1944
in einem eisigen Winter flohen Millionen Menschen aus Pommern,
Schlesien und Ostpreußen vor den Russen.
Sie
müssen alles zurücklassen und viele starben unterwegs.Kleinkinder
und Kinder trifft es oft als erste.
Seltsam,
die Geschichte der Menschen wiederholt sich immer wieder aufs neue,
nur die Kulissen ändern sich.
Möpschen
hat ein Geheimnis
Eine
alte Frau sitzt in einem gemütlichen Zimmer in einem altertümlich
etwas abgewetzten Lehnstuhl und ihre Augen sehen traurig ins Leere.
Seit
einigen Tag spürt sie, dass die Stimmung im Haus sich geändert hat.
Ihr
Enkel und seine Familie hatten sie damals aufgenommen, als ihr
geliebter Mann gestorben war.
Achtzig
Jahre ist sie nun und soviel ihrer Lieben hat sie schon verloren.
Geblieben
sind ihr nur noch ihr Enkel Andreas, seine warmherzige Frau Gisela
und die vierjährige Angelika.
Als
ihr Mann starb haben sie ihr ein Heim in ihrem Haus angeboten.
Ihr
Blick wandert zu dem Mops, der auf der Vitrine steht. Er ist fast so
alt wie sie, ein Ohr ist ein wenig abstoßen und die Farbe ist ganz
trüb geworden.
Sie
schließt die Augen und ihre Gedanken wandern in die Vergangenheit.
Vier
Jahre war sie alt, als sie im Oktober 1944 mit ihrer Mutter und Tante
Jutta flüchten mussten.
Verlassen
mussten ihr schönes Zuhause.
Die
Dienstboten hatten sie schon längst verlassen. Ihre Mutter und ihre
Tante hatten das nötigste auf den großen Schlitten gepackt.
Sie
zogen mehrere Kleider übereinander, denn es war bereits eisig kalt.
Wertvolles
konnten sie nicht mitnehmen, denn das würde nur unterwegs Diebe
anlocken.
Mama
trug nur ihren Ehering um den Hals versteckt unter den vielen
Pullovern, die sie trug.
Und
Tante Jutta, die gerne töpferte, hatte, nur Möpschen mit
genommen und ihn behütet wie einen kostbaren Schatz.
Sie
hatte sich sehr gewundert und erst viele viele Jahre später als sie
selbst nicht mehr jung am Bett ihrer sterbenden Tante stand, hatte
diese ihr leise das Geheimnis von Möpschen ins Ohr geflüstert.
Nachdem
die Augen der Tante sich für immer geschlossen hatten, nahm sie die
Keramikfigur an sich, wie diese es verlangt hatte.
Und
nun war sie seit vielen Jahren die Hüterin des Hundes und irgendwie
spürte sie, dass es an der Zeit ist sein Geheimnis zu lüften.
Leise
öffnet sich die Tür und das süße Gesicht ihrer Urenkelin späht
herein.
„Uri,
darf ich herein kommen?“
„Sicher.“
Die
Vierjährige stürzt ins Zimmer und in die Arme ihrer Urgroßmutter.
„Ich
bin soooo traurig Uri,“ schluchzt sie und umklammert den Hals der
alten Frau und drückt ihr nasses Gesicht an ihr Gesicht.
Liebevoll
streicht die alte Frau über das seidenweiche Haar der Kleinen und
wiegt sie sanft hin und her und als das Schluchzen leiser wird, fragt
sie liebevoll.
„Warum
bist du denn so traurig, mein Schatz.“
„ Ein
Mann hat eben einen Brief gebracht und Papa hat ganz grimmig geschaut
und hat zu Mama gesagt
jetzt
ist es soweit wir verlieren unser Haus.“
Wieder
rollen die Tränen über ihr Gesicht.
„Wenn
wenn wir kein kein Haus mehr haben müssen wir dann im Garten
schlafen.“
Die
alte Frau hebt das Kind von ihrem Schoß, steht auf, nimm ihre Hand
und meint fröhlich.
