Mit dieser kleinen Erzählung wünsche ich euch einen schönen Mittwoch
Herbstlied
(Johann Gaudenz von Salis-Seewis 1762-1834, schweizer Dichter)
Die alte Vogelscheuche
Herbstlied
Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder,
Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen,
Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.
(Johann Gaudenz von Salis-Seewis 1762-1834, schweizer Dichter)Die alte Vogelscheuche
Das
Weizenfeld war abgeerntet und nur noch Stoppeln ragen aus der Erde.
Die
alte Vogelscheuche blickt traurig unter ihrem zerbeulten Hut in die
Ferne.
Der
Sommer war vorbei und ihre Arbeit getan. Keinem Vogel konnte sie mehr
Angst machen, keine Rehe mehr erschrecken.
„Guten
Tag, Frau Feldmaus, ich habe von ihrem Unglück gehört.“
„Ach
ja, mein armer Mann. Frau Eule hat ihn erwischt und nun bin ich Witwe
und muss meine fünf Kinderchen alleine aufziehen.“
Sie
wischt sich eilig mit der Pfote über die Augen.
„Mein
herzlichstes Beileid!“
„Danke,
ob ich wohl ein paar der abgefallenen Körner nehmen darf?“
fragt
sie schüchtern.
„Aber
sicher, sehen sie dort drüben, nicht weit von ihrer Wohnung liegt eine
ganze Ähre.“
Der
Wind gibt der Vogelscheuche einen Schubs und sie dreht sich so, dass
ihr ausgestreckter
Arm auf die herabgefallene Ähre zeigt.
„Vielen
herzlichen Dank!“
Die
kleine Feldmaus trippelt zu der Stelle und nimmt das Ende der Ähre
ins Mäulchen und zerrt und schleift sie in ihre Höhle.
Die
Vogelscheuche seufzt.
Wie
gerne hätte sie geholfen, doch sie muss ja hier stramm und steif
stehen.
Zwei
Krähen fliegen herbei und setzen sich auf ihre Schultern, ohne sich
durch ihren grimmigen Gesichtsausdruck stören zu lassen.
Ein
ungehobeltes Volk diese Krähen!
Sie
tratschen über alles mögliche und fliegen dann über das
Stoppelfeld in den nahe gelegenen Wald.
Wildgänse
fliegen kreischend über das Feld und traurig sinniert die
Vogelscheuche , wie schön es doch wäre, fliegen zu können und
fremde Länder zu sehen.
Maxl,
der Sohn des Bauern kommt mit mürrischem Gesicht angelaufen.
Wütend
gibt er ihr einen Tritt, dass sie empört ächzt.
„Blöder,
alter, vergammelter Trampel,“ schimpft der Junge zornig.
Er
war kurz davor, Schusserkönig zu werden, als sein Vater ihn rief und
befahl die alte Vogelscheuche in den Schuppen zu bringen.
Nun
würde wohl der Jokel gewinnen!
Der
Gedanke macht ihn noch wütender und er umfasst mit beiden Händen
das alte Ding, reißt es aus der Erde und pfeffert es auf den Boden.
Maxl
packt nun die Vogelscheuche und schleift sie über Sand und Kies zum
Schuppen.
Immer
dünner wird diese, denn unterwegs verliert sie das ganze Stroh, mit
dem sie gepolstert war.
Der
Junge öffnet die Schuppentür und wirft die Vogelscheuche in die
Ecke.
Sie
knallt gegen einen verrosteten Pflug, streift einige alte Melkeimer
und landet, oh Wunder, auf mehreren alten Säcken.
Zufrieden
wälzt sie sich in eine bequeme Lage.
Wegen
dem Stroh macht sie sich keine Gedanken. Sie weiß , im Frühjahr
wird sie wieder frisch ausgestopft.
Mit
grimmigem Gesicht deutet der auf den Weg.
Vom Feld bis zum Schuppen war alles voller Stroh.
Vom Feld bis zum Schuppen war alles voller Stroh.
„Nimm
sofort den Besen und mach den Weg sauber!“knurrt der Bauer.
Maxl
seufzt.
Das
Schusserspiel konnte er für heute vergessen.
Im
Schuppen aber grinst die Vogelscheuche und schließt zufrieden die
Augen.
(C)
Lore Platz
Schadenfreude darf auch mal sein. Wieder wunderbar geschrieben liebe Lore !
AntwortenLöschenWas ist ein Schusselspiel??
AntwortenLöschenLangsam fällt jetzt Blatt für Blatt
Von den bunten Bäumen ab.
Jeder Weg ist dicht besetzt
Und es Rascheln, wenn man geht.
Das hat unser Sohn so fein aufgesagt mit 5 Jahren.
Liebe Grüße