Donnerstag, 25. März 2021

Mariechen und der Osterhase

 


Mariechen ging mit tief gesenktem Kopf nach Hause. Heute war sie zum ersten Mal in der neuen Schule und die Kinder waren gar nicht nett zu ihr.

Mariechen konnte sich nicht erklären, warum das so war. Sie hatte sich doch bemüht, zu allen freundlich zu sein. Ansonsten hatte sie sich still verhalten, um erstmal abzuwarten, wie es in dieser Schule so zuging. 

Einige Mädchen aus ihrer Klasse gingen kichernd an ihr vorbei und stießen sich gegenseitig an und sie hörte sie sagen: " Hast du ihr Kleid gesehen, das hat sie wohl aus dem Kleidercontainer." 

Mariechen wurde rot und versuchte die Tränen zu unterdrücken. Mama hatte sich soviel Mühe gegeben , als sie das Kleid genäht hatte. Dann hatte sie Mariechen angeschaut und sehr ernst gesagt. "Nicht die Kleidung macht den Menschen, sondern wie er sich benimmt."  Mariechen sah den Mädchen in ihren hübschen Markenkleidern nach, die benehmen sie nicht besonders gut, dachte sie trotzig. Mama und sie waren nun einmal sehr arm, seit Papa eine neue Familie hatte.

Dass Papa nicht mehr da war, das war ja schon schlimm genug. Jetzt kam noch der Umzug dazu, die neue Schule und die Geldnot. "Weißt du Mariechen", sagte Mama oft. "Wir haben noch uns und das ist das Wichtigste, stimmt's?"

Das war richtig, obwohl sie beide Papa sehr vermissten, oft hörte sie Mama nachts weinen und am Morgen zeigte sie immer so ein tapferes Gesicht und gerade, weil sie es so schwer hatte, war sie richtig wütend auf die Mädchen, die sich über ihr Kleid lustig gemacht hatten. 

Als Mariechen am nächsten Tag wieder zur Schule ging, überholte sie Anne, ein Mädchen aus ihrer Klasse. Sie grüßte freundlich, verlangsamte das Tempo und ging eine Weile neben Mariechen her. Die traute sich nicht, ein Wort zu sagen, aus Angst, dass Anne es gegen sie verwenden würde. Also schwiegen beide Kinder.

Als sie vor der Schule standen fragte Anne: "Willst du dich neben mich setzen, ich sitze auch alleine in einer Bank. ?" "Schämst du dich denn nicht?" "Warum denn?" "Wegen meinem Kleid." " So ein Unsinn, dein Kleid ist doch hübsch."  "Meine Mama hat es genäht." "Dann ist es besonders hübsch." Die Mädchen lächelten sich an und gingen gemeinsam ins Klassenzimmer.

Ganz anders fühlte sich der Unterricht an mit einer Freundin an der Seite. Mariechen wurde immer munterer, zeigte auf und erzählte sogar ein bisschen von sich, als die Lehrerin sie etwas fragte.

Eines Tages, als Mariechen von der Schule nach Hause kam fand sie ihre Mutter weinend am Küchentisch. "Was ist los?" Diese wollte zuerst nichts sagen, doch das Mädchen ließ nicht locker.Dann erfuhr sie, dass ihr Vater seit einigen Monaten den Unterhalt für Mariechen nicht gezahlt hatte und die Mutter nicht wusste wie sie das alles allein schaffen sollte. Weinend hielten sich die beiden umschlungen, dann schob  Frau Baumann ihre Tochter sanft von sich und meinte energisch." so wir werden das schaffen, ich muss jetzt in die Arbeit und außerdem werde ich das Angebot von der Bürgermeisterin annehmen." "Mama, dann hast du ja neben deiner Arbeit im Supermarkt noch drei Putzstellen!"

" Ich bin jung und habe zwei gesunde Hände. Aber nun muss ich gehen, sonst komme ich zu spät." Nachdem die Mutter gegangen war saß Mariechen grübelnd am Küchentisch, dann sprang sie auf und griff zum Telefon. Zum Glück war ihr Vater dran und nicht die neue Frau.

