Freitag, 31. Oktober 2025

Halloween

 

 

(c) Irmi Brüggemann

 

 Halloween


Die Kelten glaubten  fest daran, dass die Seelen der Verstorbenen in der Nacht vom 31. Oktober als Geister auf die Erde zurückkommen, um in ihre Häuser zurückzukehren.
Doch die Geister die den Weg zurück nicht fanden und verzweifelt umher irrten, die spukten durch die Nacht und erschreckten die Menschen.
Deshalb verkleiden sich Groß und Klein als schreckliche Monster und haben ihren Spaß die Leute zu erschrecken.
Besonders in Amerika wird Halloween ja ganz groß gefeiert und dort gibt es wirklich die abscheulichsten Verkleidungen.
Heidi Klum liebt ja dieses Fest und denkt sich jedes Jahr etwas aus und das mit einem großem Medienrummel.
Der Brauch wurde von irischen Einwandern in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gebracht und kam auch im
19. Jahrhundert nach Europa.
Doch bei uns hat Halloween nicht gar so große Bedeutung.
Vielmehr ist der 31. Oktober der Allerseelen – Tag und wir gedenken dann unserer lieben Verstorbenen.





Wisst ihr warum an Halloween Kürbisse ausgehöhlt werden und man ein Licht hineinstellt.
Ursprünglich waren es ja Rüben, aber in Amerika gab es nicht so viel Rüben, also nahmen die Iren Kürbisse.
Und so entstand der Brauch in Kürbisse Fratzen zu schneiden und diese dann von innen zu beleuchten.
Doch ich wollte euch ja erzählen warum das so ist.
Der alte irische Hufschmied Jack, ein Tunichtgut und Trunkenbold, saß mal wieder in seinem Lieblingspub und war nicht mehr ganz nüchtern.
Da erschien der Teufel und wollte seine Seele. Jack stierte in sein fast leeres Glas und bat den Herrn der Finsternis, ihm noch einen Drink zu spendieren.
Der Teufel aber hatte kein Geld dabei und verwandelte sich in eine Münze.
Jack nahm diese und steckte sie in seine Lederbörse, auf der ein Kreuz aufgenäht war.
Erst als der Teufel ihm versprach, ihn ein Jahr in Ruhe zu lassen, ließ er ihn frei.
Nach einem Jahr kam der Höllenfürst wieder und verlangte die Seele von Jack.
Dieser bat, der Teufel möge ihm doch einen Apfel pflücken.
Kaum saß Luzifer aber auf dem Baum, ritzte Jack ein Kreuz in die Rinde.
Und nun musste der Teufel  versprechen ihn in Ewigkeit in Ruhe zu lassen.
Jack wurde ein alter Mann und starb.
Am Himmeltor aber wies man ihn wegen seinem schlechten Lebenswandel ab und der Teufel konnte ihn nicht aufnehmen, da er sein Ehrenwort gegeben hatte.
Der Teufel aber hatte Mitleid mit ihm und schenkte ihm eine magische glühende Kohle, die niemals erlosch und Jack steckte diese in eine ausgehöhlte Rübe.
So wandert Jacks Seele bis zum heutigen Tag durch die ewige Dunkelheit.



© Lore Platz




Gibt es Vampire?


Die alte Villa, die stolz auf der Anhöhe am Rande des Dorfes auf die kleinen Häuser herab blickt, ist verkauft worden und am Mittwoch spät in der Nacht sind die neuen Besitzer eingezogen.

Bisher hatte sie noch niemand zu Gesicht bekommen. Man wusste nur, dass ein reicher Industrieller mit Frau und Kind dort eingezogen war.

Giuseppe, der täglich die Lebensmittel in die Villa lieferte hatte von der Herrschaft bisher noch niemanden gesehen.

Die alte Köchin Rosalie nahm ihm immer die Tüten ab und bezahlte ihn auch und ja einmal ist ein riesengroßer schwarzer Rabe auf ihn zu gewatschelt und hat ihn ganz komisch angesehen, richtig unheimlich war das.

Für Antonio, den zwölfjährigen Sohn des Schmieds war somit alles klar.

Die neuen Bewohner der Villa mieden das Sonnenlicht, hatten einen schwarzen Raben, das konnten nur Vampire sein.

Antonia machte sich große Sorgen, besonders als seine Schwester sich am Abend zum Ausgehen hübsch machte.

„Mercedes, du darfst nicht weggehen, es ist zu gefährlich!“

flehte er.

