Freitag, 4. September 2020

Ein tolles Geburtstagsgeschenk

 

 
 
 
Ein tolles Geburtstagsgeschenk

Lena blickte sich verwirrt um. Hatte sie nicht gerade noch von ihrem Geburtstag geträumt, von leckerem Kuchen mit klebrigen Zuckerguss? Aber warum saß sie auf dieser Autorückbank und war gar nicht in ihrem kuschligen Bett?
Sie konnte sich gar nicht erinnern und der Fahrer am Steuer kam ihr auch nicht bekannt vor. Hatte man sie entführt?
Sie ist wach!", sagte der fremde Mann und sofort schaute die Beifahrerin sich zu Lena um. Es war Oma Hilde. Gott sei Dank! 
Das Mädchen richtete sich auf. „Oma? Was ist los, wie komme ich hierher?" 
Du hast so fest geschlafen, Kind! Hast du denn gar nichts mitbekommen?" Oma Hilde sah Lena erstaunt an.
Dein Vater hat angerufen. Dein Brüderchen ist geboren und wir sollen sofort kommen. Da war Herr Schulze, mein Nachbar, so freundlich und fährt uns." 
Lena strahlte, das Brüderchen, das so lange in Mamis Bauch gewachsen und von ihr ungeduldig erwartet wurde, war endlich da und sie hatte geschlafen.
Wohin fahren wir, zu Mami ins Krankenhaus?" 
Ja klar! Aber zuerst mal ...", Oma Hilde fing an zu singen.
Zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag viel Glück, zum Geburtstag, liebe Lena, zum Geburtstag viel Glück!" Herr Schulze hatte mit seinem tiefen Brummbass mit eingestimmt. Lena lachte vor Vergnügen. Daran hatte sie ja noch gar nicht gedacht, heute war ihr Geburtstag und das Brüderchen war auch heute geboren, so ein Glück!
Danke für das schöne Ständchen, wollen wir drei das auch dem Brüderchen vorsingen? Weißt du Oma, dass mein Brüderchen und ich ja Zwillinge sind, wir haben schließlich am selben Tag Geburtstag."
Ja mit fünf Jahren Unterschied!" lachte die Großmutter. „Aber schön wird es doch, wenn ihr zusammen am selben Tag feiern könnt, das ist etwas ganz Besonderes und verbindet euch noch mehr."
Ja!", Lena saß ganz still und ihre Augen glänzten, „Ich will es sehr lieb haben das Brüderchen und es immer beschützen."
Zu dieser frühen Morgenstunde war noch nicht viel los auf dem Besucherparkplatz des Krankenhauses. Herr Schulze parkte den Wagen und ließ Lena und ihre Oma aussteigen.
Ruft mich an, wenn ihr nach Hause wollt!", sagte er noch und ließ den Motor gleich wieder an.
Danke schön, vielleicht können wir aber auch mit Lenas Papa zurückfahren. Schaut, da steht sein Wagen!" Oma deutete auf den dunkelblauen Kombi, der gleich neben dem Eingang stand. 
Am Empfang fragten sie nach der Entbindungsstation und fuhren mit dem Aufzug nach oben. Papa kam ihnen schon mit strahlendem Gesicht auf dem Gang entgegen.
Lena sprang auf ihn zu. Papa hob sie auf seinen Arm und drückte sie.
Endlich ist er da, dein Bruder Leon!", flüsterte er ihr ins Ohr. Leon hieß er also, was für ein schöner Name. Lena war nun ganz gespannt darauf, ihn endlich zu sehen. 
Wenig später stand sie staunend vor dem winzigen Baby und war ein wenig enttäuscht.
Der ist ja so klein, mit dem kann ich gar nicht spielen?"
Dabei war ihr klar, dass er ja nicht fix und fertig auf die Welt kommen würde. Sie selbst war ja auch mal ein Baby gewesen, Mama hatte ihr in den letzten Wochen immer wieder davon erzählt. 
Komm mal her, meine Große!", sagte Mama und Lena schämte sich ein bisschen, dass sie Mama noch gar nicht beachtet hatte, die dort blass in ihrem Bett lag. 
Langsam schlenderte das Mädchen hinüber und blieb mit gesenktem Kopf vor dem Bett stehen. Sie wickelte eine Strähne ihres langen Haares um den Finger, wie sie das immer machte, wenn sie verlegen war.
Schau mich an, Lena."
Diese hob den Kopf und in ihren Augen funkelten Tränen. 
Schatz, du musst doch nicht traurig sein!", sagte die Mutter und klopfte auf die Bettdecke. "Setz dich zu mir!"
Ach, wie gut das tat, in Mamas weichen Armen zu liegen und sich trösten zu lassen. Mama roch so gut, alles war vertraut und gleich fühlte sich das Leben wieder besser an.
Als Mama dann Papa auftrug, den kleinen Leon aus seinem Bettchen zu nehmen und Papa den Kleinen in Lenas Arme legte, war Lenas Welt wieder in Ordnung. 
Glücklich sah sie auf das kleine Bündel. 
Wenn du nach Hause kommst, kleiner Bruder, dann werde ich dir was schenken!", sagte sie und streichelt vorsichtig mit einem Finger die Wange des Säuglings.
Da öffnete der kleine Mann die Augen und sah sie aus blauen Augen an. 
Er hat mich verstanden," flüsterte Lena ehrfürchtig. Die Erwachsenen sahen sich lächelnd an.
Schau doch mal in meine Reisetasche, dort im Schrank. Da ist ein Geschenk für dich drin, Lena!" Mama drückte ihre kleine Tochter an sich. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und zum Brüderchen!", sagte sie leise.
Gespannt packte Lena das große Paket aus. Ein Freudenschrei!
Oh, eine Babypuppe! Wie schön sie ist!"
Mama lachte. „Jetzt haben wir beide ein Baby zu versorgen. Schau mal, es sind auch Windeln und Fläschchen dabei!" 
Ehrfürchtig betrachtete Lena die Puppe, dann trat sie an das kleine Kinderbettchen und zeigte ihrem Brüderchen das Puppenbaby.
Sieh nur, ich habe auch ein Baby und wenn Mami dich wickelt und füttert, werde ich auch mein Kind versorgen. Aber keine Angst ich habe euch beide ganz doll lieb, wie auch Mami uns beide liebhat. Und nächstes Jahr werden wir alle drei am selben Tag Geburtstag feiern, das wird ein Fest."
Der Kleine sah seine Schwester mit seinen schönen großen Augen an und die Erwachsenen lächelten gerührt.
Wie heißt dein Kind?", wollte Papa wissen.
Es ist ein Mädchen, sie heißt Leonie!", kam es wie aus der Pistole geschossen.

© Regina Meier zu Verl & Lore Platz