Viel Spaß beim Lesen!
(c) Elli M. |
Am
nächsten Morgen ist Lieschen schon lange vor der verabredeten Zeit
fertig.
Schick
hat sie sich gemacht für den bevorstehenden Besuch.
Zu
ihrem taubenblauen Kostüm trägt sie ihre beste Bluse aus
beigefarbener Seide mit hohem Spitzenkragen und schweren metallenen
Knöpfen.
Auf
dem Kopf thront ein dunkelblaues Hütchen, dessen schwarzer
Spitzenschleier bist in die Stirn ragt.
Aufgeregt
trippelt sie durch die Küche, immer wieder einen Blick auf die Uhr
werfend.
Als
sie von draußen das Gezanke der Spatzen hört, öffnet sie lächelnd
das Fenster und streut etwas von dem Hefezopf auf die Fensterbank.
Als
hätten sie nur darauf gewartet stürzen sich die kleinen frechen
Gesellen auf die Leckerbissen.
Zanken,
schimpfen, zwitschern aufgeregt und wollen sich die besten Bissen
gegenseitig weg schnappen.
Lächelnd
sieht Lieschen ihnen zu, bis die nahe Turmuhr neunmal schlägt.
Sie
schließt das Fenster, hängt sich die altmodische Tasche an den Arm
und lauscht.
Wenig
später läutet es Sturm und als sie öffnet, wird sie heftig umarmt.
„Alles
Gute zum Geburtstag, liebes Lieschen!“
Jutta
schiebt das alte Fräulein etwas zurück und betrachtet sie
schmunzelnd.
„Schick
siehst du aus! Aber nun komm, meine Familie freut sich schon auf
dich!“
Lieschen
folgt ihr etwas bang, es ist doch schon lagen her, seit sie unter
Menschen war.
Doch
Juttas fröhliches Geplauder lässt sie gar nicht zum Grübeln
kommen.
Staunend
betrachtet sie wenig später das große schöne Haus und den
wundervollen Garten, als Jutta schwungvoll in die Einfahrt fährt.
Fürsorglich
hilft ihr diese aus dem Auto und führt sie durch den Garten auf die
Terrasse zu ihrem Mann, der Lieschen freundlich lächeln die Hand
entgegen streckt.
„Guten
Morgen, Fräulein Krämer und alles Gute zum Geburtstag.
Entschuldigen sie, dass ich ihnen nicht entgegen gekommen bin, aber
zwei kleine Monster halten mich umklammert.“
Nun
erst bemerkt Lieschen die beiden Kinder hinter Herrn Zimmermann.
Das
kleine blonde Mädchen mit dem Schnuller im Mund verschwindet
blitzschnell hinter seinem Vater, als der Blick Lieschens sie trifft.
Der
Junge aber tritt nun hervor, reicht ihr die Hand und meint artig:
„Guten
Tag Fräulein Krämer und alles Gute zum Geburtstag.“
„Danke
mein Junge, aber du kannst ruhig Lieschen zu mir sagen.“
Dirk
schüttelt den Kopf.
„Ich
darf Erwachsene nicht beim Vornamen nennen.“
„Wie
wäre es dann mit Tante Lieschen? Wäre dir das recht?“
Dirk
nickt.
„Nun
komm aber mit, ich führe dich an deinen Ehrenplatz.“
Er
nimmt ihre Hand und als Lieschen sich auf den
bequemen
Stuhl setzt, deutet er auf den Blumenkranz, der um das Gedeck
dekoriert ist.
„Das
war ich, gefällt es dir?“
Lieschen
streicht ihm über den Kopf.
„Ja
sehr, das hast du wirklich fein gemacht, danke dir.“
Der
Junge grinst erfreut, tritt einen Schritt zurück und betrachtet sie
aufmerksam, dann dreht er sich um und läuft ins Haus.
Jutta
und Harald sind inzwischen auch an den Tisch gekommen und die junge
Frau legt Lieschen ein Stück Kuchen auf den Teller.
„Für
eine Schwarzwälderkirschtorte hatte ich die richtigen Zutaten nicht
daheim. Ich hoffe du magst Käsekuchen.“
„ Oh
ja!“ Lieschen lässt ihren Blick über den liebevoll gedeckten
Tisch gleiten und meint nur schlicht:
„Danke!“
Jemand
zupft sie am Rock und als sie nach unten sieht, bemerkt sie das
kleine niedliche Mädchen.
Der
Schnuller hüpft aufgeregt auf und ab und die Kleine hebt beide Arme.
„na
o“ versteht Lieschen.