Mercedes warf ihm einen erstaunten Blick zu:

„Ich habe eine Verabredung mit Claudio, wir wollen in die Disco, was soll daran gefährlich sein?“

„Wegen den Vampiren aus der Villa oben, die streifen nachts durch die Gegend und saugen dir das Blut aus.“

Seine Schwester starrte ihn an.

„Du spinnst wohl! Das kommt nur von den blöden Horrorfilmen, die du dir ständig rein ziehst!“

Sie wühlte in ihrer Handtasche. „Verflixt, wo ist denn mein Handy!“, und verließ die Küche.

Diesen Moment nutzte Antonio und steckte blitzschnell eine

Diesen Moment nutzte Antonio und steckte blitzschnell eine Knoblauchknolle in die kleine Umhängetasche.

Nun war seine Schwester geschützt!

Mitten in der Nacht stürzte diese in sein Zimmer und warf ihm den Knoblauch an den Kopf.

Du hast sie wohl nicht mehr alle, weißt du welch eine Blamage das für mich war, als das eklige Ding aus meiner Tasche kullerte.“

Wütend verließ sie das Zimmer.

Antonio aber grinste zufrieden. Mercedes war nichts passiert, denn wäre sie gebissen worden, dann würde sie bleich und apathisch durch die Gegend wandeln und nicht wie eine Furie in sein Zimmer stürzen.

Am nächsten Morgen nach dem Kirchgang beschloss Antonio sich die Villa mal aus der Nähe anzuschauen.

Aber irgendwie musste er sich schützen.

Leise schlich er in das Zimmer seiner Großmutter, die in ihrem Lehnstuhl saß.

Auf ihrem Schoß lag die aufgeschlagene Bibel, ihr Kinn war auf die Brust gesunken und leise Schnarchtöne zeigten, dass sie schlief.

Auf Zehenspitzen schlich sich Antonio zur Kommode und nahm das kleine silberne Kreuz und steckt es tief in seine Hosentasche, damit er es nicht verlieren konnte.

In der Speisekammer holte er einen ganzen Ring mit Knoblauchknollen und hängte ihn sich um den Hals.

Nun konnte kein Vampir ihm etwas anhaben.

Wie immer waren die Vorhänge in der Villa geschlossen.

Und Antonio wusste auch warum, kannte es dies doch von seinen Filmen.

Vampire wurden nämlich zu einem Häufchen Asche, wenn das Sonnenlicht sie traf.

Sicher schliefen sie jetzt in ihren Särgen und erst wenn die Sonne unterging würden sie die Gegend durchstreifen, um ihre Beute zu suchen.

Oja Antonio kannte sich aus.

Er entdeckte ein kleines Fenster, das nicht durch einen Vorhang verschlossen war und stellte sich auf die Zehenspitzen, um in das Haus zu sehen.

Plötzlich tauchte ein großer schwarzer Rabe auf und klopfte mit dem Schnabel gegen die Scheibe, dabei musterte er Antonio finster aus seinen runden kleinen schwarzen Augen.

Erschrocken trat der Junge einen Schritt zurück und zuckte zusammen, als sich zwei schwere Hände auf seine Schultern legten.

Als er sich umblickte, sah er einen großen finster blickenden Mann, der ganz in schwarz gekleidet war.

Geistesgegenwärtig holte Antonio das Kruzifix aus der Hosentasche und hielt es dem Mann unter die Nase, gleichzeitig umklammert er den Kranz mit Knoblauchknollen.

Unbeeindruckt aber schob der Mann den widerstrebenden Jungen in die Villa, durch eine große Halle in einen gemütlichen Salon und dort schubste er ihn auf ein Sofa.

Eine hübsche Frau saß auf einem gemütlichen Sessel und ließ nun das Buch sinken, aus dem sie gerade vorgelesen hatte.

Ein blasser Junge lag auf einer Liege und schaute nun auch ganz erstaunt auf den Besucher, der mit schreckgeweitetem Gesicht auf dem Sofa gegenüber kauerte und ihnen ein kleines Kreuz entgegen hielt und um den Hals ein Kette aus Knoblauch trug.

Ein gut gekleideter Mann betrat den Salon.

„Meine Lieben, mir ist es endlich gelungen einen Handwerker aufzutreiben, morgen...“

Er erblickte das Häufchen Elend auf der Couch und begann fröhlich zu lachen.


