Sonntag, 9. August 2020

Eine verlorene Geschichte

Ich bin gerade am Sortieren meiner mehr als dreihundert Geschichten. (2017)

Und als ich die Geschichten von dem kleinen roten Auto in einem Ordner zusammen fassen wollte fand ich die Geschichte von Herrn Oskar und der Elfenprinzessin  nicht mehr.
Weder in meinen Unterlagen noch in meinem Blog, dabei wusste ich doch genau: Ich hatte sie geschrieben.
Auf gut Glück gab ich den Titel im Internet ein und ... ich fand sie!
Ich hatte diese Geschichte auf seniorbook geschrieben. 
Hurra, das Internet verliert nichts!
Nun konnte ich sie abspeichern, meinen Unterlagen beifügen und  euch  vorstellen.




Das kleine Auto und die Elfenprinzessin

 
Onkel Oskar, Onkel Oskar, sieh nur wie hübsch ich bin!“ 
Bellinda, das einzige Mädchen der Drillinge klettert über die Rücklehne und stellt sich auf dem Beifahrersitz auf die Hinterbeine. Die Pfötchen über dem Kopf dreht sie sich wie ein kleine Ballerina, dass der weite Rock des hübschen roten Kleidchen um ihre Beine schwingt. Eine rote Schleife schmückt das rechte Ohr.
Oskar lächelt liebevoll, das kleine Mäusemädchen war sein ganz besonderer Liebling. Und so meint er freundlich: „ Du siehst wirklich bezaubernd aus, wie ein kleines Fräulein.“ 
Bellinda hält in ihrem Tanz inne und strahlt. 
„Nicht wahr, mein Kleid ist ja soooo schön! Mama hat es extra von Madame Spinne anfertigen lassen. Weißt du meine Kusine Mira heiratet doch heute und ich darf Blumen streuen.“
 
 
 
Halt die Klappe, Bel, das erzählst du Onkel Oskar schon seit einer Woche,“ brummt ihr Bruder Oskar und kommt auch nach vorn. 
Schick schaut er aus in dem hübschen kleinen Frack. Frau Kathrin klettert über die Lehne, eine große Tasche in der einen Hand und einen Koffer in der anderen Hand. Sie sieht etwas genervt aus und setzt sich prustend nieder.
Herr Max kommt durch das Fenster. 
„Die Schneckenpost wartet.“ 
Frau Kathrin drückt ihm das Gepäck in die Hand und Herr Max schlüpft hinaus, um es auf der Kutsche zu verstauen. 
Bellinda trippelt aufgeregt von einem Bein auf das andere. „Stell dir vor wir dürfen mit der Kutsche fahren, ist das aufregend.“
Frau Kathrin sieht sich um. „Wo ist Bruno?“ 
„Der Herr Professor wird wieder seine Nase in ein Buch gesteckt haben,“ grinst Oskar. 
Frau Kathrin wirft ihm einen strafenden Blick zu. „Du sollst dich nicht immer über deinen Bruder lustig machen, ich wäre froh, wenn deine Zensuren besser wären. Nun geh und hole ihn.“ 
„Bruuunnnooo!“ brüllte Oskar und seine Mutter zuckt zusammen. 
Gleich darauf erscheint der Mäusejunge.
Auch er trägt einen kleinen Frack und sieht seinem Bruder sehr ähnlich, nur  dass auf seiner Nase eine kleine Brille sitzt. 
„Nun können wir ja gehen, auf Wiedersehen Herr Oskar, wir werden einige Tage bei unseren Verwandten bleiben.“ 
"Auf Wiedersehen Onkel Oskar!“ rufen die Kinder.“
Still ist es jetzt im Auto und Herr Oskar ist ein wenig traurig, aber dann tröstet er sich, dass seine Untermieter ja bald wieder zurückkommen.
Außerdem ist er ja nicht allein, immer wieder kommt eines der Waldtiere vorbei und bleibt auf einen kleinen Plausch stehen.
Dann geht der Tag zu Ende und die Sonne geht schlafen und der Mond nimmt ihren Platz ein. 
Die Vögel kuscheln sich in ihre Nester und die Tiere verschwinden in ihrem Bau. Stille liegt über dem Wald. Auch Herr Oskar schließt die Augen und ist bald eingeschlafen.
Etwas weckt ihn auf. Es ist dunkel draußen und nur das fahle Licht des Mondes beleuchtet ein wenig den Wald. Alles ist ruhig und Herr Oskar dachte schon, er hätte sich getäuscht und schließt wieder die Augen. Doch dann hört er ein leises Weinen.
„Hallo, wer weint denn da?“ Sofort verstummt das Weinen, man hört nur noch ein leisen Schniefen. 
„ Habt keine Angst, ich tue euch nichts, zeigt euch doch.“ 
Er spürt eine leichte Bewegung und durch den Mond der durch die Scheibe scheint, sieht er nun ein kleines zartes Wesen, das auf der Ablage sitzt. So etwas zartes und süßes hatte Herr Oskar noch nie gesehen.
 
