Dienstag, 23. Januar 2024

Die Zaubergeige

 

 eigenes Foio

 

 Die Zaubergeige

 

Mutter Erde tritt aus ihrem Wolkenschloss und lässt zufrieden den Blick über ihren Garten schweifen.
Vier Beete liegen fein säuberlich nebeneinander.

Jeder ihrer Söhne hatte sein eigenes Beet.
Bunt und voller herrlicher Fülle wucherten tausende von Blumen und Blüten auf dem Beet ihres Sohnes, dem Frühling.
Daneben die satten Früchte und goldgelbes Getreide ihres Sohnes, dem Sommer.
Ihr Sohn, der Herbst und auch der farbenprächtigste und fröhlichste ihrer Söhne hatte sein Beet mit den schönsten Farben des Regenbogens geschmückt.
Mutter Erde lächelt, dann gleitet ihr Blick zum Beet ihres Sohnes, dem Winter.
Schmucklos und weiß war dieses und nur wenige Blumen streckten ihre Köpfe hervor.
Eine Gestalt kommt den Weg herauf.
Mutter Erde beschattet die Augen.
Ihr Sohn Winter kommt zurück.
Sie hat ihn bereits gestern schon erwartet, sein Bett ist bereit.
Sie dreht sich um und geht in die Küche.
Kurz darauf poltert der Winter herein und brüllt:
„Wo steckt er, der Nichtsnutz, der Bruder Leichtfuß, der Schelm!“
Mutter Erde sieht ihn streng an.
„Ich wünsche dir auch einen schönen Tag!“
Der Winter errötet.
„Guten Tag, Mutter.“
Müde setzt er sich auf den Stuhl und nimmt einen Schluck von dem Eistee, den ihm seine Mutter hingestellt hat.
Mutter Erde blickt überrascht auf das Zepter, das ihr Sohn neben sich auf den Tisch gelegt hat.
„Warum hast du das Zepter nicht an deinen Bruder weitergegeben?“ fragt sie erstaunt.
Der Winter sieht sie finster an. „Weil mein Herr Bruder nicht am vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht ist!“
Mutter Erde setzt sich.
„Aber er ist vor zwei Tagen aufgebrochen, um dich zu treffen.“
„Aber er ist nicht gekommen, wer weiß wo er sich herumtreibt, leichtfertig wie er ist.
Wahrscheinlich schäkert er mit den Töchtern der Sonne.“ Seine Mutter schlägt mit der Hand auf den Tisch, dass das Eis in dem Teeglas klirrt.
„Unsinn! Wenn er auch nicht so schwerfällig ist wie du und gerne Späße macht, so ist er doch pünktlich und gewissenhaft.
Er weiß genau was es für die Erde bedeutet, wenn sie aus dem Rhythmus kommt.“
Sie steht auf und nimmt ihm das Glas ab, aus dem er gerade trinken wollte.
„Geh zurück auf die Erde, ich werde mich darum kümmern.“
Mit einem Schnauben verlässt der Winter das Schloss, einen eisigen Schauer hinter sich lassend.
Besorgt sieht seine Mutter ihm nach, dann holt sie ihren Umhang und macht sich auf den Weg zur Frau Holle.
Durch wirbelnden Schnee folgt sie der Himmelstraße und betritt kurze Zeit später das Haus von Frau Holle.
Diese sitzt zusammen gesunken auf ihrem Sessel.
„Hallo Mutter Erde,“ murmelt sie müde.
„Hallo, Frau Holle, du siehst ja elend aus.“
„Ist es ein Wunder? Mein Rücken schmerzt, meine Arme kann ich kaum noch heben, vor lauter Betten ausschütteln und ich bin entsetzlich müde.“
Sie schließt einen Moment die Augen.
„Was ist nur mit deinen Kindern los? Ich weiß ja, dass der Winter und der Frühling sich nicht vertragen, aber müssen wir darunter leiden. Warum hat dein Sohn das Zepter noch nicht an seinen Bruder weitergegeben?“
Sie fährt sich stöhnend über den schmerzenden Rücken.
Mutter Erde hat inzwischen Tee gekocht und beobachtet zufrieden wie sich nach dem ersten Schluck ein seliges Lächeln über Frau Holles Gesicht ausbreitet.
Dann vertraut sie ihrer Freundin ihre Sorgen an.
Frau Holle nickt ernst.
„Das ist bedenklich, was kann geschehen sein? Der Frühling ist der fröhlichste und leichtfertigste deiner Söhne und das ist wohl auch der Grund, wieso er sich mit dem schwerfälligen Winter nicht verträgt. Aber er würde nie seine Pflichten vernachlässigen. Es muss ihm etwas zugestoßen sein.“
Sie reißt den Mund zu einem herzhaften Gähnen auf und schlägt sich erschrocken die Hand auf den Mund.
„Entschuldige, bitte! Aber ich bin sooo müde, doch bevor der Winter das Zepter nicht abgibt, darf ich nicht schlafen und so sehr meine Arme und mein Rücken schmerzen, muss ich auch die Betten ausschütteln, denn die Pflanzen unter der Erde müssen gut mit Schnee zugedeckt werden, damit sie vom Frost der Eishexe geschützt sind.“
Mutter Erde nickt ernst.
„Es muss etwas passiert sein, wenn ich nur wüsste was?“
Frau Holle zieht nachdenklich die Stirn kraus.
„Ob die Eishexe dahinter steckt?“
Mutter Erde winkt ab.
„Die Eishexe hat nicht die Macht, dem Frühling zu schaden.“
„Täusche dich nicht! Sie hat schon öfter geäußert sie möchte die Weltherrschaft an sich reißen und wenn sie sich mit ihren Schwestern verbündet, dann haben sie zusammen eine Menge Macht.“
„Die Eishexe, die Meerhexe, die Moorhexe und die Feuerhexe, die Macht der Vier,“ murmelt Mutter Erde.
Es sind trübe und sorgenvolle Gedanken die sie beherrschen, als sie Frau Holle verlässt.
Zuhause sieht sie nach ihrem Sohn, dem Sommer. Liebevoll streicht sie im über das Haar, das gelb wie der Weizen unter der Decke hervor schimmert.
Ein sonniges Lächeln erscheint auf seinem Gesicht.
Durch die Verbindungstür geht sie zu ihrem Sohn dem Herbst, dessen karottenroter Schopf wie Stacheln nach allen Seiten absteht.
Ein vergnügtes Grinsen liegt auf seinem Gesicht, als würde er selbst im Traum noch etwas aushecken.
Im Zimmer des Frühlings bleibt sie gedankenverloren stehen und sieht sich um.
Sie schüttelt das Bett auf, räumt die herum liegenden Kleidungsstücke auf und denkt daran, wie vergnügt er sich vor zwei Tagen verabschiedet hat.
 Was war nur geschehen, dass er nicht rechtzeitig zum Treffpunkt kam, um das Zepter aus den Händen seines Bruders entgegen zu nehmen.
Ruhelos wandert sie hin und her, dann hüllt sie sich in ihren braunen Pelz und verlässt das Haus.

Fortsetzung folgt

2 Kommentare:

  1. Monika aus Dresden23. Januar 2024 um 11:00

    Das ist ja eine spannende Geschichte und so passend zu unserem wechselhaften Winterwetter! Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht, was Dir so alles einfällt. Ganz liebe Grüße

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  2. Ach wie tut das gut, so eine schöne Geschichte von Dir zu lesen liebe Lore!

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