Hermann
und Herminchen finden eine neue Heimat
Zwei
Mädchen radeln fröhlich singend den breiten Feldweg entlang am Ufer
des breiten Flusses, auf dem ein alter Krabbenkutter
langsam tuckert.
Der
Kapitän ruft ihnen einen Gruß hinüber und die Mädchen winken
lachend.
Sie
benutzten den letzten schönen Septembertag, um mit dem Rad von der
Stadt zu ihren Großeltern zu fahren.
Vorbei
an einer Wiese, auf der in verschwenderischer Pracht sich lila
Herbstzeitlosen
ausbreiten, biegen sie nun in die Dorfstraße ein.
Ein
Stück führt sie der Weg noch durch den Wald und dann haben sie das
freundliche kleine Haus von Oma und Opa erreicht.
Oma
Schinkel tritt vor die Tür und begrüßt sie überrascht.
„Oma
wir durften mit dem Rad zu euch fahren und Papa holt uns nach den
Herbstferien ab. Wir müssen nur Mama anrufen und ihr sagen, dass wir
gut angekommen sind. Du weißt ja sie sorgt sich immer.“ ruft
Susanne.
„Na
, dann bringt mal die Räder in den Schuppen, ihr könnt auch Hermann
und Herminchen gleich
begrüßen.
Ich will mal eurer Mutter Bescheid sagen.“
Die
Mädchen schieben die Räder in den Schuppen, dann klopfen sie an die
Tür der Trolle.
Hermann
öffnet und strahlt, als er die beiden Langhaare erkennt.
Er
bittet sie herein und die Mädchen erzählen, dass sie eine ganze
Woche hier bleiben würden und dann viel mit den Trollen unternehmen
wollen.
Renate
fällt auf, dass Herminchen sich kaum am Gespräch beteiligt und nur
traurig aus dem Fenster schaut.
„Was
ist denn mit Herminchen los,“ fragt sie leise Hermann. Dieser
runzelt ärgerlich die Stirn.
„Sie
will ausziehen!“
„Ja,
seht euch doch um, seit mein Bett hier ist, hat man kaum noch Platz
und ich will nicht, dass Hermann sich wegen mir so einschränken
muss. Ich suche mir im Wald einen Baum.“
Die
Mädchen sehen sich um, es ist tatsächlich ziemlich eng, beide
Betten füllen fast das ganze Zimmer.
„Wisst
ihr was, wir werden mit Opa darüber sprechen.“
Hermann
strahlt, der Mann ohne Haare würde bestimmt einen Ausweg finden.
Die
Mädchen laufen ins Haus, wo Oma schon mit Kakao und Zwetschgenkuchen
wartet.
Doch
immer wieder sehen sie ungeduldig zur Tür.
„Wann
kommt denn Opa endlich.“ wollen sie wissen.
„Das
weiß ich nicht, er hat einen Brief vom Amtsgericht bekommen und
musste in die Stadt.“
Endlich
öffnet sich die Tür und der Opa betritt mit vergnügtem Gesicht die
Küche.
Jubelnd
hängen sich die Mädchen an seinen Hals.
„Opa,
Opa wir müssen etwas ganz wichtiges mit dir besprechen.“
„Nur
langsam Deerns, bringt mich nicht um, ich habe auch etwas tolles zu
berichten, aber nun lasst mich erst mal einen Kaffee trinken und Omas
leckeren Zwetschgenkuchen versuchen.“
Etwas
ungeduldig warten die Mädchen, doch kaum hat Opa die Kuchengabel
abgelegt, sprudeln sie schon mit ihrer Neuigkeit heraus.
„Soso
die Trolle haben es ein bisschen eng, habe ich mir schon gedacht und
mir so meine Gedanken gemacht und bevor wir nun Probleme
wälzen,
lasst mich erst mal erzählen,
warum
ich im
Amtsgericht war.“
Vergnügt
sieht er in die erwartungsvollen Gesichter.
„Ich
habe geerbt!“
„Was,
du verkohlst uns!“ rufen die Mädchen.
Doch
Opa macht nun ein ganz ernsthaftes
Gesicht und sieht hinüber zu Oma, die etwas blass aussieht.
„Lasst
euch berichten. Ein Vetter
von mir ist nach dem Krieg nach Amerika ausgewandert. Er hatte hier
in der Nähe einen kleinen Bauernhof. Das Gebäude war zerstört, die
Felder verwüstet und die Tiere gestohlen. Also verkaufte er das Land
und buchte sich damit eine Reise nach Übersee, um dort sein Glück
zu versuchen. Das einzige was er behielt waren ein paar Hektar Wald
und er bat mich
ab und zu danach zu sehen. Wir blieben noch eine Zeitlang in
Verbindung, dann hörte ich nichts mehr von ihm.“
„ Juchhuu
und jetzt ist er Millionär und hat dir alles vermacht!“ jubelt
Susanne,
mit der mal wieder die Fantasie durchgeht.
„Nein,
meine Kleine,“ lächelt der Großvater, „ Franz blieb sein Leben
lang ein armer Mann. Er arbeitete auf einer Ranch bis zu seinem Tod.“
Susanne
zieht eine
enttäuschte Schnute.
„Was
hat er dir dann vermacht. Seinen Sattel und Cowboyhut?“
Renate
und die Oma tauschen einen strahlenden Blick, sie wissen, was jetzt
kommt.
Und
schon sagt Opa Schinkel.
„Er
hat mir das Stück Wald vermacht, das wir jetzt gerade gut gebrauchen
können.“
Susanne
starrt ihn mit offenen Mund an.“Warum?“
Oma
und Renate lachen und auch der Opa schmunzelt.
„Mei
Deern, errätst du es nicht. Weil Hermann und Herminchen eine neue
Heimat haben, aus der sie niemand vertreiben kann.“
„Au
verflixt, das stimmt. Wollen wir gleich in den Wald gehen?“
„Nein,
dazu ist es zu spät, es wird bald dunkel und auch den Trollen werden
wir nichts davon sagen. Morgen nach dem Frühstück werden wir alle
gemeinsam gehen,“ bestimmt der Opa.
Am
nächsten Morgen machen sich die Fünf auf den Weg, nur die Oma
bleibt zu Hause, weil ihr der Weg zu beschwerlich ist. Aber Opa
verspricht ihr, sie mit dem Auto einmal hinzufahren.
Die
beiden Trolle sind vollkommen ahnungslos und Susanne presst fest die
Lippen zusammen um sich
nicht
zu verraten.
Staunend
sehen sie sich
im Wald um, schön ist es hier, die Büsche sind ein wenig dicht
zusammen gewachsen, aber das ist doch gut.
Wie
staunen Hermann
und Herminchen, als ihnen der Mann ohne Haare erklärt, dass dies
ihre neue Heimat ist und da der Wald ihm gehört, sie niemand daraus
vertreiben kann und auch keine Bäume gefällt werden.
Sie können sich nun jeden Baum aussuchen, der ihnen gefällt und
unter dem sie wohnen wollen.
Bewegungslos
stehen die Trolle da, doch dann lachen sie
plötzlich los, fassen sich an den Händen und laufen durch den Wald.
Lächelnd
sehen sich der Opa und die Mädchen an.
Bald
kann der Umzug beginnen.
(Lore
Platz)