 
„Wer bist denn du?“ 
„Ich bin Sonilinde, die Tochter der Elfenkönigin Sonnenblume und ich wurde von dem bösen Kobold Alberich gejagt. Beinahe hat er mich erwischt, aber ich konnte mich losreißen, dabei sind meine Flügel verletzt worden und ich kann nicht mehr fliegen. 
Zum Glück kam mir der Wind zu Hilfe, er schickte mir ein Blatt, an das ich mich hängen konnte und blies mich hier in den Wald. Und ich bin zu ihnen herein gekrochen, weil ich hoffe der Kobold findet mich hier nicht.“
Wieder fängt sie zu weinen an.
 „Aber, aber,“ tröstet Herr Oskar, „der Wind wird sicher eurer Mutter Bescheid sagen und sie holt euch ab.“ 
Doch Sonilinde schüttelt den Kopf. „Er musste gleich weiter!“
„ Nun schlaft kleine Elfe, morgen sieht alles viel besser aus.“ 
Das zarte Wesen klettert wieder auf den Sitz, doch dann meint es schüchtern. 
„Können sie die Fenster nicht schließen? Nicht, dass der Kobold mich hier findet.“ 
„Leider geht das nicht, ich sitze hier fest und kann mich nicht rühren.“ 
„Vielleicht könnte ich?“ 
Herr Oskar schmunzelt: „Sehen sie die Kurbel da an der Tür, das ist viel zu schwer für sie.“ 
Die Elfe lacht und es klingt wie das Läuten eines silbernen Glöckchen. „ Ich hab doch meinen Zauberstab!“
Sie hält den Sternenstab gegen die Kurbel, die sich wie von selber dreht und das Fenster ist geschlossen. Dasselbe macht sie auf der anderen Seite. 
„ Nun bin ich sicher.“ 
Mit einem zufriedenem Seufzer kuschelt sie sich zusammen und bald zeigen zarte kleine Töne, dass sie eingeschlafen ist.
Herr Oskar aber kann noch nicht schlafen. Schmunzelnd denkt er über dieses neue Abenteuer nach. Seit er hier im Wald gestrandet ist, war sein Leben nie mehr langweilig. Bald aber schläft auch er.
Es ist spät, als er am nächsten Morgen erwacht und auch sein kleiner Gast schläft noch. 
Im Wald ist es auffallend still und es ist auch niemand zu sehen. Sonst um diese Zeit herrschte hier um ihn herum schon reger Betrieb. 
Da sieht er Fritz, den Igel, der mit schnüffelnder Nase auf den Boden ihm entgegenläuft. 
 „Fritz!“ 
Der Igel reagiert nicht. Richtig er konnte ihn ja nicht hören, die Fenster waren zu.
Herr Oskar räuspert sich. 
„Fräulein Sonilinde!“ 
Die kleine Elfe regt sich, hebt gähnend beide Arme und streckt sich. 
„Guten Morgen, Herr Oskar!“
„ Guten Morgen mein Fräulein, würdet ihr bitte die Fenster wieder öffnen, ich möchte gerne meinen Freund etwas fragen.“
Wie ein Blitz gehen die Fenster runter und als nun Herr Oskar ruft, hebt der Igel den Kopf und trippelt näher ans Auto heran.
„Guten Morgen Oskar.“ 
„Guten Morgen Fritz. Weißt du, warum der Wald heute wie ausgestorben ist.“
„Sie machen sich alle fein, denn heute hat die Elfenkönigin Sonnenblume
Geburtstag und alle sind zum Fest eingeladen.“ 
Sonilinde seufzt leise. „ Weißt du ob sich der Kobold Alberich im Wald herum treibt?“
Fritz zieht seine Schnauze ein und ist nur eine stachelige Kugel.
„So ein Hasenfuß, da werden wir wohl keine Antwort die nächste Zeit erhalten. Aber bald wir bestimmt jemand vorbei kommen und uns helfen.“
Verzagt klettert die kleine Elfe auf den Beifahrersitz und da Herr Oskar befürchtet, dass sie gleich wieder los weinen wird, erzählt er ihr lustige Streiche von den Drillingen und bringt Sonilinde zum Lachen. 
Doch die Zeit vergeht und immer noch lässt sich jemand blicken und auch Fritz liegt immer noch zur Kugel gerollt vor dem Auto. Herr Oskar ist etwas besorgt, doch er will die kleine Elfe nicht beunruhigen.
Dann hat er eine Idee. 
„Fräulein Sonilinde können sie mit ihrem Zauberstab auch die Hupe zum Tönen bringen?“ 
