Dienstag, 10. Oktober 2023

Oma und Lena und ihre besonderen Geschichten Kastanie

 


 

  



                        

Als meine Tochter acht Jahre alt war, durfte sie sich ein Wort oder 

Tier ausdenken und ich machte daraus eine Geschichte.


Dasselbe Spiel spielen Oma und Lena.

Vor einigen Jahren schrieben wir schon einmal Reizwortgeschichten und aus einigen entwickelten sich Serien, weil ich mich in die Hauptdarsteller verliebt habe.

Ich denk auch Oma und Lena gehen in Serie.

 

Viel Spaß beim Lesen!

 

Oma und Lena und ihre besonderen Geschichten



Hui!, pfeift der Herbstwind und wirbelt den Staub auf.

Er taucht ein in den aufgehäuften Berg bunter Blätter, treibt sie vor 

sich her, bläst sie in die Luft und lässt sie wieder herunter fallen.

Dann jagt er weiter, um an Regenrinnen und Fensterläden zu

 klappern.

Eine alte Frau sitzt in ihrem Lehnstuhl, ihre geliebte Kuscheldecke 

über die Knie und lauscht versonnen dem rauen Gesang des Windes.

Leise öffnet sich die Tür und ein kleines Mädchen tritt herein.

Ihre Augen sind fest auf die Tasse gerichtete, damit ihr ja kein

Tropfen verloren geht.

Aufatmend stellt sie den Tee auf den kleinen Tisch neben dem 

Sessel.

Ich habe keinen Tropfen verschüttet!“, verkündet sie stolz.

Die alte Frau lächelt sie liebevoll an.

Oma, du musst den Tee trinken, solange er noch heiß ist.“

Eine junge Frau öffnet die Tür und steckt den Kopf herein:

Mama. Ich gehe einkaufen, brauchst du was?“

Nein Gisela, danke.“

Ich brauche auch nichts, Mama,“ trompetet Lena.

Ihre Mutter lacht und zieht sich zurück.

Lena aber lehnt sich an das Knie ihrer Oma und bettelt.

Erzählst du mir eine Geschichte?“

Frau Jomson lüftet die Decke und die Kleine macht es sich

gemütlich.

Liebevoll streicht die alte Frau über das seidenweiche Haar ihrer

 Enkelin.

Was möchtest du denn heute für eine Geschichte?“

Von einer Kastanie!“

Einer Kastanie?“

Ja, wir haben heute im Kindergarten Kastanien gesammelt und

 Morgen dürfen wir damit basteln.“

Ihre Oma schließt einen Moment die Augen, lächelt und beginnt:








Die kleine Kastanie


Vor einem kleinen Haus stand ein Kastanienbaum. Stolz reckte er seine Zweige, denn er war sehr eingebildet und hielt sich für was besseres.
Hochmütig erklärte er seinem Nachbarn dem Apfelbaum, dass einer seiner Vorfahren ein Canstano Santo gewesen wäre und dieser Baum in Andalusien als heilig gelte.
Der Apfelbaum konnte weder etwas vornehmes noch heiliges an seiner Nachbarin entdecken, aber er war viel zu gutmütig, um etwas zu sagen.
Die Kastanie aber hatte sich schon längst abgewandt und betrachtete voller stolz ihre vielen Früchte. In jedem der stacheligen behaarten Fruchtbecher wohnten drei ihrer Kinder. Braun, dick und wohlgestaltet hatten sie die grünen Becher schon ein wenig gesprengt.
Sie runzelte die Stirn und missmutig betrachtete sie einen der weiter unten hängenden Fruchtbecher.
Was war denn das, neben zwei herrlich prallen Früchten, saß ein mickriges kleines Ding.
Das war ja entsetzlich, schämen musste sie sich, was würden die Leute sagen.





Als würde sie den Missmut der Mutter spüren versuchte die kleine winzige Kastanie sich noch kleiner zu machen. Was konnte sie denn dafür, wenn ihre Brüder immer dicker wurden und ihr keinen Platz ließen.
Eine einsame kleine Träne kullerte über ihre Gestalt, doch niemand sah sie.

Es war Herbst und früh schon begann die Dämmerung ihre Schleier über das Land zu breiten.
In der Küche des kleinen Hauses saß die Familie beim Abendbrot.
Der Vater Klaus Ortner war Waldarbeiter und in der Försterei angestellt.

Margarete seine Frau half vormittags, wenn die Kinder in der Schule waren, in der Gutsküche aus. Nachmittags kümmerte sie sich um die kleine Landwirtschaft, die aus einigen Hühnern, einer Ziege und einem großen Obst und Gemüsegarten bestand.

Ihr Sohn Jochen ging bereits in die vierte Klasse und seine kleine Schwester Annegret in die zweite.

