Freitag, 25. September 2020

Margrittli mag ihren Namen nicht










Margrittli mag ihren Namen nicht



Lustlos mit gesenktem Kopf trottet Magrittli nach Hause.
Heute haben sie wieder gelacht in der Schule, als die Lehrerin sie aufgerufen hat. „Margrittli, komm an die Tafel!“
Und Elke und Renate haben sofort gekichert und leise 'Margriiiiitliiiii' nachgeahmt und alle ringsum fingen zu lachen an.
Mit hochrotem Kopf war Magrittli zur Tafel gestampft, am liebsten hätte sie das Klassenzimmer verlassen.
Niemand in der ganzen Schule hieß Magrittli, nur sie, oh wie sie diesen Namen hasste.
Beim Mittagessen fragt sie ihre Mutter, ob sie nicht einen anderen Namen haben könnte.
Die Mutter lacht: „Aber dein Name ist doch wunderschön, du heißt nach deiner Patin, die du doch so gerne magst.“
Die Achtjährige seufzt, sicher mochte sie Mamas Freundin, die in der Schweiz lebt und ihre Patin ist, aber …
Nachdem Margrittli die Hausaufgaben gemacht hat, läuft sie hinaus in den Garten.
Sie setzt sich unter den großen Kirschbaum und lehnt den Kopf an den Stamm und beobachtet ein Schnecke, die mühsam ihr Schneckenhaus durch das Gras schleppt.
 
 

 



Über sich hört sie zeternde Stimmen.
Das Mädchen blinzelt kann aber nur zwei Amseln erkennen.
Wieso musst du schon wieder weg, du kannst ruhig auch mal auf die Kinder aufpassen.“
Aber liebste Isolde, ich muss doch Nachbar Fridolin helfen, er hat Schwierigkeiten sein Nest zu bauen und will doch bald seine Liebste heimführen.“
Ach, dann geh doch, aber komme nicht zu spät nach Hause!“
Herr Amsel in seinem schönen schwarzen Anzug fliegt davon.
Seine Frau schimpft noch eine Weile vor sich hin, dann begibt sie sich zu ihren Kindern, die sich liebevoll an sie kuscheln.
 
 

 
 
Margrittli kichert.
Schön, dass du wieder lachen kannst, deine gerunzelte Stirn sah ja gar nicht gut aus. Weißt du nicht, dass man vom Ärger Falten bekommt?“
Eine wunderschöne Fee lässt sich neben dem Mädchen ins Gras sinken.
Was bedrückt dich?“
Mein Name, ich heiße Margrittli und alle lachen darüber.“
Aber das ist doch ein wunderschöner Name und es ist einer der vielen Namen meiner Lieblingsblume.“
Was ist denn deine Lieblingsblume?“

 

 

 

Ich glaube hier nennt man sie Gänseblümchen!“

Pah, ich heiße also wie ein Unkraut!“
Das Gänseblümchen ist keineswegs ein Unkraut! Auch wenn sie klein und bescheiden ist, so ist sie doch eine sehr wichtige Pflanze, die viele Krankheiten heilen kann.
Die Fee schnippt mit dem Finger und in ihrem Schoß liegen plötzlich viele der weißen kleinen Sternchen.
Liebevoll streicht das schöne Wesen über die Blüten und reicht dem Mädchen ein Blümchen.
Weißt du die lateinische Übersetzung heißt 'ewig schön', denn das Gänseblümchen blüht fast das ganz Jahre und wenn die Menschen es auch noch so oft zerstören, es ist stark und unermüdlich, lässt sich niemals unterkriegen.
Du siehst also, du wurdest nach einer ganz besonderen Blume benannt.
Weißt du wie viele Namen die Menschen
noch für das bescheidene Blümchen haben, oh es gibt viele, Augenblümchen, Himmelsblume, Marienblümchen, Maßliebchen, Mondscheinblume, Regenblume und Tausendschön und natürlich Magrittli.
Kennst du noch eine Blume, die so viele Namen hat.“
Das Mädchen schüttelt den Kopf.
Darum solltest du stolz auf deinen Namen sein.
Selbst Könige habe diese wunderbare Blume geliebt und verehrt und ihre Gräber enthielten oft einen goldenen Kopfschmuck, der mit Gänseblümchen verziert war. Und der französische König Ludwig IX. (1214 -1270) hat das Tausendschönchen mit der Lilie in sein Wappen aufnehmen und dazu einen Ring mit einem geflochtenem Blumenkranz anfertigen lassen.“
Sinnend betrachtet das Mädchen, wie die Fee mit flinken Fingern aus den Blüten einen Kranz flechtet.
Magrittli schmunzelt und auf einmal ist sie richtig stolz auf ihren Namen, es war doch nebensächlich ob Renate und Elke sich lustig drüber machen und feige will sie bestimmt nicht sein, nein, wie will genau so stark und tapfer sein, wie die Blume, der sie ihren Namen verdankt.
Die Fee lächelt sie liebevoll an, als hätte sie ihre Gedanken erraten und setzt ihr den Blütenkranz auf.
Dann ist sie auf einmal verschwunden.
Verwirrt blickt Magrittli um sich, sie ist wohl eingeschlafen, neben ihr liegt ein Blütenkranz aus Gänseblümchen und dann hat das Mädchen eine Idee.
Schnell läuft es ins Haus, holt ihr Heft aus der Schultasche, kramt ihren Stift aus dem Federmäppchen und beginnt zu schreiben.

Am nächsten Morgen kommt sie etwas früher zur Schule und passt ihre Lehrerin ab und hat eine längere Unterredung mit ihr.
Und so kommt es, dass Magrittli einen Vortrag über das Gänseblümchen, von dem sie ihren Namen hat, halten darf.
Und seitdem macht sich niemand mehr über ihren Vornamen Magrittli lustig.

(Lore Platz)