„Wisst ihr, wofür uns unser Gast hält? Für Vampire!“

Nun begann auch die Frau zu lachen und auch der Junge kicherte.

Der Butler, ganz seiner Würde bewusst stand stocksteif da und verzog keine Miene.

Doch wer genauer hinsah, der konnte ein leichtes Zucken um die Mundwinkel wahrnehmen.

Antonio aber saß mit hochrotem Kopf da und wusste nicht, was er von dem ganzen halten sollte.

Der Mann hatte sich inzwischen beruhigt, zog mit einem Schwung die Vorhänge zurück und stellte sich mitten ins gleißende Sonnenlicht.

„Wenn man den alten Sagen glauben darf, müsste ich jetzt nur noch ein Häufchen Asche sein!“

„Madame, ich werde Tee und Kakao bringen,“ presste der Butler hervor und wandte sich schnell um, denn mit seiner Beherrschung war es nun vorbei, was man an dem Zucken seiner Schultern erkennen konnte.

Herrn Brentano schloss den Vorhang wieder und meinte freundlich.

„Für alles gibt es eine einfache Erklärung. Die Klimaanlage ist kaputt, aber ich habe heute einen Handwerker erreicht, der dies morgen in Ordnung bringt.

Da unser Sohn gerade von einer schweren Krankheit sich erholt, konnte wir noch keine Besuche machen.

Ach ja und der schwarze Rabe, gehört unserem Butler Patrick.

Er hat ihn vor einigen Jahre schwer verletzt gefunden und da ihm ein halber Flügel fehlt, haben wir ihn behalten.

Du siehst man soll nicht immer das Schlimmste annehmen, oft gibt es auch ganz einfache Erklärung für die Dinge.“

Antonio wusste nicht mehr wohin er blicken sollte.

Er schämte sich fürchterlich.

Langsam verstaute er das Kreuz seiner Großmutter in der Hosentasche und legte den Knoblauch neben sich auf das Sofa.

„Du musst dich nicht schämen,“ tröstete ihn Frau Brentano, „ weißt du, ich habe Philippo seit seiner Krankheit nicht mehr so lachen gesehen und das verdanken wir dir.“

Der kranke Junge aber strahlte Antonio an.

„Wollen wir Freunde werden?“

Begeistert nickt dieser.

Patrick schob einen Teewagen herein, auf dem allerlei Köstlichkeiten waren.

Nachdem der Butler den Tee und Kakao eingeschenkt und eine große Platte mit kleinen leckeren Kuchen auf der Mitte des Tisches platziert hatte, griff er mit spitzen Fingern den Kranz Knoblauch und meint etwas pikiert.

„Das gehört wohl besser in die Küche!“

Antonio aber hat alle Scheu verloren und mit vollen Backen erzählt er ihnen von der Knoblauchzehe in der Tasche seiner Schwester und man hatte in der Villa noch nie soviel fröhliches Lachen gehört.

Als der kleine Philippo aber müde wurde verabschiedet sich Antonio.

Doch er musste versprechen am nächsten Tag nach der Schule wiederzukommen.

Und nun wurde er in der Villa, die ihm erst soviel Angst eingeflößt hatte, ständiger Gast.

Zwischen den beiden Jungen aber entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft.

Und als sie viele viele Jahre später beisammen saßen, konnten sie immer noch über die Vampir-Geschichte lachen.


© Lore Platz   (2013)




Donnerstag, 30. Oktober 2025

Der alte Kapitän



(c) Monika Mandelik






Der alte Kapitän



Am Rande der Stadt stand eine alte Villa mitten in einem verwilderten Garten.
Lange war sie leer gestanden, doch vor kurzem war sie verkauft worden an einen pensionierten Kapitän.
Und vor einigen Tagen war dieser zusammen mit seiner Schwester Lena, die ihm den Haushalt führte, eingezogen.



