Inge Lasota |
Der Stern, der vom Himmel fiel
Tinchen war ein kleiner Stern.
Er war keiner der wichtigen Sterne bei denen die
Sternengucker auf der Erde in Verzückung gerieten.
Nein, Tinchen war nur ein kleiner unwichtiger Stern
unter Millionen Sternen.
Aber er war glücklich und freute sich wenn er in der
Nacht sein Licht anknipsen durfte und er hing an
einem ganz besonderen Platz, direkt neben dem
großen Himmelstor.
Hier war immer etwas los.
Wenn er im Morgengrauen sein Licht ausknipste und
Frau Sonne ihre Kinder auf die Erde schickte,
stolperte über die Milchstraße das Sandmännchen
müde und verschwand hinter dem Tor, um möglichst
schnell in sein Bett zu kommen.
Kurze Zeit später purzelten dann die Engel kichernd
und lachend an ihm vorbei, die die Engelsschule
besuchten.
Tinchen liebte die pausbäckigen immer fröhlichen
Gesellen.
Besonders um die Weihnachtszeit war es am
schönsten.
Die Engel sangen, während sie hämmerten, klopften,
nähten und backten.
Der Duft nach Plätzchen umschmeichelte Tinchens
Nase und sie schloss verzückt die Augen.
Aufregend und hektisch wurde es jedes mal wenn der
Schlitten des HL. Nikolaus bepackt wurde.
Und eines Tages geschah ein großes Unglück.
Da sie zu spät waren, nahm Rupprecht die Kurve zu
scharf, als er das Himmeltor verließ und traf Tinchen
mit der Kufe und diese fiel und fiel und fiel in die
Finsternis.
Hart schlug sie auf.
Vorsichtig öffnete der kleine Stern die Augen und sah
sich staunend um.
Er lag im Schnee neben einigen großen grauen
Mülltonnen.
Es raschelt und eine Maus kam mit ihren drei Kindern
an getrippelt.
Sie beschnupperte das seltsame Ding.
„Mama, was ist das fragen die Kinder.“
„Ich weiß es nicht,“ wieder schnuppert Mama Maus
Tinchen nieste und kicherte.
„Lass das, das kitzelt!“
Erschrocken sprang die Maus zurück und ihre Kinder
schmiegten sich Schutz suchend an sie.
„Habt keine Angst!“
„Wer bist du?“
„Ich bin ein Stern und gestern Abend noch leuchtete
ich am Himmel, leider wurde ich von Nikolaus
Schlitten getroffen und nun liege ich hier auf der
Erde.“
Tinchen ließ ihr Licht leuchten und die kleinen Mäuse
jubelten, „oh wie schön!“
Zutraulich kamen sie näher und Tinchen erzählte
ihnen vom Himmel.
Plötzlich hob Mama Maus die Nase und rief warnend.
„Kater Carlo kommt, schnell versteckt euch!“
Blitzschnell verschwanden die Mäuse zwischen den
Tonnen und durch ein Loch in der Mauer.
Neugierig sah Tinchen dem Kater entgegen, der mit
hoch erhobenen Kopf und Schwanz über den Hof
schlenderte, als würde er ihm gehören.
Nun hatte er die Mülltonnen erreicht und schnupperte
an der Stelle an der die Mäuse verschwunden waren.
Missmutig wandte er sich ab.
Da erblickte er Tinchen.
Neugierig beugte er sich hinunter und Tinchen
kicherte, als seine Barthaare sie kitzelten.
„Geh weg du Ungetüm!“
„Das komische Ding kann ja sprechen?“
„Ich bin kein komisches Ding, ich bin ein Stern!“
„Pah, Sterne hängen am Himmel und liegen nicht im
Schnee!“
„Naja, aber ich bin halt heruntergefallen, als die Kufe
von Nikolaus Schlitten mich traf.“
Carlo wandte den Kopf und seine Augen wurden zu
Schlitzen.
„Ich denke wir sollten hier verschwinden, da kommen
die grässlichen Jungen, spring auf meinen Rücken, du
kannst mir ja später erzählen, wie du auf die Erde
gekommen bist, aber im Moment ist es hier für uns
beide gefährlich.“
Mit Tinchen auf dem Rücken sauste er Hacken
schlagend über den Hof verfolgt von den grölenden
Jungen.
Aufatmend lehnte sich der Kater an eine Hausmauer
und Tinchen glitt von seinem Rücken.
„Die hätten wir abgehängt!“ grinste der kleine Stern,
dem das ganze riesigen Spaß gemacht hatte.
Ein grollendes Geräusch aber ließ ihn zusammen
fahren und ängstlich sah er sich um.
„Was war den das?“
Carlo wird etwas rot und meinte verlegen.
“Mein Magen, ich habe Hunger.“
„Ich habe nie Hunger.“
„Na dann sei froh, ich schon und zwar gewaltigen,
aber ich weiß wo wir hingehen können, komm, steig
auf.“
Wieder geht es durch verschiedene Straßen.
