Donnerstag, 23. November 2023

Wie Ingelore Weihnachten fand Teil 3

          

                                                                      bonmomo

Weihnachten ist ja meine liebste Zeit und bedeutet auch Hoffnung und Liebe.
Lasst euch mit meinen Geschichten ein Licht anzünden und den grauen Alltag erhellen.
Nun geht es aber weiter mit Ingelore




 
Am nächsten Tag liegt wirklich eine dicke Schneedecke über dem Land.
Ingelore schippt den Weg zum Gartentor frei, bevor sie frühstückt.
Dann schnappt sie sich ihre Schultasche und macht sich auf den Weg.
Unterwegs trifft sie ein paar Mitschülerinnen und sie liefern sich eine fröhliche Schneeballschlacht.
Nach dem Unterricht nimmt Fräulein Naumann sie zur Seite und fragt sie, ob sie nicht mit ihr für den Weihnachtsbasar, der am 4. Advent vor der Kirche stattfand, etwas basteln wollte.
Ingelore strahlt, doch dann meint sie zaghaft:
Ich weiß nicht, ob Oma es erlaubt.“
Dann frag sie doch einfach. Ich erwarte dich um 15 Uhr.“

Pünktlich um 15 Uhr klingelt es an der Villa Naumann und Gretchen, das Hausmädchen lässt Ingelore ein, führt sie in den Salon, wo Mutter und Tochter Naumann Tee trinken.
Ingelore bekommt einen Kakao und ein Stück Gugelhupf, dann geht Andrea mit ihr ins Arbeitszimmer.
Immer wieder staunt die Lehrerin welch wunderschöne Gebilde unter Ingelores Händen entstehen.
Es klopft leise und Frau Naumann trittt herein, 
unter dem Arm trägt sie ein dickes großes Buch.
Seht einmal, was ich gefunden habe. Andrea, dein Buch mit Weihnachtsgeschichten. Soll ich euch daraus vorlesen?“
Sie setzt sich auf den bequemen Sessel, schiebt die Brille auf die Nase und beginnt mit ihrer weichen angenehmen Stimme zu lesen:


 
Der Schneemann, der spazieren gehen wollte.