Kapitän Fridjoofen saß in seinem gemütlichen Arbeitszimmer und sah sich vergnügt um.
Die Wände waren voll von all den Mitbringsel, die er im Laufe der Jahre während seiner Reisen gesammelt und sie bei seiner Schwester in ihrem kleinen Häuschen gelagert hatte.
Worüber diese oft geschimpft hatte, besonders über das lebensgroße ausgestopfte Krokodil, das drohend sein Maul aufriss und eine Reihe beachtlicher Zähne zeigte.
Auch die große Schlange, die einem mit glitzernden Augen anstarrte war ihr nicht geheuer.
Schmunzelnd ließ der alte Mann seinen Blick über die verschiedenen Waffen an der Wand gleiten und auch den Piranhas die den Sims des Kamins bevölkerten gönnte er einen Blick.
Zufrieden seufzte er, was den schwarzweißen Spaniel zu seinen Füßen aufstehen und seinen Kopf an das Knie seines Herrn schmiegen ließ.
Dieser kraulte ihn hinter dem Ohr und Hund und Mensch genossen ihr Zusammensein.
Ein gewaltiges Klirren schreckte beide auf und das große Fenster zerbarst in tausend Stücke.
Ein brauner Fußball rollte auf den Kapitän zu.
Die Tür wurde aufgerissen und Lena stürzte herein.
Sie stemmte die Arme in die Hüften und wetterte:
Das waren bestimmt die Lausbuben von drüben! Ich hab`s ja immer gesagt, wie konntest du nur ein Haus genau neben einem Waisenhaus kaufen.“
Ihr Bruder lachte gutmütig.
Es war günstig und mich stören die Kinder nicht, außerdem so laut sind sie doch gar nicht und nachts schlafen sie tief und friedlich und wir auch.“
Er bückte sich, hob den Fußball auf und wandte sich zur Tür.
Dann werde ich das Geschoss mal zurückbringen!“
Er erhielt nur ein Gemurmel als Antwort, denn Lena die sich inzwischen mit Besen und Schaufel bewaffnet hatte, war dabei die Scherben zu beseitigen.

 
(c) meine Tochter

Im großen Vorhof des Waisenhauses tummelten sich vergnügt die Kinder. 
Als der Kapitän durch das Tor trat sah er aus den Augenwinkel, wie sich drei Jungen schnell seitwärts in die Büsche verdrückten.
Der Spaniel aber war zu der alten Kastanie gelaufen, um die rundum eine Bank angebracht war.
Darauf saß ein kleines Mädchen, die den Hund liebevoll streichelte.
Als Fridjoofen näher trat, bemerkte er, dass die Kleine blind war.
Er setzte sich neben sie.
Das Mädchen wandte ihm den Kopf zu.
“Ist das dein Hund?“
Ja, darf ich vorstellen. das ist Klabautermann und wer bist du?“
Ich bin Else, aber dein Hund hat einen komischen Namen.“
Weißt du denn, was ein Klabautermann ist?“
Die Kleine schüttelte den Kopf.
Nun dann will es dir erzählen, aber erst einmal muss ich ein paar Übeltäter kielholen!“
Eine nicht mehr ganz junge Frau kam mit misstrauischem Blick auf sie zu, doch als sie den Fußball sah, wurde sie verlegen.
Guten Tag sie sind wohl unser neuer Nachbar Kapitän Fridjoofen und wie ich sehe haben die Jungen den Ball wohl in ihren Garten geschossen.“
Der alte Mann schmunzelte:
Nicht nur in den Garten, sondern durch die Scheibe meines Arbeitszimmers.“
Das tut mir leid, wir werden die Scheibe selbstverständlich ersetzen. Entschuldigen sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Frauke Sörensen und leite dieses Waisenhaus.“
Der Kapitän erhob sich und beugte sich ganz Kavalier der alten Schule über ihre Hand.
Die Scheibe brauchen sie nicht zu ersetzen, aber ich werde mal einigen jungen Herrn ein wenig einen Schrecken einjagen.“
Er zwinkerte und deutete mit den Augen auf das Gebüsch in das Klabautermann gerade schnüffelnd seine Nase steckte.
Die Direktorin lächelte und nickte zustimmend.
Ein kleine Hand schob ich sich in die große Pranke des Kapitäns und Else sagte bittend.
Onkel Kapitän, du darfst sie aber nicht verhauen, sie haben es doch nicht absichtlich getan. Der Tom hat nur so einen schweren Fuß und deshalb ist der Ball so weit geflogen.“
Die beiden Erwachsenen lächelten, dann ging der Kapitän mit seiner kleinen Freundin an der Hand, gefolgt von der Leiterin des Waisenhauses, hinüber zum Gebüsch.
Mit seiner dröhnenden Stimme meinte er:
Ich glaube gar dahinter haben sich ein paar Feiglinge
versteckt, die nicht wissen, dass man zu seinen Taten stehen muss !“
Das Gebüsch teilte sich, drei Jungen standen mit gesenkten Köpfen vor ihm und ließen das Donnerwetter, das nun über sie prasselte erschrocken über sich ergehen.
Die kleine Hand zuckte in der großen Pranke und Else flüsterte, „nun ist es aber gut, Onkel Kapitän.“
Der Hüne beugte sich zu seiner kleinen Freundin hinunter.
Denkst du, dass sie als Strafe bei mir in meinem Garten arbeiten sollen, der sieht nämlich ziemlich verwildert aus.“
Else nickte eifrig.
Nun!“ wandte Fridjoofen sich an die Jungen.
Ihr könnt nicht erwarten, dass das Waisenhaus die kaputte Scheibe bezahlt, also werdet ihr euch Morgen um 15Uhr bei mir drüben einfinden und mir helfen meinen Garten zu roden.“
Er warf einen fragenden Blick auf die Leiterin, die zustimmend nickte und auch die Jungen nickten erleichtert.
So nun will ich meiner kleinen Freundin vom Klabautermann erzählen, wollt ihr die Geschichte auch hören?“
Wir auch, wir auch !“ riefen die Kinder, die sich inzwischen alle bei den Büschen eingefunden hatten, angelockt durch das laute Brüllen des Kapitäns.
Gefolgt von allen großen und kleinen Waisenkindern geht der Kapitän zur Kastanie, setzt sich auf die Bank und nimmt Else auf seinen Schoß.
Die Kinder aber lassen sich zu ihren Füßen nieder.
Frau Sörensen geht lächelnd zurück in ihr Büro.
Der Kapitän blickte vergnügt schmunzelnd in die erwartungsvoll erhobenen Gesichter und fragte.
Weiß jemand von euch, wer der Klabautermann ist?“
Kopfschütteln!



