(c) meine Tochter |
Robins Wiese
Es
war einmal eine große Stadt.
Sie
unterscheidet sich wenig von anderen Städten.
Ein
Hochhaus grau und trist neben dem anderen und wenig grün dazwischen.
Die
Menschen hasteten durch die Straßen ohne rechts und links zu schauen
und ohne einander einen freundlichen Gruß zu schenken.
Es
gab einen kleinen Park, in den aber nur die Hundebesitzer gingen.
Kinder
sah man selten, die hockten lieber zu Hause vor dem Computer.
Bäume
gab es auch in den Straßen, auf denen die Vögel wohnten.
Doch
nicht einer, der Menschen, die vorüber hasteten, blieb stehen, um
dem fröhlichen Gezwitscher zu lauschen.
Am
Rande dieser Stadt lag eine große wunderschöne Wiese, voll mit
Mohnblumen, Kornblumen, Margeriten, Augentrost,Frauenschuh,
Butterblumen und Vergissmeinnicht und
dazwischen die kleinen bescheidenen Gänseblümchen.
Auch
einige Sträucher mit saftigen Beeren wuchsen auf dieser schönen,
grünen Insel.
Ein
hoher, kräftiger Zaun umgab das Grundstück.
Daneben
stand ein kleines gemütliches Häuschen, das gehörte dem alten
Robin.
Oft
saß er auf der Bank vor seinem Häuschen, die geliebte Pfeife im
Mund und sah über die Wiese und lächelte, als wäre da etwas, was
nur er sehen konnte.
Als
er vor langer Zeit seine Wiese eingezäunt hatte, wurde er neugierig
gefragt, warum er das machte, da antwortet er:
„Damit
niemand mit seinen groben Schuhen die Elfen verletzt.“
Das
Gelächter war groß und seitdem hieß er nur der Elfenkönig oder
der alte Spinner.
Den
alten Robin störte das nicht, denn mit den heutigen Menschen konnte
er nicht mehr viel anfangen.
(c) eigenes Foto |
Als er vor vielen Jahren mit seiner Luise hierher kam, war alles noch grün und unberührt.
Er
baute ihnen das kleine Häuschen, in dem er viele Jahre mit ihr sehr
glücklich war.
Nach
und nach kamen immer mehr Menschen und es entstand eine hübsche
Siedlung mit kleinen Häusern und Gärten.
Die
Nachbarn waren freundlich, man hatte Zeit für ein kleines
Schwätzchen und oft flog ein freundlicher Gruß über den
Gartenzaun.
Doch
dann verschwand ein Häuschen nach dem anderen und an ihrer Stelle
entstanden große, graue Betonblöcke und niemand hatte mehr Zeit für
ein kleines Schwätzchen.
Immer
wieder kam der Bürgermeister bei Robin vorbei und wollte ihm das
Grundstück abkaufen und bot ihm eine hübsche kleine Wohnung dafür
in der Stadt an, doch dieser schüttelte nur den Kopf.
Sein
Luiserl war inzwischen ins andere Reich gewechselt und er wusste,
dass sie dort auf ihn wartete.
Er
freute sich auf das Wiedersehen mit ihr, aber gleichzeitig wollte er
hier nicht weg gehen, denn was sollte dann aus den kleinen Elfen
werden.
Ja
die Wiese war die Heimat der Elfen und nur er und seine Luiserl
konnten sie sehen.
Viele
schöne Stunden hatten sie mit dem fröhlichen sorglosen Völkchen
verbracht und das tröstete sie darüber hinweg, dass sie keine
Kinder hatten.
Und
als sein Luiserl ihm dann voraus ins andere Reich gegangen war,
fühlte er sich trotzdem nicht allein, denn die Elfen besuchten ihn
und trösteten ihn und mit der Zeit wurde es ihm wieder leichter ums
Herz.
Inzwischen
war er 95 Jahre alt geworden und in letzter Zeit fühlte er sich
etwas müde.
Und
dann schickte der liebe Gott seinen Todesengel zu ihm, um ihn
abzuholen.
Das
ganze Zimmer war voller Elfen, die Abschied nahmen von ihrem Freund
und als man den alten Robin fand, lag ein seliges Lächeln auf seinem
Gesicht und das Zimmer duftete nach Blumen.Da Robin in einer Zeit groß geworden war, in der noch der Handschlag galt, hatte er nicht daran gedacht ein Testament zu machen, um seine Elfen zu schützen.
Ein
weit entfernter Verwandter erbte das Grundstück und verkaufte es an
Bürgermeister Habgier.
Niemand
folgte dem schmucklosen Sarg, nur der Verwandte, der ihn kaum gekannt
hatte und Lehrer Fröhlich mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter
Annegret.
Annegret
war auch die Einzige, die die vielen kleinen Elfen auf der alten
Buche im Friedhof sah.
Doch
sie sagte nichts, denn sie wusste, die Erwachsenen konnten die Elfen
sowieso nicht sehen.
Es ist ein schöner warmer Tag.
