Dienstag, 19. Februar 2019

Hermann und Herminchen

Obwohl sonnig ist es doch noch sehr kalt. 
Zu kalt um meine Elfen schon fliegen zu lassen, aber Trolle sind robuster.
Also erzähle ich euch wie es mit Hermann weiter geht.
Viel Spaß beim Lesen!







Hermann und Herminchen


Keuchend läuft die kleine dralle Gestalt den Feldweg entlang, verfolgt von einer Schar johlender Kinder. Wieder trifft sie ein Stein an der Schulter und sie zuckt zusammen.
Wenn sie nur endlich den schützenden Wald erreichen würde.
Plötzlich ein Rauschen in der Luft, die kleine Gestalt wird von zwei Krallen gepackt.
Ein mehrstimmiger Wutschrei ertönt und enttäuscht sehen die aufgebrachten Kinder der entschwindenden Gestalt nach.
Dem kleinen Geschöpf aber wird vor Schreck schwindelig, als sie jetzt durch den Wald rauscht und schließlich auf einen Ast plumpst.
Mit geschlossen Augen liegt es mitten in den Blättern und seine Brust hebt und senkt sich.
He, du bist in Sicherheit,“ knarrt eine
Stimme , „ du kannst also die Augen ruhig wieder aufmachen, Herminchen.“
Diese richtet sich auf. „Du kennst mich!“
Ja, sicher, du bist Herminchen, die einzige Trollfrau, die der Vernichtung der Trolle durch den Feenkönig entgangen ist.“
Das Trollmädchen nickt traurig,
Besser wäre es gewesen, ich wäre damals auch umgekommen.“
Dicke Tränen laufen über ihr Gesicht.
Was für ein Unsinn, sei froh, dass du lebst!“
Herminchen wischt mit beiden Händen die salzigen Tränen ab und hinterlässt eine Schmutzspur auf den Wangen.
Warum, wohin ich komme erschrecken die Menschen oder jagen mich. Sicher meine Eltern und Brüder waren auch nicht nett zu mir aber wenigstens hatte ich eine Familie und war nicht so allein.“
Traurig sieht sie vor sich hin und lächelt auf einmal.
Der Einzige der nett zu mir war, ist Hermann gewesen, aber der lebt ja auch nicht mehr.“
Wer sagt denn das, Hermann nicht mehr lebt.“ schmunzelt die Eule.
Mit großen Augen sieht das Mädchen den Vogel an.
„Weißt du wo er ist?“
Ja, aber nicht jetzt. Ich muss schlafen, denn das Geschrei hat mich aufgeweckt, zu deinem Glück. Und wenn ich dir raten darf, sollst du dich auch ausruhen. Du kannst zu mir in meine Höhle kommen. 
Wir werden uns heute Nacht auf den Weg machen.“
Die Eule schlüpft in ihre Baumhöhle. Herminchen aber bleibt noch eine Weile sinnend auf dem Ast sitzen, dann klettert auch sie durch das runde Loch, sucht sich ein gemütliches Plätzchen und ist bald eingeschlafen.



Himmeldonnerwetter, da hat der Amtsschimmel ja mal wieder laut gewiehert!“,
poltert Opa Schinkel und fährt sich über seine Glatze. 
Renate und Susanne, die gerade bei ihren Großeltern zu Besuch sind, kichern.
Die Oma aber, die den Braten aus dem Ofen holt, verdreht nur genervt die Augen.
Hört euch das bloß an, eine EU-Verordnung bestimmt wie stark eine verkaufsfähige Gurke gekrümmt sein darf. Jetzt wollen die dem Gemüse schon vorschreiben wie es wachsen soll.“
Ja,ja nur reg dich ab, ich habe schon längst aufgehört mich zu wundern was in den Köpfen der da Oben vorgeht. 
Leg die Zeitung weg, die Kinder wollen den Tisch decken.“
Opa grummelt noch ein wenig, doch dann
lenkt ihn das lecker Essen ab.
Während sie ihren Schokoladenpudding löffelt will Susanne wissen, was ein Amtsschimmel
ist.
Der Opa erklärt nun den aufmerksam lauschenden Kindern, dass früher die Bekanntmachungen durch berittene Amtsboten
überbracht wurden. 
Natürlich waren das nicht nur Schimmel. 
Dieses Wort stammt vielmehr von der „Simile“ einem Standard-Vordruck aus der österreichischen Monarchie, mit der sich ähnlich lautende Anliegen schneller erledigen ließen. 
So hat sich wohl das spöttische Wort Amtsschimmel entwickelt.
Die Oma steht auf und der Opa verzieht sich in sein Arbeitszimmer um gemütlich seine Pfeife zu rauchen.
Die Kinder aber laufen hinaus in den Garten, um zu spielen. Schnell sehen sie noch bei Hermann vorbei, doch der ist nicht da.




