? Mei Nachbar is Imker, dös is woas feins, net sowas wos in der Stadt kaufer kenna.“

Eine Weile tranken sie schweigend ihren Tee.

„Sie han allo hier, hams denn kon Freund?“

„Ich arbeite als Krankenschwester und bei dem Schichtdienst und den vielen Überstunden, hat man keine Lust groß feiern zu gehen.“

„Schade, sie san so a hübsches Madel und sollten net aoschichtig (allein) herum laufen.“

Die alte Frau beugte sich vor.

„Ich weiß wie i ihnen helfer kann. Drom auf der Burg gibts an Wunschbrunnen.“

Isabella lachte herzlich.

Das Kräuterweiberl winkte ab.

„Ihr junger Leit ihr meint immer ihr wisst alles, doch es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde und früher san Wünsche no in Erfüllung ganga. Viele Gschichten san überliefert worden. Probiers doch , schaden kanns nicht“

Mehr um der Alten einen Gefallen zu tun, sagte Isabella: „Und wie komme ich zu diesem geheimnisvollen Brunnen?“

„ Also hör zur Derndl. Wennst den schmalen Weg neben der Burg entlang gehst, kumst noch a Zeit zu einer mächtigen Eiche, de konnst gar net übersehen, so groß und alt is de. Die bewacht nämlich den Brunnen.“ Die Alte nimmt einen Schluck Tee aus ihrer Tasse.

„ Und dann steckst die Hand ins Wasser des Brunnens, schließt die Augen und sagst ihm ganz leise deinen Wunsch.“

Die junge Frau erhob sich und streckte Anna die Hand hin.

„Es hat zu regnen aufgehört , ich muss zurück, sonst schaffe ich den Abstieg nicht bevor es dunkel wird. Vielen Dank für den Tee.“

Die Alte hob beschwörend den Zeigefinger. „ Denkens an den Brunnen.


Wieder sind einige Tage vergangen, in denen Isabella die Gegend erkundet hatte und eines Tages stand sie vor der zerfallenen Burg und der Wunschbrunnen fiel ihr wieder. Sie schmunzelte, wenn sie schon hier war, warum sollte sie nicht das Wunderwerk besuchen.

Noch immer schmunzelnd ging sie den schmalen Weg entlang und sah schon von Ferne die Eiche.

Der Brunnen sah eigentlich ganz gewöhnlich aus, kein bisschen geheimnisvoll.

Übermütig steckte sie die Hand ins Wasser, schloss die Augen und murmelte:

„Ich wünsche mir nicht mehr so allein zu sein.“

Mit schnellen Schritten verließ sie den Ort. So ein Unsinn!


Die letzte Woche ihres Urlaubs war angebrochen und wieder war Isabella unterwegs auf einer ihren Wanderrouten.

Sie saß auf einer Anhöhe und genoss den herrliche Ausblick. Unten lag ein Bauernhof, einer dieser Einödhöfe wie es viele hier gab.

Ein kleines Mädchen tollte übermütig mit ihrem Hund umher.

Lächelnd sah sie dem fröhlichem Spiel zu. Plötzlich stürzte das Mädchen, schrie und dann war Stille.

Erschrocken sprang Isabella auf, packte ihren Rucksack und jagte in langen Sprüngen hinunter auf den Hof.

Sie beugte sich über das bewusstlose Mädchen, auf deren Stirn eine klaffende Wunde zu sehen war.

Vorsichtig untersuchte sie die Verwundete und stellte erleichtert fest, dass sie außer der Stirnwunde keine weiteren Verletzungen hatte.

Die Kleine öffnete die Augen. „Wer bist du? Oooohhh mein Kopf tut mir so weh.“

„Das kommt von dem Sturz, vielleicht hast du eine kleine Gehirnerschütterung. Du musst jetzt ganz tapfer, ich werde dich jetzt aufheben, das könnte ein bisschen weh tun.

Mit ihrer Last betrat Isabella den Hausflur. Eine alte Frau kam ihnen entgegen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

„Jessas, Maria und Josef, woas is bassiert!“

„Zeigen sie mir das Zimmer des Kindes und rufen sie den Arzt!“

befahl Isabella.

Vorsichtig legte sie das Mädchen auf das Bett, holte ihr Notfallset aus dem Rucksack und verarztete die Wunde.

„Bist du eine Ärztin?“ „Nein Krankenschwester. Wie heißt du?“

„Isabella.“Das ist ein schöner Name, ich bin das Roserl, und das ist unsere Martha,“ deutete das Mädchen auf die alte Frau, die gerade hereinkam.

„Der Doktor kommt gleich und den Bauern habe ich auch gleich verständigt.

Da ging auch schon die Tür auf und ein großer gutaussehender Mann ging mit langen Schritten auf das Bett des kleinen Mädchen zu.

