Freundschaft ist sehr wichtig, doch selten halten Kinderfreundschaften ein Leben lang.
Ich hatte eine Freundin, die war zwei Jahre jünger und da unsere Eltern befreundet waren, kannte ich sie schon als Baby. Immer wenn ihre Eltern zu Besuch kamen spielten wir den ganzen Tag zusammen und abends durften wir im gleichen Bett schlafen und sie bekam nie genug von den Geschichten die ich mir für sie ausdachte.
Doch als sie dann heiratete verloren wir uns aus den Augen.
Doch nun viel Spaß beim Lesen!
Als
Ingelore am nächsten Tag in die Villa kommt muss sie ihren Kakao mit
Andrea allein trinken.
Etwas
sehnsüchtig sieht sie später auf den verwaisten Sessel und das
dicke Buch auf dem Tischchen.
Andrea,
die den Blick bemerkt hat, lächelt.
„Meine
Mutter muss heute etwas wichtiges erledigen, aber ich habe eine
schöne CD mit Weihnachtsliedern.“
Und
bald klingen die herrlichen Töne durch das adventlich geschmückte
Zimmer.
Frau
Naumann aber steht mit einer großen Tasche in der Hand vor dem
ärmlichen Häuschen von Ingelores Oma und klopfte kräftig an die
Tür.
Die
alte Frau öffnet und sieht sie stumm an.
„Willst
du mich nicht herein bitten, Marga?“
Diese
dreht sich um und geht in Küche.
Frau
Naumann folgt ihr schmunzelnd.
Sie
zieht ihren eleganten Mantel aus legt ihn auf das Sofa neben dem Ofen
und setzt sich an den Tisch.
Marga
hat ihr den Rücken zugewendet und hantiert mit etwas herum.
„Möchtest
du Tee?“
„Gerne!“
Bald
stehen zwei dampfende Tassen vor ihnen und die alte Frau hat ihr
gegenüber Platz genommen.
„Nun
Marga, morgen ist Nikolaus und ich werde deiner Enkelin ein Paar
Winterschuhe schenken, das will ich dir nur sagen, damit du aus
deinem dummen Stolz heraus, dem Mädel nicht die Freude verdirbst.“
Marga
presst unwillig die Lippen zusammen, doch
dann grinst sie.
„Christiane
versuchst du wieder einmal mit mir dein Pausenbrot zu teilen?“
Die
beiden prusten los, wie zwei junge Mädchen und der Bann ist
gebrochen.
Und
nun geht es ans erzählen, von früher, als sie noch Freundinnen
waren.
„Weißt
du?“ meint Marga versonnen, dass diese vier Jahr mit dir, meine
schönsten Jahre waren?“
Christiane
erschrickt ein wenig, sie war immer mit Liebe umgeben gewesen, und
als sie ins Gymnasium kam hatte sie sofort viele neue Freundinnen
gefunden und das kleine Mädchen aus der Dorfschule bald vergessen.
Aus
einem Impuls heraus meint sie.
„Marga,
lass uns unsere Freundschaft wieder erneuern. Wir sind beide nicht
mehr jung und diesmal wollen wir keine Minute vergeuden.“
Sie
reicht ihr die Hand und nach kurzem zögern schlägt diese ein.
Christiane
aber greift in die Tasche und zieht ein Wollknäuel heraus.
„Ich
möchte dich und Ingelore, die wir sehr ins Herz geschlossen haben
für Heilig Abend zu uns einladen. Einen Wintermantel habe ich für
deine Enkelin gekauft, er ist rot mit einem weißen Pelzkragen. Da du
doch immer so schöne Handarbeiten
machen konntest, dachte ich mir, du strickst für das Mädchen einen
Schal, eine Mütze und Handschuhe dazu, vielleicht langt die Wolle
auch noch für einen Muff.“
Marga
nimmt die Wolle und hält sie an ihre Wange.
„Schön
weich.“ murmelt sie.
Christiane
lächelt.
„Erinnerst
du dich noch, wie du für mich immer die Handarbeiten gemacht hast,
wenn ich sie mal wieder total verkorkst hatte?“
Sie
lächeln sich an.
„Übrigens
hat Ingelore deine geschickten Hände geerbt, du sollst sehen welch
herrliche Sterne sie gemacht hat für den Weihnachtsbasar. Überhaupt
erinnert sie mich oft an dich, sie ist dir sehr ähnlich.“
Marga
sieht stumm in ihr Tasse Tee, dann bricht es plötzlich aus ihr
heraus.
„ Ach
Christiane, ich habe alles falsch gemacht!
Ich
habe Ulli geheiratet weil er so fröhlich war und es ihm gelang mich
zum Lachen bringen. Du weißt wie streng und ernst mein Vater war und
meine Mutter, die sich nie den Mund aufmachen traute.