Nun saßen sie alle vier in der Küche und ließen sich die leckere Gemüsesuppe schmecken.
„Papa, die Kastanien müssten doch bald reif sein,“ fragend sah Jochen seinen Vater an.
Dieser nickte bedächtig und wischte mit einem Stück Brot den Rest der Suppe aus dem Teller.
Ich denke am Samstag ist es soweit.
„Juchhu,“ jubelte Annegret, „bekommen wir welche zum basteln?“
„Ja ihr dürft euch jeder vier Stück aussuchen. Den Rest brauche ich für die Wildschweinfütterung
„Och,“ maulte Jochen, „ damit kann man ja nix richtiges basteln.“
Der Vater grinste und zwinkerte ihm zu:
„Wenn du sie halbierst hast du acht Stück.“
Das Gesicht des Jungen hellte sich auf.
„Ich werde eine Raupe basteln!“
„Ich werde eine Puppe basteln!“ trompetete Annegret.
„Und ich,“ sagte die Mutter, die gerade die Teller zusammen stellte, “werde euch eine Schachtel Streichholz spendieren. Nun aber helft mir den Tisch abräumen, es gibt noch Pudding.“
„Pudding!“ jubelten die Kinder und für den Moment waren die Kastanien vergessen.

Zwei Tage später lagen alle Kastanien unter dem Baum auf der Wiese.
Es war Sonntag und nach dem Mittagessen holte der Vater den großen Korb aus dem Schuppen und zusammen mit Jochen sammelte er die Kastanien auf.
Annegret aber, mit einem kleinen Körbchen am Arm. umrundete den Baum und suchte die schönsten Kastanien für ihre Puppe. Drei lagen schon in ihrem Korb, es fehlte nur noch eine für den Kopf.
Da sah sie zwei ganz dicke braune Kugeln liegen und daneben eine ganz kleine.
Vorsichtig hob sie die kleine Kastanie auf.
„Oh was bist du hübsch, du wirst ein schöner Kopf für meine Puppe.“
Der kleinen Kastanie klopfte das Herz voller Glück. Hübsch hatte sie das Menschenkind genannt.
Annegret aber legte ihren Fund vorsichtig ins Körbchen.
Dann bückte sie sich und hob auch die ganz dicken Früchte auf. Diese wollte sie dem Papa bringen.
„Schau, Papa, hier habe ich zwei ganz dicke Kastanien gefunden, davon werden die Wildschweine bestimmt satt.“
Nachdem alle Kastanien geerntet, wird der Korb im Schuppen verstaut und sie gehen ins Haus.
Der Vater zündete seine Pfeife an und setzte sich mit der Zeitung in seinen gemütlichen Sessel. Im Sessel neben ihm ließ die Mutter ihre Stricknadeln klappern.
Die Kinder aber breiteten ihre Schätze auf dem Tisch aus.
Jochen zerteilte vorsichtig mit seinem Taschenmesser seine Kastanien, steckte sie zusammen und malte dann seiner Raupe noch ein lustiges Gesicht.
Dann half er seiner Schwester, die sich vergeblich bemühte ein Streichholz durch die Kastanie zu pressen.
Die Puppe bekam auch ein fröhliches Gesicht und nun stellten die Kinder ihre Kunstwerke ganz vorsichtig auf das Regal.




    


       


Die Nacht hatte ihre Schleier über das Land gebreitet und nur der pausbäckige Mond spendete etwas Licht.
Auf dem Regal stand die kleine Kastanie und sah sich glücklich in der vom Mond beschienenen Küche, um.
Nun durfte sie bei den freundlichen Menschen wohnen. Sie, die kleine Kastanie, die von ihrer Mutter verächtlich als hässlich und mickrig bezeichnet wurde.“







Eine Weile bleibt es still. Dann legt Lena beide Arme um den Hals
ihrer Oma und küsst sie auf die Wange.
„Das war eine schöne Geschichte.“
Liebevoll lächelnd streichelt die alte Frau ihrer Enkelin über
das Haar.
Sie öffnet die Kuscheldecke.
„Es duftet nach Kaffee, deine Mutter ist zurück.“
Hand in Hand gehen die Beiden in die Küche.


© Lore Platz






Dienstag, 26. September 2023

Oma, Lena und ihre besonderen Geschichten Ach du lieber Augustin


          



 

 

Vorsichtig öffnete sich die Tür und Lena spähte herein Als sie 

sah, dass Oma strickte, hüpfte sie ins Zimmer.

Ich dachte du schläfst noch.“

Denn nach dem Mittagsschlaf erzählte ihr Oma immer eine 

Geschichte.

Neugierig betrachtete das Mädchen das flauschige Gebilde. 