Die
Fenster im ersten Stock des Rathauses sind weit offen. Anton, der
Spatz, der mit seiner Familie auf dem Kastanienbaum gegenüber wohnt,
sitzt auf dem Fensterbrett und putzt seine Federn.
Als
er „Robins Wiese“ hört, hüpft er näher und blickt in den Raum.
Fünf
Männer sitzen um den großen Tisch, vier im Anzug und einer in Jeans
und T-Shirt.
Anton
kannte ihn, es war Lehrer Fröhlich, ein netter Mann.
Auch
die anderen Männer sind ihm bekannt.
Bürgermeister
Habgier, Bauunternehmer Spachtel, Zimmermann Hobel und der Glaser
Durchsicht.
Die
Drei hatten sich nicht umsonst in den Stadtrat wählen lassen,
wussten sie doch, dass ihr Freund, der Bürgermeister ihnen die
besten Aufträge zuschusterte.
Nur
Lehrer Fröhlich hatte sich aus Idealismus gemeldet, dachte er doch,
er könnte etwas bewirken.
Doch
mittlerweile hatte er gemerkt, dass er auf ziemlich verlorenen Posten
stand.
Sobald
wie möglich wollte er sein Amt aufgeben.
Nun
aber setzt er sich gerade hin und sieht den Bürgermeister aufmerksam
an.
„Was
ist mit Robins Wiese?“ fragt er vorsichtig.
Er
hatte den alten Mann immer bewundert, wie er für seine Wiese kämpfte
und es tat ihm leid, dass sie jetzt in der Hand des Bürgermeisters
war.
Dieser
schlägt eine Akte auf, die vor ihm auf dem Tisch liegt und meint:
„Wie
ihr wisst habe ich dem Erben von dem alten Sp...“
Lehrer
Fröhlich räuspert sich.
„ … von
dem alten Robin die Wiese abgekauft.
Ein
großer Konzern hat mir nun ein Angebot gemacht.
Er
möchte einen Supermarkt dort errichten.“
Lehrer
Fröhlich schüttelt den Kopf:
„ Noch
ein Supermarkt, warum lassen wir nicht die Wiese im Andenken an
unseren ältesten Bürger, so wie sie ist.“
Der
Bürgermeister wirft ihm einen spöttischen Blick zu.
„Glauben
sie auch an die Elfen, Herr Lehrer? Wundern würde es mich nicht, ihr
Grünen seid ja auch nicht von dieser Welt!“
Er
lacht dröhnend und sieht seine Freunde fragend an.
Lehrer
Fröhlich wird vier zu eins überstimmt und ist gar nicht fröhlich,
als er nach Hause geht.
Anton
aber fliegt zu den Elfen.
Mit
den am Morgen gesammelten Tautropfen gießen sie die Blumen, frischen
mit ihren Farbpinseln die Farben auf und helfen den geknickten Blumen
sich wieder aufzurichten.
Die
Elfenkinder aber reiten kreischend und lachend auf Hoppelchen.
Der
kleine Zwerghase war eines Tages bei ihnen aufgetaucht und wohnte
seither bei ihnen.
Hoppelchen
gehörte einem kleinen Jungen, der aber bald die Lust an dem Geschenk
verloren hatte.
Als
er wieder einmal bei sengender Hitze den Hasen auf den Balkon
sperrte, war dieser einfach hinunter gesprungen.
Das
war vor zwei Jahren gewesen und nun lebt er bei den Elfen.
Als
Robin dies bemerkte, legte er Salatblätter, Karotten oder Äpfel ins
Gras.
Im
Winter, wenn die Elfen tief unter der Wurzel ihrer Blumen schliefen,
holte der alte Mann den Hasen zu sich ins Haus.
Was
diesen Winter sein würde, das stand noch in den Sternen.
Doch
Hoppelchen hatte sich inzwischen die sorglose Lebensweise der Elfen
angewöhnt, die nur den Augenblick wichtig nahmen und nicht über
später nachgrübelten.
Anton
lässt sich neben Primelchen auf dem Strauch nieder.
Freundlich
lächelt die Elfe ihn an.
„Schön,
dass du uns mal wieder besuchst. Wie geht es der Familie?“
„Gut,
meine Kinder sind inzwischen alle flügge und wir, mein Gretchen und
ich haben etwas mehr Ruhe, aber ...“
Ein
fragender Blick von Primelchen lässt ihn innehalten.
Wie
soll er seiner kleinen Freundin nur die schlimme Nachricht
überbringen?
Doch
dann gibt er sich einen Ruck und erzählt ihr, was er heute im
Rathaus erlauscht hat.
Primelchen
wird immer blasser.
Inzwischen
sitzen alle die niedlichen kleinen Wesen auf dem Strauch und lauschen
dem Spatz.
Sie
weinen, klagen und jammern, als sie begreifen, dass man ihre Heimat
zerstören will.
Anton
wird ganz traurig und verabschiedet sich schnell.
Primelchen
aber hebt die Hand und fordert:
„Nun
seid bitte still und kümmert euch um eure Blumen.“
Traurig
aber denkt sie daran, dass die Blumen bald sterben und vielleicht
auch sie alle.
Fortsetzung Morgen
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