Doch
Ulli war ein Bruder Leichtfuß, dem das Geld nur so zwischen den
Fingern verrann und wenn ich ihm Vorhaltungen machte, dann lachte er
nur. Dann kam meine Dorle auf die Welt. Sie war ein so schönes Baby
und ich liebte sie vom ersten Moment an. Ulli vergötterte seine
hübsche Tochter und sie ihn. Er verwöhnte sie wie eine kleine
Prinzessin und wenn ich schimpfte, dann war ich immer die böse Mama.
Als
Ulli dann verunglückte hat Dorle sich total verändert. Sie redete
nicht mehr mit mir und fing an sich mit Jungs herumzutreiben und dann
verschwand sie eines Tages bei Nacht und Nebel.
Zehn
Jahre später stand sie dann plötzlich mit Ingelore vor meiner Tür.
Ich war so verbittert und habe ihr die Tür vor der Nase
zugeschlagen. Und kurz darauf war sie tot!“
Plötzlich
fängt Marga zu weinen an, immer heftiger strömen die Tränen aus
ihren Augen, als hätte sich ein Damm gelöst und die seit vielen
Jahre zurückgehaltenen Tränen losgelassen.
Christiane
sitzt ganz still da und legt nur ihre Hände über die verarbeiteten
alten Hände ihrer Freundin.
Als
das Schluchzen langsam weniger wird, reicht sie Marga ein
Taschentuch.
Diese
trocknet sich die Tränen und schnäuzt kräftig und steckt es in
ihre Schürze, dann lächelt sie.
„Du
bekommst es wieder, wenn ich es gewaschen habe, aber vielleicht
behalte ich es auch, denn so ein schönes Taschentuch hatte ich noch
nie.“
Christiane
aber nimmt ihre Hand und sieht sie eindringlich an.
„Marga,
wenn wir unsere Kinder zum ersten Mal im Arm halten, dann wissen wir
nicht, ob wir immer alles richtig machen und was im Leben auf sie zu
kommt und ob wir sie immer vor allem beschützen können. Deine Dorle
hat den unruhigen Geist deines Mannes geerbt und sie ist ständig
einem Glück nachgejagt, das es gar nicht gibt.
Dort
wo sie jetzt ist, hat sie sicher ihren Frieden gefunden.“
„Ich
weiß nicht, ob es in der Hölle so friedlich ist!“ meint Marga
bitter.
„Marga,
wie kommst du denn auf die dumme Idee, dein fehlgeleitetes Kind wäre
in der Hölle!“
„Durch
Pfarrer Broderick, er war kurz nach Dorles Tod bei uns und wetterte,
dass meine Tochter nicht auf seinem Friedhof beerdigt werden würde.
Eine so sündhafte
Person, die sicher in der Hölle schmort, wäre eine Beleidigung für
die vielen aufrechten und ehrlichen Bürger die dort beerdigt wären.“
Christiane
schnaubt und flucht:
„So
ein verdammter Idiot! Ich konnte den Broderick noch nie leiden, ein
Glück dass er in Pension ist, dieser aufgeblasene Wichtigtuer!“
Magda
sieht sie verwundert an, dann grinst sie.
„Christiane
hast du soeben deine gute Erziehung vergessen?“
Die
beiden prusten los wie zwei Teenager.
Doch
dann wird Marga wieder ernst.
„Das
schlimmste aber war, dass Ingelore auf einmal in der Tür stand und
alles mit angehört hat.
Du
musst aber nicht glauben,der alte Pfarrer wäre verlegen geworden und
hätte freundlich zu dem Kind gesprochen. Nein, jetzt ging er auf
Ingelore los, beschimpfte sie als Heidenkind, weil sie nicht getauft
war und Kind der Sünde, das einmal neben ihrer Mutter in der Hölle
schmoren würde.
Wochenlang
hatte die Kleine danach Albträume.“
Christiane
schwieg erschüttert.
„Wo
liegt denn nun dein Dorle?“
„Ich
habe in der Kreisstadt ein Urnengrab gekauft.“
Christiane
nickt ernst und meint dann:
„Der
neue Pfarrer Gietl ist ein moderner aufgeschlossener Mann, vielleicht
kann man mit ihm reden und dein Dorle hierher überführen lassen.“
Margas
Augen leuchten auf.
Lange
noch reden die beiden Freundinnen miteinander und als Ingelore nach
Hause kommt, ist sie ganz erstaunt Frau Naumann bei ihrer Oma zu
sehen.
Diese
verabschiedet sich und während sie nach Hause geht, denkt sie, wie
viel die kleine Ingelore in ihren neun Jahren schon mitmachen
musste
und trotzdem so ein wunderbares Geschöpf war. So stark wie ihre Oma.
Morgen geht es weiter
Ach wie schön Lore!
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