„Was wird das?“

Du weißt doch, dass Tante Christine bald ein Baby bekommt, 

das wird ein Jäckchen und eine Mütze.“

Oma Emma deutete auf die Wolle, die auf der Kommode lag, 

„ und daraus stricke ich eine Decke. Aber nun erzähle mal, 

wie war es denn heute im Kindergarten? Und welche 

Geschichte möchtest du heute hören?“

Lena grinste und begann zu singen „ Oh du lieber Augstin ...“ 

Die Oma stimmte mit ein und dann lachten beide.

Dieses Lied haben wir heute im Kindergarten gesungen und 

Toby hat dazu Grimassen geschnitten und ist herum gehüpft. 

Fräulein Erika schimpfte und sagte er soll nicht so  

übertreiben.

Toby erklärte, dass er im Zirkus einen dummen Augustin 

gesehen hat und der wäre die Sensation dort gewesen.“

Und du willst nun eine Geschichte vom Augustin?“

Aber nicht von einem dummen, sondern von einem lieben.“

Nachdem sich Lena ein Stück Konfekt aus der Dose 

genommen hatte, denn das gehörte auch zu ihrem täglichen 

Ritual, kuschelte sie sich auf Omas Schoß und lauschte der 

Geschichte.



Ach du lieber Augustin

 

"Oh du lieber Augustin, Augustin, Augustin", sang der kleine Wichtel Augustin. Das war sein Lieblingslied und er sang es, wo er ging und stand. Er war nicht zu überhören und alle Waldbewohner wussten stets, wo Augustin anzutreffen war.

Augustin war überhaupt ein liebenswertes Kerlchen, immer gut gelaunt, immer hilfsbereit und fröhlich.
Und da er eine schöne Stimmer hatte, hörten alle es gern. Naja, vielleicht nicht alle.
Eulalia, die Eule, die in der Nähe des Wichteldorfes in einer Baumhöhle hauste, brummte manchmal ärgerlich, wenn sie nicht einschlafen konnte, Aber das ist nun mal so, wenn man Nachtschicht hat.
Augustin hatte auch eine große Schwäche, er war zu neugierig und das sollte ihm einmal zum Verhängnis werden.

Eines Tages nämlich hatte er seltsame Geräusche in einer Baumhöhle wahrgenommen. Zuerst hatte er noch überlegt, ob er nicht einfach weitergehen sollte. Doch dann hatte zum einen die Neugier, aber auch die Hilfsbereitschaft gesiegt. Es hätte ja sein können, dass da jemand in Not war.

Das hätte er mal lieber nicht getan. Als er in die Höhle kroch sah ihm eine schreckliche Gestalt mit wütendem Gesicht entgegen und schnauzte ihn an.

"Was willst du hier!"

"Dasselbe könnte ich wohl auch fragen," empörte sich Augustin, der die Gestalt sofort als einen Kobold erkannt hatte. Kobolde waren die Erzfeinde von den Wichteln und durften deren Reich nicht betreten.

"Du, du Wicht! Geh mir aus den Augen, oder ...", brüllte der Kobold.

"Oder?", fragte Augustin mutig. Er sah gar nicht ein, dass dieser Kerl ihn vertreiben wollte. Das war sein Reich und der Kobold hatte nichts hier zu suchen, aber auch gar nichts.

Das wollte er ihm auch sagen. Doch da bemerkte er wie die Augen des Kobolds sich zu Schlitzen verengten, verspürte einen Schlag und es wurde ihm schwarz vor Augen.

Als er aufwachte, lag er in einer Höhle. Ene  Maus beugte sich neugierig über ihn, verschwand aber blitzschnell, als ein Schlüssel rasselte und ein grimmig aussehender Kobold herein kam. Wortlos warf er ihm einige essbare Pilze hin, ein Brot und einen Krug mit Wasser.

He, warum habt ihr mich eingesperrt, lasst mich sofort frei.“

Der Kobold antwortet nicht und hinter ihm fiel die Tür krachend zu.

Du bist hier, weil du den Kobold, der bei euch spionierte gesehen hast. Sie wollen nämlich die Wichtel überfallen und euer Gold stehlen. Kann ich etwas von den Pilzen haben? “

Wir müssen meine Freunde warnen.“

Du kannst hier nicht raus und für mich ist der Weg zu weit. Kann ich ein Stück von deinem Brot haben?“

Augustin nickte, denn er hatte keinen Hunger.

Traurig begann er zu singen:

Oh du lieber Augustin, wo soll ich nur hin, bin hier gefangen, warte voll bangen, Kobolde wollen überfallen, meine Freunde alle. Oh du lieber Augustin, Augustin.“

Immer wieder wiederholte er dieses Lied und es drang hinüber in den Wald und die Tiere lauschten, doch niemand wusste was es bedeuten sollte.

Die Wichtel hatten Augustin schon längst vermisst und suchten ihn überall. Auf einmal hörten sie ihn singen. Sie liefen in den Wald, der Stimme nach, konnten ihn nirgend entdecken.