 


"Schön, deine Stimmer zu hören Mariechen," "Ach ja, bist du sicher?" fragte Mariechen spöttisch und dann legte sie los; " du wohnst mit deiner neuen Familie in unserm schönen Haus, hast mir und Mama unsere Heimat genommen, Wir haben eine kleine Wohnung und Mama muss gerade neben ihrer Arbeit im Supermarkt die dritte Putzstelle annehmen, weil du seit Monaten keinen Unterhalt mehr für mich zahlst. Papa ich habe dich mal sehr geliebt, doch nun verachte ich dich nur noch." Sie legte den Hörer auf, denn ihr Vater sollte nicht mitbekommen, dass sie vor Kummer weinte.

Energisch trocknete sie die Tränen, schnäuzte sich die Nase und verließ das Haus. Sie wollte auf der großen Wiese vor dem Dorf einen schönen Blumenstrauß für ihre Mutter pflücken. Auf der Wiese angekommen ließ sich ins Gras fallen und die Arme um die angezogenen Beine geschlungen ließ sie ihren Blick über die grüne Insel, die voller Blumen stand, gleiten und ihre Laune besserte sich. 

Grinsend beobachtete sie eine Hummel, die  in eine Blüte schlüpfte, die gefährlich schwankte, zwei Heuschrecken hüpften um die Wette und bunte Schmetterlinge tanzten im Sonnenschein.

 

 


Ein Marienkäfer flog direkt auf sie zu und Mariechen streckte schnell die flache Hand aus. "Danke," schwer atmend ließ sich der Käfer nieder, "jetzt wäre ich doch tatsächlich abgestürzt."

Das Mädchen sah sich um. Ein Kichern ertönte. "Schau auf deine Hand."

 "Du kannst sprechen?" "Alle Tiere können sprechen , die Menschen verstehen sie nur nicht immer." "Und warum kann ich dich verstehen?" 

"Das hat wohl was mit dem Osterhasen zu tun, denn er hat mich geschickt, um dich zu seinem Fest einzuladen." "Der Osterhase feiert ein Fest ?" "Jedes Jahr, wenn der Osterhase und seine Familie mit der wochenlangen Arbeit fertig  und alle bunten Eier auf die Wagen geladen sind, um an Ostern verteilt zu werden, dann wird im Wald ein großes Fest gefeiert und alle sind eingeladen. Komm mit!"

Das Mädchen folgte dem Käfer in den Wald. Schon von weitem hörte sie Grillen zirpen, Vögel singen und fröhliches Lachen. Sie erreichten eine Lichtung auf der Waldtiere aller Arten, tanzten, sprangen oder an den langen Tische saßen, die voll bepackt mit den herrlichsten Dingen waren. Ein großer Hase winkte sie zu sich heran. Der Marienkäfer war bereits zu seinen Freunden geflogen.

" Hallo Mariechen, ich habe dich schon erwartet." Er führte sie zu einer etwas ablegenen Bank und forderte sie durch ein Handbewegung zum Sitzen auf. "Du kennst mich?" "Aber sicher, "lachte der Hase, "du hast dir doch jedes Jahr ein ganz besonders großes Ei aus Marzipan gewünscht." Mariechen strahlte." Und du hast mir jedes Jahr meinen Wunsch erfüllt und es immer an einem ganz besonderen Platz in unserm großen Garten versteckt." Das Gesicht des Mädchens wurde traurig. " Wir wohnen jetzt nicht dort, Papa mit seiner neuen Familie lebt nun in dem großen Haus mit Garten und wir wohnen hier in einer kleinen Dachwohnung, da wirst du mich nicht an Ostern besuchen können." "Warum denn nicht?" "Können Hasen klettern?" " Na hör mal, ich bin der Osterhase!" Mariechen musste lachen.

