Donnerstag, 30. September 2021

Warum bist du so traurig

 Reizwörter : Tanne, Herbstlaub, schnaufen, traurig, bunt



 

Oma Emma schlägt die Augen auf, als sie einen feuchten Schmatzer auf der Wange fühlt. Lena sieht sie vorwurfsvoll an. 

" Du hast heute aber einen langen Mittagsschlaf gehalten. Ich bin schon ganz lange vom Kindergarten zurück." 

"Entschuldige Mutter, ich konnte sie nicht zurück halten." Oma Ema lächelt ihrer Schwiegertochter beruhigend zu. "Macht nichts Gisela, es ist  ganz gut so, sonst kann ich ja abends nicht mehr schlafen." 

Lena hält der Oma ein Bild unter die Nase. " Sieh mal wir haben heute bunte Blätter gesammelt und durften sie aufkleben. Die roten sind von der Eiche und die gelben, braunen sind von der großen Kastanie im Hof des Kindergartens. Sind sie nicht schön." "Sehr schön, Liebes." "Oma warum werfen die Bäume denn im Herbst die Blätter ab." "Damit sie nicht verdursten im Winter, denn wenn der Boden gefriert, können die Bäume nicht mehr soviel Wasser aufnehmen. Nur die Nadelbäume werden im Herbst nicht kahl, weil die Nadeln weniger Wasser verdunsten,  da sie von einer festen Haut umgeben sind." 

Lena schmiegt sich an die Oma, "fällt dir dazu eine Geschichte ein". Die alte Frau schmunzelt, "hol dir dein Fußbänkchen."



Warum bist du so traurig

Der Herbst streifte durch das Land und bemalte die Blätter der Bäume  und diese freuten sich über ihr buntes Kleid. In der Nähe des Zwergendorfes gab es einen Wald voller Laubbäume und die gaben ein besonders schönes Bild ab. Mächtig stolz waren sie auf ihre Pracht und warfen einen spöttischen Blick auf die Tanne, den Fremdling, der eines Tages mitten unter ihnen stand.

 "Wie hässlich er doch ist. Es gibt im ganzen Wald keinen, der so aussieht wie er. Niemand weiß woher er eigentlich kommt," wisperten sie und schütelten sich missbilligend. Die Tanne aber wurde sehr traurig und nachts, wenn alle schliefen, weinte sie still vor hin. Niemand hörte sie, ab und zu Frau Eule, aber die hatte nachts besseres zu tun. 

Doch es gab einen, der sie eines Nachts weinen hörte. Gorgo ein Troll, der erst seit kurzem hier im Wald wohnte. Er hatte seine weit entfernte Heimat verlassen, um die Welt kennen zu lernen. Und da es ihm hier sehr gut gefiel und er sich außerdem mit Mirko, dem Gärtner der Zwerge angefreundet, hatte er sich hier nieder gelassen. Gerade kam er von einem Besuch im Zwergendorf zurück, es war mal wieder spät geworden, zum Glück war Vollmond und er konnte sich im Wald gut zurecht finden. 

Da hörte er das Weinen. Lauschend hob der den Kopf und folgte dem Geräusch. Er stand vor der Tanne, deren Tränen den Stamm herunter liefen und die leise schnaufte. 

"Was ist denn mit dir los, bist du krank, hast du Schmerzen, " fragte er besorgt. Die Tanne schüttelte den Kopf. " Nein ich bin nicht krank und mir tut auch nichts weh. Aber sieh dich doch um. Der Herbst hat alle Bäume wunderschön bemalt, nur mich hat er wieder vergessen. Ich sehe immer langweilig aus, grün und hässlich. Ich gehöre doch gar nicht hierher, niemand sieht so aus wie ich und keiner mag mich." 

Und wieder fing sie an zu weinen. Gorgo hob beruhigend die Hände. "Beruhig dich, ich lasse mir etwas einfallen, aber jetzt bin ich müde und auch du solltest schlafen." "Du hilfst mir?" Der Troll nickte. Die Tanne schniefte noch einmal und schloss die Augen. Auch Gorgo schlüpfte in seine Wohnung und bald waren nur noch seine leisen  Schnarchtöne zu hören. 

 


Am nächsten Morgen lief Gorgo ins Zwergendorf, um sich mit Mirko zu besprechen. Die Tanne war inzwischen viel zu groß, um noch umgepflanzt zu werden. Trude, Mirkos Frau hatte dann eine Idee. 

Bald  begann die kalte Jahreszeit und die Vögel fänden, da es nur noch wenig Insekten gäbe, nicht genügend Nahrung, deshalb könnte man doch Futter für die Vögel an die Tanne hängen. Und im Frühjahr würden sie Nistkästen bauen und aufhängen, dann wäre die Tanne nie mehr allein. 

Und so geschah es. Als die anderen Bäume längst alle Blätter verloren, die zu ihren Füßen nur noch als Herbstlaub lagen, während die schwarzen kahlen Äste gen Himmel ragten, da tummelten sich die Vögel um die Tanne und manches danke kam aus den kleinen Kehlen. Die Tanne aber war nie mehr allein, besonders da Gorgo sie jeden Tag besuchte."

 

 (c) Lore Platz


Nun seht mal was Regina und Martina zu den Wörtern eingefallen ist.

3 Kommentare:

  1. Oh, liebe Lore, eine Geschichte zum Dahinschmelzen. Soooo schön! Danke, dass du sie für uns geschrieben hast und Danke an die Zeichnerin! Das habt ihr großartig gemacht! - Ganz liebe und sonnige Grüße! Martina

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  2. Das hast Du wieder so schön geschrieben Lore. Man schmilzt förmlich dahin und ich kann die Tanne voller Vogelfutter direkt vor meinem geistigen Auge sehen!

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  3. Und ich bin dankbar, dass es mich in diese Runde gelenkt hat. So habe ich liebe Menschen, die so herzliche Gedanken aufschreiben und nun habe ich eine nette Aufgabe und bekomme auch noch so nette Anerkennung für meine Zeichnungen. Das spornt an und ich freue mich auf mehr.

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