Fips der Kleinste deutete auf einen Baum. „Die Stimme kommt von dort oben.“

Doch wie sollte der kleine Wichtel so weit auf den Baum geklettert sein.

Wurzel strich über seinen Bart und sah genauer sind. „Das ist nicht Augustin, das ist eine Amsel, Amseln können Stimmen nachahmen. Aber hört, was ist das für ein Text?“

Ganz still lauschten sie und sahen sich erschrocken an. „Die Kobolde haben ihn gefangen und wollen uns überfallen.“

Sie liefen los zum Koboldreich. Auf der Hälfte des Weges kam ihnen Augustin entgegen. Mit Hilfe der Maus hatte er sich unter der Tür hindurch gegraben.

Als die Kobolde nachts kamen wurden sie von den Wichteln schon erwartet.  

Sehr lange  mussten sich  die bösen Buben verstecken, denn die schwarze Farbe, mit der die Kanonen geladen waren, ging so schnell nicht ab.


© Lore Platz  26.09.23

 

 


Montag, 11. September 2023

Schönheitswahn und Liebe


Viele meiner Geschichten haben einen wahren Kern, die böse Erfahrung mit ihrem Freund passierte einem jungen Mädchen aus meinem Bekanntenkreis  vor Jahren.
Heute ist sie glücklich und wird so geliebt wie sie ist.
Übrigens hat und hatte sie schon immer  Größe 40.
Nun wünsche ich euch ein schönes Wochenende und viel Spaß beim Lesen!





Schönheitswahn und Liebe


Lustlos stochert Beate in ihrem Salat herum. Seit einigen Tagen machte sie eine Schlankheitskur.
Genau genommen seit dem Tag, als ihr Freund Robert sich beim Rasieren um gedreht, als sie gerade aus der Dusche kam, und sie von Kopf bis Fuß musterte und mit gerunzelter Stirn meinte:
Du hast schon wieder zugelegt! Außerdem um auf unser gestriges Gespräch zurückzukommen, von wegen deine biologische Uhr tickt und du willst ein Baby. Daraus wird nichts, denn einer meiner Gründe ist, dass du bei deiner Veranlagung nach der Geburt wie ein Walross aussehen wirst und ich habe keine Lust mich bei meinen Freunden mit dir zu blamieren.“
Als er das Bad verlassen hatte war sie weinend auf dem Boden zusammengebrochen. Wenig später hatte sie die Tür ins Schloss fallen hören. Er war einfach in die Arbeit gegangen, obwohl er sie gehört haben musste.
Sie hatte sich dann aufgerappelt und hatte sich in die Arbeit geschleppt. Doch den Tag hatte sie wie in Trance verbracht.
Nach der Arbeit war sie in den Supermarkt gegangen und hatte sich mit Salat, Karotten, Sellerie und Äpfel eingedeckt.
Nun aß sie seit Tagen nur noch Salat und trank dazu Wasser mit einigen Spritzer Zitronen.
Sie konnte das Grünzeug schon bald nicht mehr sehen und war auch ständig hungrig.




Auch ihr fröhliches Lachen war verschwunden. Sie reagierte gereizt und nervös. Ihre Kollegen hatten sie schon besorgt gefragt ob sie krank sei.
Und Robert, der machte zur Zeit sowieso Überstunden und war selten zu Hause und es fiel ihm gar nicht auf, dass sie sich seinetwegen so abquälte.
Es klingelte Sturm an der Tür.
Ricarda ihr Freundin umarmte sie fröhlich, „zieh dich schick an, wir gehen aus. Meine Göttergatte macht heute den Babysitter, damit ich wieder unter Leute komme.
Küche Herd,Windel und Babygeschrei, das zehrt an den Kräften.
Also hat mein Liebster beschlossen mir einmal in der Woche einen freien Abend zu verschaffen.“
Ricarda hatte vor einigen Monaten Zwillinge bekommen und trotzdem ihr schlanke Figur behalten, beneidenswert.
Nun fiel Ricarda erst auf, dass Beate auffallend still war und einen ziemlich zerzausten Eindruck machte.
Sie sah die Schüssel mit Grünzeug auf dem Tisch.
Machst du etwa eine Diät, warum?“
Weil ich fett bin!“
Spinnst du, du hast Größe 40!“
Beate schluchzte laut auf und erzählte ihr von Roberts verletzenden Worten.
Ricarda schlug wütend mit der Hand auf den Tisch.
Dieser arrogante Schnösel, ich konnte ihn noch nie leiden und habe nie verstanden, wie du es nun schon vier Jahre mit ihm aushalten kannst! Wo ist er überhaupt?“
Er macht Überstunden!“
Kühl dir deine Augen, zieh dich nett an, wir gehen aus. Ich lade dich zum Chinesen ein und anschließende tanzen wir uns die Kalorien im Pigadilli wieder herunter.




