Dienstag, 12. November 2019

Das geheimnisvolle Licht







Das geheimnisvolle Licht


Sofia saß mit ihren Eltern in der Küche beim Abendbrot.
Draußen heulte und tobte der Sturm um das Haus.
Wütend rüttelte er an den Fensterscheiben, als wollte er Einlass begehren.
Das Licht über dem Küchentisch flackerte und Frau Bergmeister stand auf und murmelte.
Ich werde mal ein paar Kerzen suchen.“
Und ich sehe mal nach dem Not- Strom - Aggregat und du Sofie sieh mal nach, ob auf dem Dachboden die Fenster richtig verschlossen sind.“
Mit diesen Worten verschwand Herr Bergmeister im Keller.
Das Mädchen lief die Treppen nach oben und betrat den Speicher.
Hier oben hörte man das Toben des Sturms noch heftiger.
Sie überprüfte den Riegel an der kleinen Luke und drückte noch mal extra fest dagegen.
Drüben auf der anderen Seite des Bachs sah sie plötzlich ein Licht aufflackern.
Sofia drückte ihre Nase gegen die Scheibe und zwickte die Augen zu.
Da war es wieder!
Im Haus der alten Greta geisterte ein Lichtschein durch die Zimmer und dabei stand das Haus seit zwei Wochen schon leer.
Die alte Frau war gestürzt und lag mit einem komplizierten Bruch im Krankenhaus.