„Nein
das musst du nicht, komm wir wollen deine Eltern wieder fröhlich
machen.“
Von
der Kommode nimmt sie die Porzellanfigur und geht zusammen mit
Angelika ins Wohnzimmer.
Ihr
Enkel und seine Frau halten sich umschlungen und fahren auseinander,
als sie eintreten.
Gisela
wischt sich verlegen die Tränen aus den Augen.
Angelika
läuft zu ihrer Mutter und klettert auf ihren Schoß.
Die
Großmutter aber setzt die Figur auf den Tisch und sagt forsch.
„Ihr
werdet euer Haus nicht verlieren, Möpschen wird euch helfen, auch
wenn er leider dafür sterben muss.“
Entgeistert
starren die jungen Leute auf die Porzellanfigur, die sie oft
belächelt hatten weil die Oma sie so behütet hat.
Und
nun erzählt die alte Frau von Tante Jutta, die gerne töpferte und
deren Lieblingshund der Mops war und als sie den Schwarzsender
abhörte und erfuhr, dass die Russen kommen, da hat sie einen Mops
geschaffen, in den sie den Familienschmuck mitsamt der Besitzurkunde
verstecken konnte.
All
die Jahre hat sie ihn behütet.
Anfangs
konnte sie ihn nicht verkaufen, denn alle waren arm. Später hatte
sie sich eine neue Existenz aufgebaut und brauchte das Geld nicht.
Als
sie ihn mir übergab und sein Geheimnis verriet, meinte sie, eines
Tages wird die Zeit kommen, da du ihn brauchst, du wirst es spüren.
„Ich
denke dieser Tag ist jetzt gekommen.
Die
Zeiten sind schlecht, deine Firma hat pleite gemacht und du hast
deinen Arbeitsplatz verloren. Ihr steht kurz davor das Dach über dem
Kopf zu verlieren.
Einen
besseren Zeitpunkt kann es nicht geben.
Hol
ein großes weiches Handtuch und einen Hammer.“
Die
alte Frau wendet sich an ihre Enkelin.
„Hast
du noch von dem leckeren Kuchen, den du gestern gebacken hast, wie
wäre es wenn du dazu für uns alle einen schönen Kakao kochst und
Angelika will dir sicher helfen.“
Gisela
versteht, dass die Kleine nicht dabei sein soll, wenn die Figur
zertrümmert wird und geht mit dem Mädchen in die Küche.
Andreas
kommt zurück, wickelt die Porzellanfigur in das weiche Tuch und
schlägt drauf.
Die
alte Frau schließt die Augen und ein kleiner Schmerz durchzuckt sie,
zu lange war die wunderschöne Figur in ihrem Besitz gewesen.
Andreas
legt seine Hand auf ihre.
„Würde
es dir helfen wenn wir einen neuen Mops beschaffen?“ fragt er
mitfühlend.
Seine
Oma nickt und Tränen glitzern in ihren Augen.
„Schon
allein wegen Angelika, die ihn sicher vermissen wird.
Bestimmt
finden wir einen, der so ähnlich aussieht, aber nun mach schon das
Handtuch auf.
Ich
bin auch gespannt, wie unser Familienschmuck
aussieht.“
Ehrfürchtig
betrachten die beiden das glitzernde Collier, das passende Armband
dazu und einige goldene Ringe.
„Was
denkst du wie viel der Schmuck wert ist.?“
„Nun
die Diamanten sind echt und das Gold dürfte 24 Karat sein.
Morgen
gehen wir zum Juwelier und lassen ihn schätzen, vielleicht kennt er
sogar einen Käufer.
Ich
denke um die Hypothek abzulösen und deine Schulden zu zahlen, dürfte
es reichen.“
Andreas
fällt seiner Oma um den Hals.
„Na,
na zerdrück mich nicht, lass schnell die Scherben verschwinden, ich
höre Gisela und Angelika.
Auch
Gisela bewundert den Schmuck und Angelika sieht strahlend von einem
zum andern und freut sich, dass alle wieder glücklich sind und
lachen.
©
Lore Platz 25.11.2019