Jutta
bückt sich und nimmt ihrer Tochter den Schnuller aus dem Mund.
„So
kann Tante Lieschen dich nicht verstehen.“
Susanna
runzelt die Stirn und wiederholt.
„Sanna,
Tane ieschen och.“
Lächelnd
hebt diese das kleine Persönchen auf ihren Schoß.
Wie
eine Königin blickt Susanna über den Tisch.
Ihr
Blick bleibt auf dem Kuchen auf Lieschens Teller hängen.
Sie
deutet darauf und fordert:
„Sanna,
Gucken essen!“
Schmunzelnd
nimmt Lieschen ein kleines Stückchen auf einen Kaffeelöffel und
stopft es in das weit aufgerissene kleine Schnäbelchen.
Zufrieden
kuschelt sich die kleine Prinzessin an ihre Schulter.
Das
Eis war gebrochen.
Dirk
kommt aus dem Haus gelaufen und legt ein großes Stück Papier vor
Lieschen.
„Das
habe ich für dich zum Geburtstag gemalt,“ verkündet er stolz.
Lächelnd
betrachtet Lieschen sich das Bild.
Rechts
oben war eine grellgelbe etwas schiefe Sonne und unten viele grüne
Striche, sollte wohl eine Wiese darstellen. Denn darauf standen fünf
Strichmännchen.
Dirk
deutet auf die Figuren und erklärt.
„Mama,
Papa, Sanna, ich und du!“
Lieschen
sieht sich das letzte Männchen auf dessen Kopf ein großer blauer
Ballon sitzt an und deutet auf das blaue Gebilde.
„Das
soll wohl mein Hut sein?“
Dirk
nickt ernsthaft.
„Ich
wusste doch nicht, wie du aussiehst, deshalb konnte ich mein Bild
noch nicht fertig machen. Gefällt es dir?“
„Ganz
prima, das ist wunderschön und du hast mir eine große Freude damit
gemacht.“
Dirk
strahlt, dann setzt er sich auf seinen Stuhl und ist die nächste
Zeit damit beschäftigt, seine Backen mit Kuchen voll zu stopfen.
Es
wurde für Lieschen ein wunderschöner Tag und als sie abends müde
in ihrem Bett lag, dankte sie dem lieben Gott für den schönen
Geburtstag.
Nun
holte Jutta ihre Freundin jedes Wochenende zu sich nach Hause und das
alte Fräulein blühte richtig auf unter den netten liebevollen
Menschen.
Die
Kinder kamen ihr jedes Mal jubelnd entgegen gelaufen. Sie liebten ihr
Tante Lieschen heiß und innig.
Und
eines Tages hatte Jutta mit ihrem Mann ein langes Gespräch.
Die
nächsten Tage herrschte geschäftiges Treiben im Haus Zimmermann.
Den
Samstag darauf nachdem sie wieder zusammen gefrühstückt hatten und
Harald mit den Kindern auf den Spielplatz ging, nahm Jutta Lieschen
bei der Hand und zog sie in ein hübsches kleines Zimmer.
Zarte
duftige Gardinen bauschten sich an dem Fenster, vor dem ein großer
gemütlich aussehender Sessel stand, daneben ein kleines Lesetischen.
Helle
freundliche Möbel und eine bunte Couchgarnitur füllten den Rest des
Zimmers aus.
Jutta
zerrte Lieschen durch die Verbindungstür in ein ebenfalls mit hellen
freundlichen Möbeln eingerichtetes Schlafzimmer.
Sie
deutet auf eine weiße Tür in der Ecke und meinte, „ dort ist noch
ein kleines Badezimmer.
„Glaubst
du es würde dir hier gefallen?“
Bange
ist die sonst so lebhafte Jutta.
Als
Lieschen nichts sagt, sich nur mit großen Augen umschaut, sprudelt
es aus Jutta heraus.
„Wir
haben dich alle so lieb gewonnen, die Kinder beten dich an und wir
möchten gerne, dass du für immer bei uns bleibst.
Wenn dir der
ganze Trubel bei uns einmal zu viel wird,dann kannst du dich hier in
deine eigenen vier Wände zurück ziehen!“
Etwas
ängstlich sieht die sonst so burschikose junge Frau das alte Mädchen
an.
Auf
einmal geht ein strahlendes Lächeln über das schöne
Altfrauengesicht und Lieschen nickt, während Tränen in ihren Augen
schimmern.
Stumm
umarmen sich die beiden so ungleichen Frauen, die doch so gute
Freundinnen geworden sind.
(C)
Lore Platz