Dienstag, 14. Mai 2019

Geschichten aus dem Zauberwald


 
(c) Irmgard Brüggemann

Einige Tage später.

"Hallo Mama," Peter schmeißt die Schultasche in die Ecke.
"Vanessa schon da?"
"Nein, Peter und bring bitte deine Schultasche in dein Zimmer."
"Ja,ja, nachher. Was gibt es denn zu Essen?"
Der Junge kommt in die Küche.
Die Mutter seufzt leise. Ihr Sohn würde wohl nie ordentlich werden.
"Habt ihr viel Hausaufgaben auf?"
"Geht schon," murmelt Peter und nimmt sich eine der gepellten Kartoffeln.
"Peter, die brauche ich für den Salat."
"Es sind ja noch genügend da, ich gehe jetzt auf mein Zimmer."
"Nimm aber bitte deinen Schulranzen mit."
Peter schleppt den Tornister in sein Zimmer und dort landet er wieder auf dem Boden, denn nun hat er sein Flugzeug entdeckt und dreht brummend eine Runde.
"Feines Flugzeug hast du:"
Der Junge bleibt stehen und sieht sich suchend um.
Am Fenster sitzt Gaukel.
Prächtig sieht er aus. 
Ein schwarzer Zylinder thront verwegen auf seinem Kopf, dazu trägt er einen Smoking  in derselben Farbe, eine weiße Hose und schwarze Lackschuhe.
Abgerundet wird das ganze mit einem schwarzen Stöckchen mit silbernen Knauf.
"Mann, bist du heute heraus geputzt," staunt Peter.
Gaukel lächelt geschmeichelt und wirbelt das Stöckchen elegant mit der rechten Hand.
"Noblesse oblige, Adel verpflichtet," grinst er .
"Wo ist deine Schwester?"
"In der Schule, sie muss aber bald kommen."
"Nun solange kann ich nicht warten. Ich habe für euch beide eine Einladung für die Hochzeit von Mirzel und Melisande.
Er nimmt aus seiner Hosentasche einen zierlichen  hübsch verzierten Brief und reicht ihn Peter.
Vergnügt lässt er sein Stöckchen durch die Luft wirbeln, zieht den Zylinder und verschwindet durch das Fenster.
Peter sieht ihm etwas verdutzt nach, der hätte noch so viele Fragen, da ruft die Mutter.
Achtlos stopft er die Einladung in die Hosentasche und rennt hinunter in die Küche.
Drei Tage später beginnen die Ferien.
Verena fährt die Kinder zu den Großeltern.
Opa Braun ist Förster und wohnt mit seiner Frau in der Nähe des Zauberwaldes.
Verena fährt noch am selben Tag zurück, da Michael keinen Urlaub hat. Sie wollen einige Tage später noch nachkommen.
Peter und Vanessa werden von den Großeltern so verwöhnt, dass sie kein Heimweh bekommen.
Nur abends vor dem Einschlafen vermissen sie die Mama.

Es regnet.
Gleichmäßig plätschern die schweren Tropfen auf die Erde und lassen das kleine Bächlein, das eifrig seinen Weg durch den Zauberwald sucht, anschwellen.
Purzel, der Zwergenminister läuft eilig um sein Häuschen herum.
Irgendwo regnet es herein, seine Frau Purzelina kommt mit dem Aufwischen gar nicht mehr mit.
Plötzlich hört er ein Knacken im Unterholz, als würden schnelle Füße durch den Wald laufen.
Eilig verschwindet der Zwerg in seiner Wohnung.
Schnell klettert er auf einen Stuhl und späht durch die Ritze.
Er sieht zwei Kinder, Hand in Hand, durch den Regen laufen.

 
(c) Irmgard Brüggemann



Was ist denn Peter?“ Vanessa bleibt nun auch stehen.
Sieh mal, was ich hier habe.“
Peter hebt den strampelnden Purzel hoch.
Das ist ja ein Zwerg!“ jubelt das Mädchen.
Purzel zappelt verzweifelt.
Lass mich sofort runter, du dummer Junge!“
Peter setzt das kleine Männchen vorsichtig auf den Boden.
Es reicht ihm kaum bis an die Knie.
Die Kinder gehen in die Hocke.
Wie heißt du denn?“
Purzel verzieht wehleidig das Gesicht und reibt sich den Arm.
Purzel heiß ich und du hättest mich bald zerquetscht.“
Na hör mal! Du zwickst mich ins Ohr und beklagst dich, wenn ich vor Schreck etwas hart zupacke!“ empört sich Peter.
Vanessa kichert.
Purzel wirft ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
Ich habe euch gerufen, aber ihr habt mich nicht gehört und irgendwie musste ich mich doch bemerkbar machen. Ich brauche eure Hilfe.“
Es regnet immer noch und die Kinder sind leicht ungeduldig, trotzdem laufen sie mit dem Zwerg zu seinem Haus.
So hier sind wir.“ Purzel atmet schwer, denn schließlich ist er nicht mehr der Jüngste.
Die Kinder sehen sich verwundert um. Sie können nichts entdecken.
Der Zwerg grinst und drückt auf einen Knopf im Baum.
Dieser öffnet sich und ein kleines Häuschen wird sichtbar.
Ist das putzig!“ Vanessa klatscht vor Freude in die Hände.
Purzel nickt sorgenvoll.
Ich bin auch sehr stolz auf mein hübsches Häuschen, aber irgendwo dort oben im Baum muss eine undichte Stelle sein, es regnet ständig herein. 
Peter würdest du bitte einmal nachsehen, ich bin zu klein , um hinauf zu klettern und die Tiere, die mir bestimmt geholfen hätten, haben sich bei diesem Wetter alle verkrochen.“
Aber sicher!“ Peter hat schon den untersten Ast ergriffen, um sich auf den Baum zu schwingen.
Bald hat er die undichte Stelle entdeckt und flickt sie notdürftig mit einigen Zweigen und Blättern.
Der Junge springt auf die Erde.
Wenn morgen das Wetter besser ist kommen wir wieder und werde es mir noch einmal ansehen.“
Der Zwerg will sich gerade bedanken, als die Tür des Häuschens sich öffnet und Purzelina herausschaut.
Purzel, es regnet nicht mehr.“
Doch Purzelina, es gießt noch immer, nur hat Peter die Stelle geflickt.“
Nun müssen wir aber nach Hause, sonst macht Oma sich Sorgen.“ drängt Vanessa.
Begleitet von den dankbaren Wünschen des Zwergenpaares laufen die Kinder durch den Wald.
Oma Braun späht schon besorgt aus dem Fenster und öffnet die Tür, als die Kinder atemlos den Garten betreten.

Morgen geht es weiter