Die kleine Franziska, kurz Franzi, genannt, kniet auf der Fensterbank und drückt ihre Nase an die Scheibe.
Mama, es schneit!“ ruft sie glücklich und beobachtet staunend die dicken weißen Flocken die dicht und gleichmäßig vom Himmel fallen.
Bald liegt der Garten vor dem Hochhaus unter einer weißen Decke. Auch der Zaun trägt weiße Häubchen und die kahlen Äste der großen Kastanie sehen aus, als hätte man Puderzucker darüber gestreut.
Friedel, ihre Freundin aus dem Nachbarhaus läuft in den Garten und winkt zu Franzi hoch.
Mama, darf ich in den Garten zu Friedel hinunter?“
Ja, aber zieh den Schneeanzug an und vergiss Mütze und Handschuhe nicht.“
Juchhuuuu!“ Das Mädchen springt von der Fensterbank, rennt in ihr Zimmer, zerrt den Schneeanzug aus dem Schrank und schlüpft hinein.
Die Stiefel stehen im Flur, dann stülpt sie sich noch die Mütze über die blonden Locken und schon knallt die Tür hinter ihr ins Schloss.
Friedel und ihr Bruder Klaus formen gerade eine große Kugel.
Wir bauen einen Schneemann,“ ruft das Mädchen Franzi zu.
Juchhuuuu!“ ruft diese und mit Feuereifer stürzt sie sich auf die immer größer werdende Schneekugel und zu dritt wälzen sie diese durch den Garten.
Bald ist sie dick genug und der Bauch des Schneemanns ist fertig.
Eine etwas kleinere Kugel wird der Kopf.
Dann stehen die Drei vor dem weißen Gesellen und sehen sich ihr Werk an.
Der alte Hausmeister, der den Gehweg frei gefegt hat, kommt zu ihnen herüber.
Auf seine Schneeschippe gestützt betrachtet er den Schneemann und nuschelt.
Toll habt ihr das gemacht, aber da fehlt noch einiges.“
Friedel, die den alten Mann sehr gern hat, schimpft er doch nie mit den Kindern, wenn sie mal zu laut waren, nickt ernsthaft.
Er hat kein Gesicht!“
Der alte Mann schiebt die Mütze zurück und kratzt sich am Kopf.
Früher haben wir immer Kohlen für die Augen genommen, aber bei den Zentralheizungen heutzutage, gibt es ja fast keine Kohlen mehr.
Kommt mal mit!“
Er führt die Kinder in den Keller zu dem großen Raum, in dem er sein Werkzeug und all die Dinge, die er als Hausmeister so braucht, untergebracht hat.
Er wühlt in einer Kiste und zieht einen Schraubenzieher heraus, der schon etwas stumpf ist, aber einen dicken roten Griff hat.
Was meint ihr, ginge der als Nase.“
Ja!“ rufen die Kinder wie aus einem Mund und der alte Xaver reicht ihn an Klaus weiter.
Sieh mal, dort drüben steht ein alter Besen, der nur noch wenig Borsten hat, hol ihn mal her.“ meint er zu dem Jungen.
Dann beugt er sich wieder über die Kiste und zieht einen verbeulten Eimer hervor, den er Friedel in die Hand drückt, die ihn sofort mit beiden Armen umschlingt.
Das wäre der Hut, aber was nehmen wir für die Augen?“
Die Kinder sehen ihn erwartungsvoll an.
Xaver kratzt sich am Kinn, dann lächelt er etwas verlegen, greift in die Hosentasche und zieht zwei Kastanien hervor.
Die trage ich eigentlich wegen meinem Rheuma mit mir herum, aber bis jetzt haben die mir noch nicht geholfen, da kann ich sie dem Schneemann wohl schenken.“
Er reicht sie Franzi, die sie vorsichtig in der Hand verschließt.
Dann verlassen die Vier den Keller und gehen zu dem Schneemann zurück.
Xaver hebt erst Franzi hoch, damit sie die Augen in das Gesicht drücken kann, dann Friedel, die den Blecheimer etwas schief auf dem Kopf platziert.
Klaus, der schon groß genug ist, steckt den Schraubenzieher mitten unter die Kastanienaugen und nun hat der Schneemann eine rote dicke Knollennase im Gesicht.
Überhaupt sieht er gut aus und als der Junge ihm noch den Besen in die Seite steckt, ist er perfekt.
Glücklich betrachten die Kinder ihr Werk.
Der Hausmeister ist bereits wieder auf der Straße, um weiter Schnee zu schippen.
Einige Freunde von Klaus kommen und wollen ihn mitnehmen zum rodeln.
Die Mädchen aber gehen noch zu Friedel zum Spielen.
Nun steht der Schneemann allein da. Immer gerade aus schauen ist doch langweilig.
Die Vögel im Futterhäuschen zwitschern, tschilpen und streiten sich um die Körner und machen soviel Lärm, dass er nicht versteht was sie sagen.
Eine Katze kommt auf ihn zu, ihre Pfoten hinterlassen Abdrücke im frisch gefallenen Schnee. Sie schnuppert an ihm und wendet sich enttäuscht ab.
Ab und zu kommen Leute vorbei und freuen sich als sie den schönen Schneemann sehen und er versucht sich gleich aufrechter hinzustellen.
Er ist stolz auf die lobenden Ausrufe der Vorübergehenden.
Bald wird es dunkel, die Lichter in den Häusern verlöschen, die Straßen sind menschenleer, nur vereinzelt brennen die Straßenlampen.
Auf einmal beginnt es wieder zu schneien und die kecken fröhlichen Schneeflocken setzen sich auf seinen Hut, seine Schultern und seinen dicken Bauch und sie erzählen ihm vom Wolkenschloss der Frau Holle aus dem sie kommen und einst, wenn sie verdunstet sind wieder zurück kehren werden.
Die Turmuhr der nahegelegenen Kirche schlägt zwölfmal. Mitternacht!
Plötzlich erscheint ein leuchtendes strahlendes Licht und eine wunderschöne Frau, ganz in weiß gekleidet, selbst die Haare sind weiß, kommt durch den Garten auf den Schneemann zu.
Ist das eure Frau Holle?“ flüstert der Schneemann.
Nein, das ist die Winterfee,“ wispern die Schneeflocken.
Das liebliche Wesen ist nun bei dem Schneemann stehen geblieben.
Nun lieber Schneemann, ich bin gekommen, um dir deinen Wunsch zu erfüllen.“