Das Tanzcafé war voll und zu flotter Musik drehten sich die Paare.
Ricarda schlängelte sich mit Beate im Schlepptau durch die Menge.
Diese knallte plötzlich an einen großen harten Körper.
Hoppala, nicht so stürmisch!“
Beate sah in zwei fröhlich braune Augen.
Ricarda drehte sich um und rief vergnügt: „ Felix, schön dich zu sehen!“
Der junge Mann grinste ließ aber dabei Beate nicht aus den Augen.
Willst du mich nicht deiner hübschen Freundin vorstellen?“
Das ist Felix ein Arbeitskollege von Ralf und das ist meine beste und liebste Freundin Beate.“
Felix sah Beate mit bewunderndem Blick an. „Freut mich...“
Felix wo bleibst du denn!“
Einige junge Männer winkten von einem Tisch in der Ecke.
Der junge Mann seufzte: „Mein kleiner Bruder hat heute Junggesellenabschied und ich als Trauzeuge muss aufpassen, dass es nicht zu sehr ausartet.“
Er beugte sich schnell nach vorn und drückte einen Kuss auf Beates Wange, dann verschwand er in der Menge.
Ricarda schmunzelte und dachte vergnügt, sie würde dafür sorgen, dass die beiden sich wieder über den Weg liefen, denn Felix war Solo und ein sehr lieber Mensch.
Siehst du andere Männer finden dich hübsch.“
Ach das hat er doch nur gesagt, weil er freundlich sein wollte.“
Du spinnst doch, Robert hat dir dein ganzes Selbstbewusstsein genommen. Ach wenn man vom Teufel spricht, von wegen Überstunden!“
 Robert hatte eben das Pigadilli betreten mit einer atemberaubend schönen Blondine und nun tanzten sie eng umschlungen auf der Tanzfläche.


Lass uns bloß gehen!“ flüsterte Beate voller Panik.





Draußen atmete sie erst einmal tief durch, dann begann sie zu lachen.
Ach Ricarda, ich war so entsetzlich dumm und wegen diesem Egoisten, der schon längst eine Andere hat, quäle ich mich so ab!“ 
Tränen liefen über ihr Gesicht.
Mitfühlend legte ihre Freundin den Arm um ihre Schultern.
Du kannst heute bei uns im Gästezimmer schlafen. Sieh mal eine Sternschnuppe, schnell wünsche dir was!“
Beate schloss die Augen und wünschte sich einen Mann, der sie so liebte wie sie war und ein Kind. 
Und seltsamerweise sah der Mann aus, wie Felix.




Beate summte leise die Melodie des Weihnachtsliedes, das im Radio erklang mit, während sie Plätzchen auf dem bunten Teller dekorierte.
Mit dem Gebäck in der Hand betrat sie das Wohnzimmer und blieb einen Moment stehen, um das schöne Bild in sich aufzunehmen.
Vor dem hell leuchtenden Weihnachtsbaum kniete ihr Mann Felix und ließ vor ihrem Sohn Bastian ein Holzpferdchen wiehernd über den Teppich springen.
Der Junge drehte sich um und rief strahlend:
Mama, Papa ässt ütteott üpfen!“
Felix sah seine Frau liebevoll an und zärtlich dachte Beate.
Wenn Basti im Bett ist, dann werde ich Felix sagen, dass wir nächsten Jahr Weihnachten zu viert feiern.“

© Lore Platz

Mittwoch, 16. August 2023

Ein Tag auf Sommering

 


Das schreiben ist nicht so einfach, wenn man ans Bett gefesselt ist und sich langsam den achtziger nähert. Aber ich wollte natürlich auch nicht, dass ihr ohne eine Geschichte bleibt. (2o23)

Zufällig fand ich eine uralte Geschichte, die ich 1972 geschrieben habe. Es handelt sich um eine wahre Geschichte
Die Erinnerungen einer alten Frau, der ich etwas von meiner Zeit schenkte, da sie sehr einsam war, habe ich zu einem Tag zusammen gefasst und ihr die Geschichte dann zum Geburtstag geschenkt .
Das ganze geschah Anfang der Dreißiger im vorigen Jahrhundert. Der Krieg hat dann später alles zerstört und die Familie musste fliehen.