Vor einem großen Gebäude auf dessen Hof viele
Kinder herumtollen bleibt Carlo stehen.
„Wo sind wir?“
„ Das ist eine Schule und da drüben, das Mädchen mit
der roten Mütze ist meine Freundin Annegret.
Die teilt immer ihr Pausenbrot mit mir.“
„Eine Schule, wie schön, im Himmel gibt es auch eine
Engelsschule.“
„Ach ich dachte Engel sitzen nur auf den Wolken und
zupfen auf so einem komischen Ding und singen.“
Tinchen lachte herzlich.
„Du meinst eine Harfe, viele Menschen glauben das.
Nein die Engel singen und lachen gerne, aber sie
müssen auch lernen.“
Carlo zuckte nur mit den Schultern, denn er hatte
Annegret entdeckt, die zu ihnen herüberkam.
Schnurrend strich er um ihr Beine, das Mädchen
streichelte ihn und warf ihm einige Stücke ihres
Pausenbrot hin. Während der Kater gierig fraß,
betrachtete Tinchen das Mädchen.
„Hallo, ich bin Tinchen.“
„Du kannst sprechen?“
Annegret streckte die Hand aus und der Stern sprang
hinauf und nun erzählte sie dem Mädchen wie sie auf
die Erde gekommen ist.
Carlo, der sich inzwischen geputzt hatte, meinte,
„frag Annegret, ob du mit ihr kommen kannst, es ist
viel zu gefährlich hier unten für dich und ich kann
nicht immer auf dich aufpassen.“
Tinchen schluckte.
„Carlo lässt fragen, ob ich mit dir kommen darf, da es
hier auf der Erde zu gefährlich für mich ist.“
Annegret sah den Kater lächelnd an.
„Carlo heißt du, schön, dass ich das jetzt weiß.
Gerne nehme ich deine kleine Freundin mit nach
Hause.“
Wie staunte Tinchen, als sie Annegrets zuhause sieht.
Überall war weihnachtlich geschmückt,ein großer
Adventskranz stand in der Küche auf dem Tisch und
an den Wänden hingen selbstgebastelte Strohsterne,
verziert mit roten Bändern.
Nun begann für den kleinen Stern eine schöne,
aufregende Zeit.
Während Annegret vormittags in der Schule war,
versteckte sich Tinchen in deren Zimmer.
Nachmittags aber durfte sie gut verwahrt in der
Tasche des Schneeanzugs das Mädchen begleiten,
wenn es mit ihren Freunden auf dem Schlitten den
Berg hinab sauste, oder über den zugefrorenen See
mit den Schlittschuhen glitt.
Besonders schön war es abends, wenn sie auf dem
Kopfkissen in Annegrets Bett lag und sie bis spät in
die Nach quatschten.
Das Mädchen wollte alles über ihr Leben im Himmel
hören. Doch je mehr Tinchen erzählte, umso größer
wurde ihr Heimweh.
Und als Annegret schlief, setzte sich der kleine Stern
auf die Fensterbank und während er hinauf in die
sternenklare Nacht sah, liefen die Tränen über sein
Gesicht.
Eines Tages, es war kurz vor Weihnachten hörte
Tinchen eine Autotür schlagen und sah wie Annegrets
Papa eine ältere Dame ins Haus führte.
Das war wohl die Oma, von der das Mädchen schon
seit Tagen erzählte.
Es war schon dunkel als Annegret in ihr Zimmer kam.
„Entschuldige Tinchen, aber Oma Betty ist gekommen
und wir hatten so viel zu erzählen.“
„Ja, ich habe sie heute Morgen ankommen sehen, sie
scheint sehr nett zu sein.“
Annegret warf ich aufs Bett und erzählte dem Stern
von ihrer geliebten Oma.
Als Tinchen später in den dunkel Himmel hinauf sah,
war ihr das Herz so schwer und Tränen liefen ihr über
das Gesicht.
„Warum weinst du?“
Annegret verließ ihr Bett und setzte sich neben den
Stern auf die Fensterbank.
Eine Weile sahen sie schweigend in die dunkle Nacht,
doch dann gestand Tinchen schluchzend ihre
Einsamkeit und ihr Heimweh und ihre Angst nie
wieder in den Himmel zurückzukehren.
Am nächsten Tag konnte sich Annegret in der Schule
kaum konzentrieren immer wieder überlegte sie wie
man Tinchen nur helfen könnte, dann hatte sie eine
Idee.
Sie konnte es kaum erwarten, bis die Schule zuende
war und lief ohne auf ihr Freundinnen zu achten nach
Hause.
Sie stürzte durch die Tür, warf den Mantel auf die
Ablage, schlüpfte aus ihren Stiefeln, und raste die
Treppe hinauf.
Die Oma und die Mutter sahen sich an und lachten.
„Weihnachtsgeheimnisse,“ murmelte die Oma.
Tinchen erschrak, als Annegret die Tür aufriss, hinter
sich ins Schloss fallen ließ und sich atemlos auf die
Fensterbank setzte.