Der Osterhase stellte sie nun seiner Frau und seinen Kindern vor und alle baten sie doch mitzufeiern. Als dann das Mädchen nach Hause ging, legte der Osterhase seine Pfote auf ihre Schulter und sagte ernst: "Mariechen denke daran, wenn im Moment auch tiefschwarze Wolken in deinem Leben sind, so wird doch eines Tages auch wieder die Sonne scheinen."

Etwas kitzelte sie an der Nase und ein kleiner Marienkäfer flog davon, als sie die Augen öffnete. Da war sie doch tatsächlich mitten auf der Wiese eingeschlafen. Schnell sprang Mariechen auf, pflückte einen großen Strauß und eilte nach Hause.

Eine Woche vor Ostern kam ein großes Kuvert von ihrem Vater. 

Bange sahen sich Mutter und Tochter an. Entschlossen öffnete Frau Baumann das Kuvert und zog einen Scheck heraus. Als sie ihn studierte, rief sie überrascht: "Das ist der ganze ausstehende Unterhalt und sogar etwas mehr!" "Vielleicht ein Ostergeschenk," kicherte Mariechen. "Was ist denn noch in dem Kuvert?" 

Ihre Mutter zog einige zusammengehefteten DINA 4 Seiten heraus und begann zu lesen und wurde ganz blass. "Was ist denn," das Mädchen beugte sich über die Schulter der Mutter und begann zu lesen. 

"Das ist ja eine  Besitzurkunde auf unsere Namen über ein kleines Haus mit Garten," rief sie überrascht und las weiter. "Erlenweg 19, das kenne ich! Es ist ein richtiges Pfefferkuchenhaus mit grünen Fensterläden und im Garten stehen zwei Obstbäume. Es gehörte Frau Eisner, die lebt jetzt in einem Seniorenheim und die Erben wollen das Haus verkaufen wie Anne mir erzählte, Anne lebt ja auch in dieser Straße, dann werden wir ja Nachbarn." Mariechen runzelte die Stirn," aber woher wusste den Papa, dass das Haus zu verkaufen ist?"

Die Mutter hatte inzwischen einen Brief in der Hand und gemeinsam begannen sie zu lesen.

Herr Baumann entschuldigte sich, dass er nicht bemerkt habe, dass der Dauerauftrag  nicht mehr ausgeführt wurde, doch nun sei alles wieder in Ordnung und würde in Zukunft auch so bleiben.

Was er nicht erzählte, war, dass seine Frau ohne sein Wissen einfach den Dauerauftrag gekündigt und es deshalb einen großen Krach gab.

Außerdem habe er nachdem Mariechen ihn angerufen und ihm ihre schlimme Lage geschildert hatte, ein schlechtes Gewissen bekommen. Er hatte nicht nur ihre Familie zerstört, er hatte es auch hingenommen, dass sie auf alles verzichteten, obwohl ihnen doch die Hälfte des Hauses und Grundstücks zustanden. Deshalb habe er im Internet recherchiert und hätte dieses Haus gefunden. Er hofft, dass sie ihm eines Tages verzeihen würden und dass Mariechen ihn nicht mehr verachte.

"Du hast deinem Vater gesagt, dass du ihn verachtest?" Mariechen zuckte verlegen mit den Schultern. "Naja, ich war so wütend, als er die Unterhaltszahlungen nicht mehr schickte und habe ihn angerufen. 

Die Mutter lachte so froh wie seit langem nicht mehr, umarmte ihre Tochter und rief vergnügt. " Komm gehen wir zu unserm Haus!"

(c) Lore Platz

 









4 Kommentare:

  1. Ein echtes Ostermärchen Lore. Toll!!!

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  2. Manchmal werden Märchen wahr, liebe Lore,
    eine sehr schöne Geschichte mit Happy End, die mir sehr gefällt!
    Herzliche Grüße
    Regina

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  3. Oh, ich glaube, ich bin nun neugierig auf das weitere Leben von Mariechen.
    Mal sehen, wie wohl die Anne aussieht?
    Liebe Lore, du hast doch gewiss weitere Ideen herzlich grüßt Deine Zeichnerin Monika

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