Ein Tag auf Sommering

Mit einem strahlendem Lächeln begrüßt die Sonne den Tag.
Sie taucht die Welt in ihr goldenes Licht, streift die wogenden Ähren, beleuchtet die grünen saftigen Wiesen, spiegelt sich in dem klaren flink dahin eilendem Bach und leuchtet schließlich auch über Sommering, dem großen behäbigen Einödhof mitten in der herrlichen Landschaft Jugoslawiens.
Die Bewohner von Sommering sind schon munter und verrichten fröhlich ihre morgendlichen Pflichten.
Peter, der Älteste striegelt die Pferde, Johann holt frisches Heu von der Tenne und Adam der Jüngste der Brüder füttert die Schweine.
Andrasch der Knecht verlässt gerade mit einer Schubkarre voll Mist den Stall.
Fröhliche Worte fliegen zwischen den jungen Männern hin und her, doch als Vater Ulrich aus dem Haus tritt, sind sie still.
Denn der Bauer ist ein sehr strenger Mann.
Lena, die älteste Tochter hilft der Mutter in der Küche.
Nun habe ich euch alle Bewohner von Sommering vorgestellt, doch halt da fehlt doch noch jemand?
Richtig! Bibi, die Jüngste kuschelt noch in ihrem Bett und schläft.
Eigentlich heißt sie ja Christine, aber da sie sie Jüngste und somit das Küken der Familie ist, wird sie von allen nur Bibi gerufen.
Lena, die schon sechzehn und etwas eifersüchtig auf das Nesthäkchen ist, blickt immer wieder zur Schlafzimmertür.
Endlich hält sie es nicht mehr aus.
Die Bibi darf noch schlafen, das ist ungerecht. Sie könnte uns ruhig hier helfen,“ mault sie.
Die Mutter lächelt nachsichtig.
Lass sie doch, sie ist doch noch so klein.“
Pah, klein! Sie ist immerhin schon zehn!“
Bä, bääää!“ tönt es durch das offene Fenster und gleich darauf ist ein Kratzen an der Tür zu hören.
In Lenas Augen blitzt es auf.
Ha, nun weiß ich, wie ich die Langschläferin aus dem Bett bringe,“ lacht sie und öffnet die Tür, um Suki, Bibis Schäfchen, hereinzulassen.
Suki bleibt mit schief geneigtem Kopf mitten in der Küche stehen, hebt dann das Näschen, bäät noch einmal herausfordernd und trippelt dann zielstrebig zur Schlafzimmertür, die Lena einladend geöffnet hat.
Tripp, Trapp, Tripp Trapp, klappern die kleinen Hufe über den Steinboden und schon fährt eine raue Zunge über Bibis Gesicht.
Erschreckt zuckt Christine zusammen, blinzelt und mit einem empörten „Suki, lass mich bloß in Ruhe!“ dreht sie sich zur Wand und zieht die Decke über den Kopf.
Doch sie hat nicht mit Sukis Beharrlichkeit gerechnet.
Energisch stößt das kleine Köpfchen gegen den Rücken des Mädchens und als das nicht hilft springt das Schäfchen einfach auf das Bett.
Bibis brauner Wuschelkopf kommt unter der Decke hervor und lachend umarmt sie das Schaf, das sich zufrieden an ihre Schulter kuschelt.
Fröhliches Lachen schallt von der Tür her, denn dort stehen die Mutter und Lena.
Na, Bibi hat Suki es endlich geschafft dich wach zu bekommen?“ schmunzelt die Mutter.
Das Mädchen blinzelt ihr vergnügt zu und springt aus dem Bett.
Zusammen mit Suki, die keinen Schritt von ihrer Seite weicht, eilt sie ins Bad und steht kurze Zeit später frisch gewaschen und gekämmt im Flur, greift sich im vorbei gehen den Eierkorb und läuft leichtfüßig über den Hof.
Die Hennen flattern aufgeregt gackernd von den Nestern als Bibi und natürlich auch Suki sich durch die schmale Tür zwängen.
Das Schaf betrachtet misstrauisch das Federvieh. Warum müssen diese dummen Hühner nur so viel Lärm machen und diese Federn, die durch die Luft fliegen. Hatschi!
Suki tritt vorsichtig zurück, doch als ihr eins dieser unmöglichen Biester auf den Rücken fliegt und ihr mit den Flügeln eine kräftige Ohrfeige versetzt, da ist es mit ihrer Geduld zu Ende.
Sie dreht sich im Kreis, um das Federvieh auf ihrem Rücken los zu werden und landet mitten in den Eiern.
Bibi blickt entsetzt auf den goldgelben Saft, der sich über das Stroh ergießt und schiebt das Schaf energisch aus dem Hühnerstall.
Flink sammelt sie die restlichen Eier ein und verlässt den Hühnerverschlag. Sauber machen will sie später.
In der einen Hand den Korb balancierend und mit der anderen Hand das Schaf abwehren, eilt sie ins Haus.