„Was ist eine Hupe?“
„Damit kann ich mich bemerkbar machen, es ist ein lang anhaltender Ton. Sehen sie vorne das runde Rad, das ist das Steuerrad und dieser kleine Hebel daran ist die Hupe.“ 
Die Elfe zückt den Zauberstab und der Hebel bewegt sich und ein lautes „Tuuuuuuut“ ertönt.
Vor Schreck fällt Sonilind auf den Rücken, doch dann beginnt sie zu kichern und lässt die Hupe nochmal ertönen.
Fritz streckt erschrocken seine Nase heraus, um dann sofort wieder in der Kugel zu verschwinden.
Doch ringsum wird es lebendig. Die Tiere kommen von allen Seiten angelaufen und scharren sich um das Auto. Der König des Waldes schreitet aus einem Gebüsch und die Tiere bilden eine Gasse, um ihn zu Herrn Oskar zu lassen.
„Haben sie diesen seltsamen Laut ausgestoßen, Herr Oskar.“ 
„ Ja, mein kleiner Gast hier, braucht eure Hilfe!“
Die Elfenprinzessin klettert durch das Fenster auf das Dach und erzählt nun ihr Abenteuer. Als sie berichtet, dass ihre Flügel beschädigt sind und sie nicht mehr fliegen kann, geht ein mitleidiges Aufseufzen durch die Versammlung. 
Der Hirsch aber beugt sein Geweih und bittet. „Prinzessin wir werden sie zu ihrer Mutter bringen, klettert bitte auf mein Geweih.“ 
Dann setzt sich der lange Zug der Tiere in Bewegung, um zur Sonnenblumenwiese zu marschieren. 
„Auf Wiedersehen, Herr Oskar und danke!“ ruft die kleine Elfe und winkt ihm zu.
Dieser ist ein wenig traurig, doch dann schmunzelt er. Eigentlich hatte er doch gar keine Lust an diesem Fest teilzunehmen, dazu war er doch schon zu alt und behäbig.
Er ließ seine Gedanken schweifen, da spürt er auf einmal eine Bewegung und eine Elfe mit schwirrenden Flügeln lässt sich auf dem Beifahrersitz nieder.
„Guten Tag Herr Oskar, ich bin Sonnenblume und möchte mich bei ihnen herzlich bedanken, dass sie meiner Tochter geholfen haben.“
„ Guten Tag, das ist doch nicht der Rede wert, aber haben sie nicht heute Geburtstag, herzlichen Glückwunsch.“
„Danke schön, aber ich würde ihnen gern eine Freude machen.“ 
Herr Oskar lacht: „ Aber ich habe doch nicht Geburtstag!“ 
Auch die Elfenkönigin lacht. „ Meine Tochter hat mir erzählt, dass sie sich nicht bewegen können. Meine Zauberkraft reicht zwar nicht, dass sie wieder fahren können, aber alles anders könnten sie bewegen, wenn sie den Wunsch dazu haben. Möchten sie?“
Herr Oskar strahlt. 
"Das wäre prima. Wissen sie, ich habe mir schon etwas Sorgen gemacht, wenn es kalt wird, ob meine Mäusefamilie dann nicht erfriert, aber wenn ich die Fenster schließen kann.“
„ Und die Heizung betätigen!“
Die Elfe hebt den Zauberstab und murmelt einige Worte. Dann meint sie lächelnd. 
„Nun Herr Oskar wollen sie es ausprobieren, sie brauchen nur zu wünschen.“
Und Oskar lässt die Fenster auf und zu gleiten, die Kühlerhaube und Motorhaube hinaufschnellen und wieder runter, die Scheinwerfer auf strahlen und die Hupe lang ertönen. 
Frau Sonnenblume lacht und als Oskar sich wieder beruhigt hat, meint sie bedauernd. 
„Nun muss ich wieder zu meinen Gästen. Ach, meine Tochter lässt fragen, ob sie sie besuchen darf?“ „Gerne, ich habe die Kleine ins Herz geschlossen, sie ist ja wirklich entzückend. Aber ist es nicht zu gefährlich, der Kobold Alberich?“ 
„Den habe ich in die Unterwelt verbannt, der kann keinen Schaden mehr anrichten. Nun aber auf Wiedersehen!“ 
Sie fliegt davon und Oskar lässt nun sein Auto tanzen, hebt Kühlerhaube auf und zu, lässt die Hupe erschallen und Fenster sich bewegen, bis Frau Eule aus ihrem Bau fährt und laut „Ruhe“ brüllt.
Oskar kichert und überlässt sich seinen vergnügten Gedanken.



© Lore Platz