Schon wieder leuchtete es hell auf, als würde ein Irrlicht durch das Haus wandern.
Sofia bekam plötzlich Gänsehaut und verließ schnell den Dachboden.
Der Vater kam gerade von draußen und brachte einen Schwall kalte Luft und wirbelnde Blätter mit herein.
Ich habe noch einmal nach dem Vieh gesehen, alles in Ordnung.“
Als sie in die Küche traten, legte die Mutter gerade den Telefonhörer auf.
Schmunzelnd wandte sie sich ihrer Tochter zu.
Das war Frau Heidenreich, deine Lehrerin. Der Sturm hat das halbe Dach der Schule abgedeckt und für den Rest der Woche ist schulfrei.“
Sofia jubelte und meinte grinsend: „Was sagte Oma immer; es ist nichts so schlimm, als, dass nicht auch was Gutes dabei wäre.“
Später, als das Mädchen im Bett lag und dem Heulen des Sturmes lauschte, fiel ihr das Licht wieder ein.
Gleich Morgen früh, würde sie es ihrem Vater berichten.
Nach einem unruhigen Schlaf voller gespenstischer Irrlichter krabbelte Sofia aus dem Bett.
Während des Frühstücks berichtete sie den Eltern dann von dem Lichtschein im Haus der alten Greta.
Das war bestimmt ein Landstreicher, der Schutz vor dem Sturm gesucht hat. Zu Stehlen gibt es ja nichts bei der armen Alten. Aber ich werde später mal nachsehen,“ versprach der Vater.
Gemeinsam beseitigten sie dann die Schäden, die der Sturm in Hof und Garten angerichtet hatte, dann machte sich der Vater auf den Weg, zu Gretas Haus.
Sofia half ihrer Mutter bei den Vorbereitungen für das Mittagessen.
Da ging die Tür auf und Markus Bergmeister kam herein in Begleitung eines Riesen mit wilden Bart.
Ihr Vater aber grinste. „Wen glaubt ihr wohl habe ich hier mitgebracht?“
Rübezahl!“ entfuhr es Sofia.
Der Hüne lachte dröhnend und die Mutter die ihn mit gerunzelter Stirn betrachtet hatte, rief: „Björn!“
Dieser reichte ihr die Hand.
Ich hoffe, ich bin hier willkommen.“
Aber sicher, setz dich, das Essen ist gleich fertig.“
Das Haus drüben war schon ziemlich baufällig und der Sturm hat ihm den Rest gegeben, deshalb habe ich Björn angeboten, solange bei uns zu wohnen. Oben das Zimmer von Oma ist doch frei.“
Es ist dir doch Recht, Marietta?“
Fragend sah der Gast sein Gegenüber an und meinte dann zögernd.“Es sei denn, du willst mit einem Gauner wie ich es bin nicht unter einem Dach leben.“
Sofias Mutter winkte ab.
Unsinn, du bist und warst immer ein feiner Kerl und deine Jugendeselei hast du doch schon längst wieder gut gemacht.“
Nun wusste Sofia wer der Fremde war.
Der Sohn der alten Greta, der vor zehn Jahren bei Nacht und Nebel verschwunden war und die Kasse seines Lehrherrn mitgenommen hatte.
Der alte Mann hatte ihn nicht angezeigt, sondern immer wieder betont, dass der Junge das Geld nur geliehen hat, um die Welt kennenzulernen und er es bestimmt wieder zurückzahlen wird.
Als dann nach einigen Jahren ein Scheck mit der Summe nebst Zinsen eintraf, dann hat er ihn stolz im Dorf herum gezeigt.
Dies erzählte nun ihre Mutter dem Mann.
Diesem stiegen die Tränen in die Augen.
Der gute alte Schorsch, wie geht es ihm denn?“
Er musste seine Schreinerei schließen, nachdem seine
Augen immer schlechter wurden,aber zum Glück hat er
noch Bärbel und die sorgt für ihn und kümmert sich auch um deine Mutter.“
Sie ist wohl inzwischen längst verheiratet?“ murmelte Björn und spielte mit seiner Gabel.
Marietta schmunzelte: „ Nein, obwohl es ihr an Verehrern bestimmt nicht gefehlt hat, aber wie ihr Vater glaubt sie daran, dass du wieder kommst, wenn du genug von der Welt dort draußen hast.“
Der Hüne reckte seine kräftige Gestalt und seine Augen strahlten.
Sie haben sich nicht in mir getäuscht. 
Ich war jung und hier im Tal war mir alles zu eng und ich träumte von der Welt dort draußen.
Ich habe fast die ganze Welt bereist und viel erlebt, Gutes und Schlechtes, aber meinen Frieden habe ich nicht gefunden. 
Mich plagte das schlechte Gewissen und auch das Heimweh nagte an mir. Erst wenn man etwas verloren hat, weiß mein seinen Wert zu schätzen.
Ich habe etwas Geld gespart, vielleicht kann ich ja die Schreinerei übernehmen, und auch das Haus von Mutter möchte ich wieder herrichten. Und, und...“ jetzt geriet er ins Stottern, „ vielleicht willigt Bärbel ja ein und wird meine Frau.“
Markus schlug ihm auf die Schulter und lachte.
Da hast du dir ja viel vorgenommen, aber willst du denn wirklich hier bleiben?“
Ja, ich weiß jetzt wo ich hingehöre, wenn es auch lange dauerte bis ich das begriffen habe. Denkst du, dass die Dörfler mir wieder vertrauen werden?“
Das werden wir gleich feststellen, begleite mich ins Dorf, wir wollen beim Aufräumen helfen. 
Du kennst ja unsere Leute, anfangs werden sie etwas misstrauisch dir gegenüber sein, aber dann wird die Neugier siegen. Hoffentlich hast du ein paar tolle Geschichten für sie.“
Björn lachte dröhnend: „ Die habe ich!“
Und morgen früh begleitest du die Bärbel und mich ins Krankenhaus zu deiner Mutter,“ bestimmte Marietta, „ aber vorher gehst du zum Frisör, sonst kriegt Greta noch einen Schreck.“
Alle lachten und Björn am lautesten.
Wie Markus voraus gesagt hatte, benahmen sich die Dörfler zuerst sehr reserviert Björn gegenüber, doch als er ohne viele Worte einfach zupackte, wie einer von ihnen, da tauten sie langsam auf.
Und als er dann Bier und Brotzeit für alle spendierte und sie mit lustigen Anekdoten unterhielt, da war das Eis gebrochen.
Später hatte der Heimkehrer noch eine lange Unterredung mit seinem ehemaligen Lehrherrn und dessen Tochter, bei der viele Tränen flossen.

 Wer einige Jahre später in das Dorf kam, der konnte ein schönes großes Haus besichtigen, dass neben einer großen Schreinerei stand.
Auf der Bank vor dem Haus saßen eine alte Frau und ein alter Mann und genossen die Wärme der Sonne.
Glücklich sahen sie ihren Enkeln zu, die im Garten herumtollten.
In der Werkstatt hobelte ein Hüne und lachte mit seinem Gesellen und dem Lehrbuben.
Und durch das offene Küchenfenster konnte man eine hübsche junge Frau sehen, die in ihrer Arbeit immer wieder innehielt, um dem Lachen des Mannes zu lauschen, auf den sie so lange Jahre treu gewartet hatte.

© Lore Platz  12.11.2019


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