Freitag, 1. November 2024

Erinnerung an die, die uns voraus gegangen

Der mit der gestreiften Mütze ist Werner und die mit den Hörner auf der Mütze bin ich. Meine jüngste Schwester fehlt, die war noch ein Baby und der Junge im Hintergrund ist ein Freund der drei Brüder



 Heute ist Allerheiligen und in einigen Bundesländern war der Grab – Umgang.
Die Angehörigen der Verstorbenen stehen an ihren Gräbern und warten auf den Pfarrer, der begleitet von zwei Ministranten, die die Weihrauchkessel schwingen, betend durch den Friedhof geht.
Ich habe diesen Tag immer gehasst.
Man stand im kalten Nieselregen, die Kälte kroch die Beine hoch und man konnte sich nur noch darauf konzentrieren, dass man fror und hoffte, dass die Zeremonie bald vorüber ist.
Alle Feiertage, die sich auf unsere Verstorbenen beziehen sind ja im November.
Nun gerade dieser Monat ist am besten geeignet, die kurzen meist dunklen Tage und die Nebelschleier die sich über das Land breiten erinnern ein wenig an das Jenseits.
Deshalb will ich diesen Monat nutzen und an die vielen Menschen erinnern, die mir in den Himmel voraus gegangen sind.

Gevatter Tod trat schon sehr früh in mein Leben.
Meine Eltern waren mit einem Lehrerehepaar befreundet, die drei Jungen in unserem Alter hatten.
Ich war die mittlere und Werner war ebenfalls das mittlere Kind und seltsamerweise waren wir beide die ruhigsten und große Leseratten.
Während die andern vier im Garten tobten, saßen wir friedlich unter einem Baum, die Nase in einem Buch und hörten und sahen nichts, wir waren weit weg in einer anderen Welt.
Wenn Werners Vater Kollegen in irgendeinem kleinen Dorf besuchte, dann durfte ich mit kommen.
Und während die Großen quatschten, liefen Werner und ich hinüber in die kleine Dorfschule und mit sicherem Instinkt fanden wir die kleine Bücherei und saßen wenig später auf dem staubigen Boden.
Und die Zeit schien still zu stehen, wenn wir in den Schätzen wühlten.
Werner war gerade mal zwölf Jahre, als er eines nachts aufwachte und über entsetzliche Kopfschmerzen klagte.
Wenige Stunden später war er tot, Hirnblutung.
Danach wurde dann alles anders, die Fröhlichkeit war dahin und die Familie ist weg gezogen und wir verloren sie aus den Augen.

Als ich 16 Jahre alt war, starb ein Schulkamerad und meine erste große Liebe, durch einen Badeunfall.
Ja Gevatter Tod kam oft in mein Leben.
Mittlerweile ist er zwar kein gern gesehener aber doch ein geduldeter Gast.
Vielleicht komme ich deshalb auch so gut mit der Trauer um meinen Mann zurecht, weil ich weiß dass das Leben vergänglich und man den Tod akzeptieren muss.
Ich will euch nicht traurig machen mit meinen Geschichten, denn in der Erinnerung leben ja alle diese Menschen weiter und sie gehören eben auch zu meinem Leben.
Sie standen mir zur Seite, haben mich geprägt, deshalb werde ich sie auch nicht vergessen.

(c) Lore Platz  1. November 2013

4 Kommentare:

  1. Liebe Lore,
    wir müssen uns immer wieder verabschieden, ich denke, dass man im Laufe des Lebens besser damit zurecht kommt und sich auf andere Art und Weise damit auseinander setzt. Danke für diesen sehr nachdenklich machenden Eintrag.
    Herzliche Grüße
    Regina

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  2. Danke, Lore, dass du so viel von dir und deinem Leben preis gibst. Ja, es ist so, dass wir immer wieder vor dem Tod stehen und verzweifelt sind, weil wir nicht wirklich verstehen, was da gerade geschehen ist. Wenn ein Kind geht, dann ist es besonders schwer. Als meine Mutter im Sterben lag und ich gegenüber meiner Nichte einmal sagte: "Jetzt wird sie bald gehen müssen", korrigierte sie mich. "Ich glaube", sagte sie mir "wir sollten sagen: Sie d a r f gehen." Das ist etwas ganz Anderes und trifft es wahrscheinlich auch mehr. Wir m ü s s e n auf der Erde sein, aber wir d ü r f e n im Himmel sein.
    Alles Liebe für dich in diesen trüb-nebligen Herbsttagen! Martina

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  3. Liebe Lore,
    ich benötige diese pauschalen Tage nicht. Meine Vertorbenen,
    wenn sie mir sehr nahe gestanden haben, leben in meinem
    Herzen fort. An sie denke ich oft und gern.
    Einen schönen Abend wünscht dir
    Irmi

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  4. Liebe Lore,
    Meine Oma war ihre letzten 15 Arbeitsjahre bis zur Rente Heimbürgin, heute sagt man Bestatter dazu.
    Als Kind begleitete ich Oma manchmal bei Ihrer Arbeit auf den Friedhof. So machte den Verstorbenen nochmal zurecht zum "Abschiednehmen von den Angehörigen. Auch die Kapelle wurde geschmückt, alles hatte sie zu organisieren, um es korrekt und würdevoll zu gestalten.
    So hatte ich nie Furcht oder so ein bedrohliches Gefühl im Beisein eines Toten oder auf dem Friedhof.
    Trotzdem fiel natürlich auch der Abschied von den Freunden, Bekannten und nahen Angehörigen schwer. Doch am schlimmsten war es, als mein Sohn mit 52 Jahren starb.
    Zum Friedhof, der sehr weit weg ist, komme ich nicht oft, aber ich trage ihn ,wie auch alle anderen lieben Verstorbenen im Herzen. Ich habe ein paar kleine Strähnen seiner Haare in einer Kette immer bei mir und ein kleiner Altar ist zu Hause mit seinem Foto. Sehr oft muss ich noch weinen, aber es wird etwas nachlassen.
    Solche Tage verstärken es natürlich noch.
    Einen angenehmen, wenn auch trüben November wünsche ich dir
    Monika

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