Dieser spaziert vergnügt in den nahegelegenen Wald um ein Schwätzchen mit seiner Freundin der Blaumeise zu halten.
Leider ist sie nicht zu Hause und so lehnt sich der Troll an den Stamm eines Baumes und genießt die Stille des Waldes. Er liebte den Wald, den Duft nach Tannen, das Rascheln der kleinen Tiere und das Zwitschern der Vögel.
So schön es bei dem Mann ohne Haare ist, so einsam fühlte er sich auch und während er so
überlegt fällt ihm seine Jugendgespielin Herminchen, die Einzige die im Trollland nett zu ihm war, ein.
Aber sie war ja tot wie alle Trolle, die es ja verdient hatten, nur Herminchen, die war gut und hatte ihm auch geholfen, die Feenprinzessin zu retten.
Er seufzt und wünscht sich, sie würde noch leben.
Als hätte sein Wunsch sie herbeigezaubert, teilt sich das Gebüsch zu seiner Linken und ein Trollmädchen tritt heraus.
Hermann fährt sich über die Augen, es kann sich doch nur um ein Trugbild handeln.
Doch die kleine dralle Person kommt immer näher und flüstert schüchtern. „Hermann?“
Herminchen, jubelt dieser und sie fassen sich an den Händen und betrachten sich fassungslos. Beide hatten sich nicht vergessen.
Wenig später sitzen sie unter dem Baum und erzählen sich was sie erlebt haben.
Als Herminchen von den bösen Menschen berichtet, tröstet Hermann das Mädchen und erzählt, dass er bei ganz lieben Menschen wohnt und nicht alle dieser Gattung böse seien.
Er nimmt sie mit in den Schuppen und zeigt ihr stolz seine gemütliche Wohnung.
Du kannst bei mir bleiben und in meinem Bett schlafen, ich schlafe dann auf dem Boden, aber nun komm mit, ich stelle dich dem Mann ohne Haare, der Frau mit dem Namen Oma und den beiden Langhaaren vor.“
Wie staunen diese, als die beiden Trolle in die Küche kamen, in der die Familie gerade beim Nachmittagstee sitzt.
Oma holt gleich zwei Tassen und besonders Herminchen lässt sich den Kuchen schmecken, hat sie doch außer Beeren unterwegs nichts gegessen.
Staunend hören sie Herminchens Geschichte und als Hermann sagte, dass sie jetzt bei ihm bleiben wird und in seinem Bett schlafen kann, während er auf dem Boden nächtigt, da meint Opa.
Kommt gar nicht infrage, ich gehe gleich in die Werkstatt und zimmere ein neues Bett, Bretter genug habe ich ja.“ 
Und schon eilt er hinaus.
Die Oma aber verspricht, sich sofort an die Nähmaschine zu setzten und Bettwäschen zu nähen.
Die Mädchen aber bleiben in der Küche und immer wieder wollen sie von Herminchen wissen, wie es ihr ergangen ist.
Und Herminchen hat sich seit ihrer Flucht noch nie so wohl gefühlt.
Sie spürt, dass ihre Irrfahrt zu Ende ist.

Sie ist angekommen.

© Lore Platz