Wo,Wo, Woher weißt du von meinem Wunsch?“ stottert der Schneemann und wird ein wenig rot.
Das liebliche Wesen lächelt.
Ich weiß alles über meine Geschöpfe des Winters. Mitternacht ist die magische Stunde, in der Wünsche in Erfüllung gehen.“
Sie berührt ihn mit dem Zauberstab und auf einmal hat der Schneemann Arme und Beine. Er juchzt laut und springt auf und ab, wie ein Hampelmann. Der Besen liegt neben ihm im Schnee und der Hut rutscht ihm vom Kopf. Schnell hebt er beide Arme und drückt ihn wieder fest auf sein Haupt.
Die Winterfee hat ihn lächelnd beobachtet und die Schneeflocken, die bei dem Gehopse herunter gefallen sind, liegen kichernd auf dem Boden.
Nun lauf los und sieh dich um, wie es dein Wunsch war, aber denk daran, beim ersten Sonnenstrahl musst du wieder hier sein. Du willst doch nicht, dass die Kinder weinen, wenn du morgen verschwunden bist.“
Und der Schneemann läuft los, durch die menschenleeren Straßen, hinaus in den Wald.
Erst hier hält er an und verschnauft ein wenig.
Schön war es hier. Die Bäume von majestätischer Höhe trugen alle weiße Schneehäubchen und die weiße Decke auf dem Boden zeigte viele Spuren.
Ein Zeichen, dass der Wald nicht ohne Bewohner war.
Über ihm raschelt es und eine kleine Schneelawine fällt auf ihn herab.
Der Schneemann schüttelt sich und blickt nach oben.
Ein Eichkätzchen flitzt den Stamm hinunter und bleibt neben ihm sitzen.
Hallo, ich bin Erika und wie heißt du?“
Der Schneemann überlegt einen Moment.
Ich bin ein Schneemann, ohne Namen.“
Nun Schneemann ohne Namen, weißt du vielleicht, wo ich meine Wintervorräte versteckt habe?“
Dieser schüttelt den Kopf.
Es ist zu dumm, eben bin ich aufgewacht, weil ich Hunger habe und mir will einfach nicht einfallen, wo ich mein Versteck habe. Dann muss ich wohl zum Futterplatz.“
Was ist ein Futterplatz?“
Der Förster und seine Gehilfen haben eine Futterkrippe errichtet, um den Waldtieren den Winter zu erleichtern. Komm mit Schneemann ohne Namen, hast du Hunger.“
Nein, wir Schneemänner müssen nicht essen.
Aber ansehen würde ich mir so eine Futterkrippe gerne.“
Gemeinsam gehen sie nun durch den Wald.
Auf einmal hören sie ein Schnaufen und Prusten hinter sich und erschrocken springen sie zur Seite, als ein kräftiger Keiler an ihnen vorbei prescht.
Eine Truppe Hasen hoppelt herbei.
Habt ihr das gesehen, dieser ungehobelte Kerl, beinahe hätte er meinen kleinen Tom zu Tode getrampelt!“ empört sich die Hasenmutter.
Der Schneemann, der noch nie einen Hasen gesehen hatte, betrachtet sie aufmerksam.
Das Eichkätzchen stellt ihm nun Gerlinde und ihre Kinder, Tom, Walburga, Bernhard und Kasper vor.
Und das ist Schneemann ohne Namen.“
Guten Abend, Schneemann ohne Namen, „ ertönt es im Chor.
Dieser verneigt sich, wobei er vorsichtshalber seinen Hut festhält und gemeinsam geht die kleine Gesellschaft weiter durch den Wald.
An der Futterkrippe sehen sie das Wildschwein, das einen großen Eimer umgeworfen hat und nun schmatzend und schnaufend in dem Futter wühlt.
Nicht weit davon steht ein Hirsch mit einem stattlichen Geweih und wirft ab und zu einen verächtlichen Blick auf das Wildschwein.
Von ihm verdeckt stehen einige Rehe, die immer wieder einen scheuen Blick auf den Keiler werfen und dabei vorsichtig mit ihrem weichen Maul das Heu aus der Raufe rupfen.
Die Hasen schlagen einen großen Bogen um das gefräßige Tier und verstecken sich auch hinter dem Rücken das Hirsches.
Der Keiler aber beachtet sie gar nicht. Er hat bis auf den letzten Krümmel alles aufgefressen, dreht sich um und verschwindet laut grunzend im Wald.
Erleichtert atmen die Tiere auf und nun kann sie Erika mit dem Schneemann bekannt machen.
Sie erzählt ihnen, dass die Winterfee ihm erlaubt hat sich ein wenig umzusehen aber er beim ersten Sonnenstrahl wieder zu Hause sein muss.
Der Schneemann erlebt nun ein paar herrliche Stunden mit seinen neuen Freunden. Es wird viel erzählt und gelacht.
Dann sieht der Hirsch zum Himmel und meint.
Bald geht die Sonne auf. Du musst nach Hause Schneemann ohne Namen.“
Alle verabschieden sich nun von ihm und begleiten ihn noch ein Stück. Das Eichkätzchen aber führt ihn aus dem Wald und als der Schneemann den Kirchturm sieht, weiß er wohin er laufen muss.
Und als die Sonne aufgeht und ihre ersten Strahlen auf die Erde sendet, steht der Schneemann wieder ohne Arme und Beine, still und stumm im Garten. Nur der Besen liegt neben ihm im Schnee.“


Frau Naumann schließt das Buch und legt es neben sich auf das kleine Tischchen. Sie nimmt die Brille ab und lächelt Ingelore an.
Hat dir die Geschichte gefallen?“
Das Mädchen nickt mit strahlenden Augen.
Sein Blick gleitet zum Fenster, wo große Schneeflocken vom Himmel fallen und es springt auf.
Ich muss nach Hause!“
Aber warum so schnell?“

An der Tür dreht sich das Mädchen um.„Ich will einen Schneemann bauen!“

Das Lachen der beiden Frauen verfolgt sie bis auf die Straße.


Daheim angekommen, steckt sie kurz den Kopf durch die Tür und ruft:
Oma, ich bin wieder da!“
Bald steht ein großer stattlicher Schneemann im Garten.
Später als Ingelore mit Minka im Arm im Bett liegt, denkt sie vor dem Einschlafen.
Ob mein Schneemann heute Nacht auch spazieren geht?“ 

Morgen geht es weiter 

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