In der Küche hat sich inzwischen die Familie zum Frühstück versammelt.
Als Bibi mit Suki in die Küche stürmt, runzelt der Vater streng die Stirn.
Bring das Schaf sofort hinaus!“ ordnet er an und schweigend stellt Bibi den Eierkorb auf die Holzbank und zieht Suki am Halsband hinaus.
Sie weiß, dass der Vater das Schaf nicht leiden kann, weil es immer etwas anstellt und schuldbewusst denkt sie an die kaputten Eier.
Und auch der entsetzliche Wintermorgen fällt ihr ein, als Suki den Truthahnküken die in einem Korb am warmen Ofen lagen, einfach die Köpfe und Glieder abgebissen hat.
War das eine Aufregung! Damals wollte der Vater Suki verkaufen, aber glücklicherweise konnte die Mutter ihn besänftigen.
Bibi wird ganz bange bei dem Gedanken und sie zerrt das Schaf in den Stall und verschließt fest die Tür.
Krampfhaft versucht sie das klägliche 'Bäääää' zu überhören.
Und nach dem Frühstück hat sie nichts eiligeres zu tun, als Suki aus ihrem Gefängnis zu befreien.
Übermütig springt das Schäfchen um seine kleine Freundin
herum und versucht immer wieder die leuchtend roten Zopfschleifen zu erwischen.
Die beiden gebärden sich, als hätten sie sich monatelang
nicht mehr gesehen.
Peter, der lässig die Hände in den Hosentaschen, über den Hof schlendert, grinst von einem Ohr zum andern.
Na, Kleines fährst du mit zur Mühle?“
Ja, aber nur, wenn Suki mit darf,“ meint Bibi trotzig.
Peter lacht und zupft sie am Ohrläppchen.
Na, dann kommt ihr Zwei,“ brummt er gutmütig.
Andrasch schirrt gerade die beiden temperamentvollen Rappen Lendsch und Gendsch ein.
Ah die beiden Unzertrennlichen fahren also auch mit,“ feixt er.
Bibi streckt ihm die Zunge raus, was der Knecht mit einem fröhlichem Gelächter beantwortet.
Peter lässt die Peitsche durch die Luft sausen und die Pferde traben los.
Es ist ein wunderschöner Morgen und das Mädchen genießt die Fahrt durch ihre schöne Heimat.
Sie sitzt auf den leeren Mehlsäcken, die Arme um Sukis Hals geschlungen und träumt.
Vorbei geht das lustige Traben der Pferde an dem kleinen Bach, an dessen Ufer die Kühe in der Sonne liegen.
Große mächtige Weiden säumen den Weg und Bibi blinzelt gegen die Sonne und versucht die Nester der Raben zu erspähen.
Eine Lerche flattert aus dem Gebüsch und das Mädchen kneift die Augen zusammen und beobachtet wie der braun gefiederte Vogel jubilierend dem Himmel zu fliegt.
Der Wagen biegt jetzt in den Hof des Müllers ein und Peter springt vom Kutschbock und begrüßt diesen mit einem Handschlag.
Bald sind die Säcke mit Mehl aufgeladen und es geht zurück.
Als sie in den Hof von Sommering einbiegen, führen Adam und Johann gerade den Vollbluthengst Gidran aus dem Stall.
Nervös tänzelt das kräftige Tier zwischen den beiden jungen Männern.
Bibi!“ ruft Adam und winkt dem Mädchen zu.
Gidran braucht Bewegung, hast du Lust?“
Und ob!“ Leichtfüßig springt Bibi vom Wagen und schon sitzt sie im Sattel.
Mit sicherer Hand lenkt sie ihr Lieblingspferd und lässt ihn eine Ehrenrunde im Hof drehen.
Dann aber steht sie plötzlich im Sattel und treibt das Pferde zum Galopp
Gidran setzt über das Gatter und galoppiert den kleinen Waldweg hinunter.
Bald ist Bibi den Blicken ihrer Brüder entschwunden und sie hört auch nicht mehr Sukis verzweifeltes Blöken, die dem halsbrecherischen Tempo nicht folgen kann.
Doch zum ersten Mal vergisst das Mädchen das kleine Schaf.
Dies ist eine ganz andere Bibi.
Wild und unbezähmbar steht sie auf dem Pferderücken.
Die Zöpfe haben sich aufgelöst und der Rock schleudert um ihre Knie.
Bibi fühlt sich frei und glücklich.
Sie reitet bis zur alten Felsengrotte, schlägt einen Bogen und galoppiert in demselben Tempo zurück, begeistert von ihren Brüdern empfangen.
Glücklich und mit hochrotem Gesicht springt sie aus dem Sattel.
Bibi, Bibi!“ tönt die Stimme der Mutter aus der Küche.
Schnell fährt das Mädchen mit den Händen über den Rock und eilt ins Haus.
Vorwurfsvoll sehen die guten Augen der Mutter auf das zerzauste Mädchen.