Isabellas Herz klopfte, als sie sah wie der große Mann sich über sein Kind beugte und ihm liebevoll über das Haar strich.

„Roserl was machst du nur für Sachen.“

„Bin hingefallen, aber meine neue Freundin, die Isabella hat mich herein getragen und verbunden, und jetzt ist alles wieder gut.“

Jetzt erst bemerkte der junge Bauer die fremde Frau im Zimmer.

„Entschuldigen sie bitte meine schlechten Manieren, Ich bin der Jakob Hauseder, der Vater dieser manchmal recht anstrengenden Tochter. Vielen Dank, dass sie ihr zu Hilfe eilten.“

„ Mein Name ist Isabella Werdenfels und ich habe gerade auf der Anhöhe oben eine kleine Pause gemacht als ich das Roserl stürzen sah.“

„ Ja und sie hat mich herein getragen und mich ins Bett gebracht und meine Wunde verbunden und ich war ganz tapfer und habe nicht geschrien, als sie das Zeug drauf spritze, das so arg gebrannt hat.“

„Na kleiner Zeisig, du kannst ja schon wieder zwitschern, da hätte ich ja gar nicht den weiten Weg herauf kommen müssen,“ brummte eine tiefe Stimme von der Tür her.

Roserl winkte ab. „Du kannst auch gleich wieder gehen, Onkel Pankratz, meine Freundin Isabella ist nämlich Krankenschwester und hat meine Wunde schon verbunden. Und das Hirn, das ein bisschen schüttelt, das macht sie auch wieder gesund.“

Schallendes Gelächter erfüllte den Raum und die Kleine sah erstaunt von einem zum anderen.

„Ich habe den Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung, das sollten sie sich ansehen, Herr Doktor, erklärte Isabella noch immer lachend.

„Tja Roserl,“ meinte der Arzt nachdem er das Kind gründlich untersucht hatte. „Deine Freundin hat Recht, du hast ein leichte Gehirnerschütterung und musst ein paar Tage liegen bleiben.“

Roserl verzog schmollend den Mund.

Auch ihr Vater sah besorgt aus. „Wie soll das gehen, wir sind mitten in der Ernte und die Martha ist zu alt für das lebhafte Kind.“

„Darf ich einen Vorschlag machen?“ meldete sich Isabella. „ Ich habe noch eine Woche Urlaub. Ich könnte jeden Morgen hier herauf wandern und mich um die kleine Patientin kümmern.“

„Juchhu!“ jubelte Rosa.

„Das ist eine gute Idee, meinte auch Pankratz und Jakob sah die junge Frau mit leuchtenden Augen an.

Isabella errötete.

Als dann am Sonntag Isabella wieder nach München zurückfuhr, tat sie das nur, um in der Klinik zu kündigen.

Denn im Oktober gab es im Dorf eine zünftige Bauernhochzeit und Roserl, die Blumen streuen durfte, sah in ihrem süßen Dirndl zauberhaft aus.

An der Kirchentür aber stand das Kräuterweiberl und zwinkerte Isabella zu, diese zwinkert zurück.

Ja die Zeiten, da Wünsche erfüllt wurden gab es immer noch.



© Lore Platz

 

 

 








 

5 Kommentare:

  1. Ha, die Kommentarfunktion ist wieder aktiviert und ich darf die Erste sein, die hier etwas hinterlässt. Freu!!!
    Liebe Lore, dass ist eine soooo schöne Geschichte. Das Bayrische hat mir besonders gut gefallen - und ich hab alles verstanden. :-)
    Ich war mittendrin in den Bergen und bei der jungen Frau, deren Leben sich nun auf so wundersame Weise - durch dich und deine Fantasie - zum Besseren gewendet hat.
    Hab einen schönen Tag und Danke für die herrliche Geschichte! Martina

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  2. Liebe Lore,
    eine Geschichte zum Verfilmen, in meinem Kopf ist jedenfalls ein Film abgelaufen und die Mundart hat mir so gefallen, du bist eine tolle Schreiberin, a ganz a Guate!
    Liebe Grüße
    Regina

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  3. Liebe Lore,
    die Geschichte ist so zauberhaft wie das kleine Roserl. Durch den schönen bayrischen Dialekt ist alles lebendig und man sieht die Personen, die Berge und die Wiesen förmlich vor sich. Ich habe deine Geschichte sehr gern gelesen.
    Ich wünsche dir einen gemütlichen Abend
    Astrid

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  4. Ach wie schön Lore, Ende gut alles gut!

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  5. Gerade gefunden, diese hübsche Geschichte, sogar das Bayrische habe ich schmunzelnd verstanden.
    Hat sich schnell weggelesen, danke , liebe Lore, für den schönen Abendausklang.

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