Was ist geschehen?“
Das Mädchen wedelte mit den Armen, denn es konnte
noch nicht sprechen.
Grinsend wandte sich der kleine Stern ab und sah
wieder hinaus.
„ Ich habe eine Idee, wer dir helfen kann, dass du
wieder nach Hause kommst.“
„Wer?“
„Meine Oma.“
Aber sie ist ein Mensch und du hast gesagt, dass es
besser ist, wenn die Mensch mich nicht sehen.“
„Ach meine Oma ist keine Gefahr und sie wird dich
auch nicht verraten. Aber es gibt keinen klügeren
Menschen als sie. Glaub mir sie findet einen Weg, wie
du zurück in den Himmel kommen kannst.“
„Annegret!“
„Ich muss zum Mittagessen, danach legt Oma sich
immer hin, aber sobald sie wieder wach ist gehen wir
zu ihr.“
So lange ist den beiden noch nie die Zeit geworden.
Immer wieder schlich sich das Mädchen zu Omas
Zimmer, öffnete vorsichtig die Tür, um enttäuscht
festzustellen, dass die alte Frau immer noch die
Augen geschlossen hatte.
Doch Oma Betty hatte den heimlichen Besucher
längst bemerkt und als Annegret wieder leise die Tür
öffnet,rief sie fröhlich.
„Komm schon herein, ich bin wach!“
Vorsichtig schleicht Annegret ins Zimmer und lässt
sich zu Füßen ihrer Oma nieder.
Lange weiß sie nicht wie sie beginnen soll, dann
streckte sie die Hand aus und Tinchen sprang darauf.
Die Oma zuckte zurück.
„Was ist das? Ein neues elektronisches Spielzeug.“
Langsam schüttelte das Mädchen den Kopf.
„Das ist ein Stern vom Himmel.“
Und die beiden erzählten nun der alten Frau Tinchens
Geschichte.
Oma Betty lehnte sich zurück und murmelte nur:
„Na sowas, na sowas,“
„Kannst du uns helfen, Oma?“
Diese schloss die Augen.
„Nun ist sie wieder eingeschlafen?“ flüsterte Tinchen.
„Nein, sie denkt nach.“
„Und wenn ihr beide ruhig wärt, dann könnte ich
besser nachdenken.“
Still war es im Zimmer, man hörte nur das
gleichmäßige Ticken der Uhr.
Oma Betty öffnete die Augen.
„Ich habe eine Idee.“
Erwartungsvoll sahen sie die zwei an.
„Am 23. um Mitternacht kommt doch das Christkind
mit seinen Engel auf seinem Schlitten, um die
Geschenke unter den Baum zu legen.
Ich werde zusammen mit dem Stern im Wohnzimmer
auf es warten und Tinchen kann dann mit dem
Christkind zurück zum Himmel fahren.
Jubelnd fiel Annegret ihrer Oma um den Hals und
Tinchen schmiegte sich dankbar an die Wange der
alten Frau.
„Schon gut , schon gut,“ brummte die alte Frau, „nun
verschwindet, ich will noch ein bisschen ruhen.“
Annegret und Tinchen vergingen die nächsten Tage
viel zu langsam, doch endlich war der 23. Dezember
da.
Als die Eltern schliefen, schlich sich das Mädchen in
Omas Zimmer.
„Darf ich auch mitkommen?“
„Nein, dann würde das Christkind gar nicht kommen,
Kinder dürfen es nicht sehen.“
Annegret umarmte Tinchen, dann ging sie in ihr
Zimmer und war bald eingeschlafen.
Oma Betty und der kleine Stern setzen sich im
Wohnzimmer in den großen Lehnstuhl und bald waren
sie auch eingeschlafen.
Tinchen wurde wach als die Tür sich leise öffnete und
die Englein huschten herein, jedes ein Geschenk in
den Händen.
Hinter ihnen erschien das Christkind und der kleine
Stern erzählte ihm seine Geschichte.
Das heilige Kind lächelte liebevoll, nahm den kleinen
Stern an der Hand und beugte sich über die alte Frau
und strich sanft über deren Stirn.
„Morgen wird sie alles vergessen haben,“ flüsterte sie
und dann verschwanden alle so lautlos so wie sie
gekommen waren.
Auch Annegret konnte sich am nächsten Tag nicht
mehr an den Stern erinnern, denn in der Nacht hatte
das Sandmännchen den Zauber des Vergessens über
sie gestreut.
Tinchen aber hing wieder am Himmel und strahlte
heller als vorher. Knecht Ruprecht hatte sich bei ihr
entschuldigt und fuhr in Zukunft vorsichtiger um die
Kurven.
(Lore Platz)
Danke liebe Lore und schöne Festtage von Ingelore
AntwortenLöschenDanke für diesen Engelausflug, wenn auch ungewollt, aber mit Omas Idee ist ja alles nochmal gut gegangen. Auch die Entschuldigung und das Versprechen auf mehr Vorsicht hast du nicht vergessen. Mäuschen und Carlokater Begegnungen sind einfach nett. Sei lieb gegrüßt aus Dresden
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