Du weißt doch, ich will nicht, dass du so wild wie ein Junge reitest,“ tadelt die Mutter sanft.
Bibi nickt etwas schuldbewusst.
Ja, Mutter, aber es war doch so wunderschön!“
Die Mutter lacht und streicht ihr schnell über den Kopf.
Nun lauf und deck schnell den Tisch!“
Bibi nimmt die blaue Tischdecke aus der Schublade und Teller und Besteck aus dem Schrank und eilt hinaus in den Garten.
Es ist inzwischen heiß geworden, aber unter der dicken alten Linde, die ihre weit ausladenden Zweige über den grob gezimmerten Tisch breitet, ist es angenehm kühl.
Flink wirft Bibi die Decke über den Tisch, verteilt Teller und Löffel und schon kommt Lena mit der dampfenden Suppenschüssel.
Kichernd laufen die Mädchen zurück ins Haus und vergessen ganz Suki, die mit neugierig glänzenden Augen das eifrige Schaffen der Mädchen verfolgt hat.
Nun trippelt das Schäfchen näher, hebt schnuppernd das Näschen und klettert mühsam mit den Vorderbeinen auf
die Holzbank.
Ein Sprung und es steht mit den Vorderbeinen auf der Tischkante. Noch ein Sprung und Suki thront mitten auf dem Tisch.
Scheppernd fällt das Geschirr auf den Rasen.
Suki macht einen erschrockenen Satz und landet mit der rechten Vorderpfote in der heißen Suppenschüssel.
Ihr klägliches Schreien lockt die ganze Familie aus dem Haus.
Lena und Bibi befreien das Schaf und Adam verarztet es.
Der Vater hat dies alles mit strenger Miene beobachtet und als die Mutter ihm sacht die Hand auf den Arm legt, dreht er sich um und geht stumm ins Haus.
Die Mutter dirigiert nun die Kinder und bald ist alles wieder in Ordnung.
Adam aber bringt das verletzte Schaf in die Scheune. Bibi kniet sich neben Suki und schlingt die Arme um den wolligen Hals.
Kommst du mit zum Essen?“ fragt ihr Bruder.
Das Mädchen schüttelt den Kopf und Adam verlässt schulterzuckend die Scheune.
Als Peter später nach Bibi schaut, findet er sie tief schlafend, die Arme fest um Sukis Hals geschlungen.
Lächelnd schließt er die Tür.
Es ist später Nachmittag als das Mädchen erwacht.
Erschrocken springt es auf und auch Suki rappelt sich hoch.
Oh Suki!“ ruft Bibi, „ der Vater wird schimpfen, bleib du hier, ich muss ja noch die Kühe melken!“
Sie läuft über den Hof und trifft auf den Knecht, der gerade polternd die Milchkannen auf den Leiterwagen lädt.
Na auch schon wach?“ spottet er gutmütig und Bibi wird puterrot.
Schnell läuft sie an ihm vorbei ins Haus, schlüpft in die groben Holzpantoffeln, bindet sich das Kopftuch um, nimmt die beiden Melkschemel und Milchsiebe und kommt etwas atemlos auf den Hof.
Andrasch wartet bereits auf dem Kutschbock und Bibi wirft die Sachen auf den Wagen und klettert neben ihn.
Ein kurzes Wippen mit der Peitsche und ab geht die Fahrt hinunter zum Bach.
Gemeinsam verladen sie die Milchkannen in das bereit stehende Boot.
Bibi lässt die Pantoffeln am Ufer und watet in den seichten Schlamm und während Andrasch das Boot ins Wasser schiebt, springt sie hinein.
Lachend hilft sie dann dem Knecht in das schaukelnde Boot.
Dieser greift sich die Ruder und bringt sie mit kräftigen Schlägen ans andere Ufer, während Bibi vorne am Bug sitzt und spielerisch die Hände durchs Wasser gleiten lässt.
Andrasch stimmt ein fröhliches Lied an und Bibi fällt mit heller Stimme ein.






Die Kühe heben staunend die Köpfe.
Als das Boot ans Ufer stößt und Andrasch es fest gemacht hat, nehmen sie die Melkschemel und Milcheimer und klettern den Hang hinauf.
Der Abend dämmert schon herauf und graue Nebelschleier breiten sich über das Land, als sie mit den Kühen fertig sind.
Als die letzte volle Milchkanne auf dem Boot verladen ist und sie zurück rudern ans andere Ufer werden sie begleitet von dem dankbaren Muhen der Kühe, die befreit von der Milch sich viel wohler fühlen.
So sind die Tage auf Sommering ausgefüllt mit Arbeit, kleinen Erlebnissen und Freuden.
Als Bibi dann um neun Uhr abends ins Bett kriecht, denkt sie noch kurz vor dem Einschlafen, wie glücklich sie doch ist.
Glücklich auf Sommering!


© Lore Platz