Montag, 17. Juni 2019

Nur ein Päckchen Kaffee

Einen schönen Wochenanfang wünsche ich euch und wie versprochen erzähle ich euch die Geschichte einer netten alten Dame, die kurz in Versuchung gerät und durch einen ganz besonderen Schutzengel
gerettet wird.
Viel Spaß beim Lesen!
 






Nur ein Päckchen Kaffee


Schlendert man durch das Städtchen R über die schöne geschwungene Brücke, gelangt man in die Altstadt.
Hier sind die Häuser nicht mehr so gepflegt und man sieht ihnen an, dass der Zahn der Zeit kräftig an ihnen genagt hat.
Ganz am Ende der Straße steht ein großer Block mit sechs Wohnungen.
Er gehört der Stadt und die Mieter, die bereits mehr als 40 Jahre hier wohnen, gehören zu den Einkommen schwachen.
Dementsprechend niedrig ist auch die Miete.
Doch in den letzten Jahren sind die Mietpreise explodiert und auch die Stadtverwaltung überlegt, sich der Zeit anzupassen.
Daher grenzt es fast an ein Wunder, als eine Bau-Genossenschaft an die Stadt herantrat , um das alte Gemäuer zu kaufen.
Bei einer Mieterversammlung wurden die Bewohner in Kenntnis gesetzt, dass das Haus renoviert würde und sie vorübergehend ausziehen mussten. Der Umzug würde natürlich bezahlt werden. 
Wer nach der Sanierung zurück kommen möchte, müsste allerdings mit einer größeren Miete rechnen.




Ganz oben in einer kleinen Dachwohnung lebt Fräulein Lieschen Krämer.
Ein altes Fräulein, bescheiden, schüchtern und arm.
Jahrelang hatte sie ihre schwerkranke Mutter gepflegt und ging nebenbei noch putzen.
Nun stand sie da mit 585€ Rente.
Als ihre Mutter noch lebte, die ihre Kriegsrente hatte, ging es beiden relativ gut.
Doch nun musste sie doch sehr sparsam mit dem Geld wirtschaften und war froh, dass sie nach dem Tod er Mutter die so billige kleine Wohnung behalten konnte.
250€ Miete musste sie bezahlen, das war sehr wenig, denn in den vergangenen Jahren sind die Preise für Wohnungen, auch wenn sie so klein wie ihre waren, sehr gestiegen.
Und wenn sie sich nun eine neue Wohnung suchen sollte, wie die Bau-Genossenschaft verlangte, dann würde das wohl ihre ganze Rente verschlingen.
Als sie schüchtern ihre Sorge vorgetragen hatte, meinte der Herr von der BG:
Sie können ja Wohngeld beantragen!“
Daraufhin setzte das alte Fräulein sich still auf ihren Platz und war sehr besorgt. Wusste sie doch gar nicht wie man das machte und sie kannte doch auch niemanden, den sie fragen konnte.
Also war sie nach der Mieterversammlung traurig in ihre kleine Wohnung unter dem Dach gegangen, verwirrt und voller Sorgen.

(c) Irmgard Brüggemann


Müde erhebt sich Fräulein Lieschen und schlüpft in ihre ausgelatschten Pantoffeln.
Kurz fährt sie sich mit der Hand über den schmerzenden Rücken.
Die Matratze war eben schon alt, aber wenn sie einige Zeit lief, dann vergingen die Schmerzen.
Sie schlurft ins Bad .
Wenig später kommt sie wieder heraus, noch immer im Morgenmantel, aber frisch und sauber,
und die langen grauen Haare, die ihr bis zur Hüfte reichten, zu einem ordentlichen Knoten aufgesteckt.
Sie sieht auf die Uhr. 8.30! Zeit fürs Frühstück.
Die Sonne blinkt schon durch die blank geputzten Scheiben.
Nachdem sie den Wasserkessel auf den Gasherd gestellt hat, öffnet sie das kleine Fenster mit den hübschen zierlichen Gardinen und sieht über die Dächer von R.
Sie liebt diesen Blick über die Stadt und sie freut sich, dass heute die Luft so klar ist, dass man in der Ferne die Berge schimmern sieht.
Ein paar Spatzen sitzen in der Dachrinne und tschilpen laut.
Lieschen lächelt und eilt zum Brotkasten, nimmt das Brot heraus und sucht in der Schublade nach dem Messer.
Da verkündet ein schrilles Pfeifen, dass das Wasser kocht.
Schnell legt sie das Messer beiseite, dreht den Gashahn ab und füllt in die frische Tasse, in der sie den gebrauchten Teebeutel von gestern gehängt hat,
das kochende Wasser.
Einen Teebeutel konnte man ruhig zweimal benutzen hatte ihre sparsame Mutter ihr beigebracht.
Fräulein Lieschen stellt die dampfende Tasse auf den Tisch, und holt Margarine und Honig aus dem Kühlschrank.
Dann schneidet sie drei dünne Scheiben Brot ab.
Zwei davon legt sie auf einen Teller.
Von der dritten Scheibe löst die Rinde und legt sie in den Brotkasten zu den anderen.
Die würde sie heute Mittag rösten und zu ihrer Suppe geben.
Sie zerbröselt das Weiche des Brotes und streut es auf die Fensterbank.
Als hätten sie nur darauf gewartet stürzen sich die Spatzen lautstark schimpfend über die Krümmel.
Lieschen beobachtet ihre gefiederten Freunde vergnügt, während sie ebenfalls ihr Frühstück verzehrt.
Ein Blick auf den Kalender zeigt ihr, dass heute der 29. April ist.
Am Montag war Feiertag, der 1. Mai, dann kam die Rente erst am Dienstag. Also musste das Geld für drei Tage reichen.
Sie holt den alten braunen, an den Ecken abgestoßenen Geldbeutel aus der Schublade und schüttet seinen Inhalt auf den Tisch.
Sorgsam zählt sie die Münzen.
Es sind 3 € und 87 Cent.
Kurz überlegt sie:
Honig und Margarine würden noch reichen, brauchte sie also nur noch Brot. Heute würde sie eine Kartoffelsuppe machen, Kartoffeln hatte sie noch, und die gerösteten Brotrinden darüber streuen. Wenn sie gleich mehr machte, dann reichte es auch für Morgen.
Vergnügt lacht sie.
Aber was sollte sie am Montag kochen? Es sollte schon etwas Besonderes sein, denn da war ihr Geburtstag.
Sie hatte doch noch zwei Eier im Kühlschrank, die 
würden reichen für ein feines Omelett und zur Feier Tages könnte sie sich ein Glas Pilze gönnen und einen schönen Kopfsalat. Was für ein Festmahl.
Und abends eine feine Quarkspeise.
Ihre Gedanken schweiften in die Vergangenheit.
Wie schön waren ihre Geburtstage immer solange ihre Mutter noch lebte.
Mama hatte für sie immer ihren Lieblingskuchen „Schwarzwälderkirsch „ gebacken und dazu gab es echten Bohnenkaffee.
Sie glaubte den Duft dieses herrlichen Getränks in der Nase zu spüren.



Seit ihre Mutter vor zwei Jahren gestorben war, konnte sie sich keinen Bohnenkaffee mehr leisten.
Schnell schüttelt sie die drüben Gedanken ab und schreibt ihren Einkaufszettel.
Lieschen muss lachen als sie die Endsumme sieht.
Dreimal die Eins!
Die Zahl sollte ihr eigentlich Glück bringen. 

Morgen geht es weiter 

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