(c) meine Tochter


Nun der Klabautermann ist ein Kobold, der unsichtbar auf den Schiffen lebt und dort allerhand Unfug anstellt.
Auch erschreckt er gerne die Matrosen durch poltern und lässt einfach mal Dinge vor ihren Augen in die Luft gehen oder einfach umfallen. Er ist aber auch sehr hilfsbereit und hilft ihnen bei ihren Arbeiten.
Mancher der Matrosen kann es sich dann gar nicht erklären, wieso er so schnell fertig wurde und guckt sich dann immer furchtsam um.
Aber er kann natürlich niemanden sehen, denn der Klabautermann ist unsichtbar und wenn man ihn einmal zu Gesicht bekommt, dann ist das ein schlechtes Zeichen.
Er zeigt sich und verlässt ein Schiff nur wenn diesen untergeht.
Ich habe ihn aber einmal gesehen und kann euch deshalb genau sagen wie er aussieht.
Er ist gekleidet wie ein Matrose, hat rote Haare und grüne Zähne und ist nicht größer als ein Zwerg.
Wer von euch kennt den Pumuckl von Ellis Kaut?“
Fast alle Finger schossen in die Höhe.
Fridjoofen schmunzelte.
Dann wisst ihr sicher auch, dass der Pumuckl ein Nachfahre von den Klabautermännern ist.“
Eifrig nickten die Kinder.
Also wir fuhren über den Atlantik, als auf einmal ein heftiger Sturm die Wellen peitschte, dass sie meterhoch das Deck überschwemmten.
Der Wassermann hatte wohl wieder seine Frau verärgert und die tobte nun unter Wasser, dass das ganze Meer in Aufruhr war.
Unser Schiff schaukelte im tosenden Wind und der Steuermann hatte alle Hände voll zu tun, das Schiff auf Kurs zu halten.
Ein Matrose wurde schwer verletzt als einer der Masten brach und wir hatten Mühe in darunter hervor zu ziehen.
Während man ihn in die Kajüte brachte und der Sanitäter ihn verarztete, sah ich plötzlich einen kleinen Gnom an Deck und vorne zum Bug laufen.
Ich wusste sofort das war der Klabautermann, denn keiner meiner Männer war so klein. 
Erschrocken wurde mir bewusst, das konnte nur bedeuten, dass das Schiff untergehen wird, denn offensichtlich wollte der kleine Kerl das Schiff verlassen.
Daran musste ich ihn unbedingt hindern.
Ich kämpfte mich durch Wind und Nässe nach vorn und fasste ihn gerade noch an seinem blauen Rock, als er über Bord springen wollte.
Nein mein Freund,“ brüllte ich gegen den Sturm an, „ du bleibst schön hier. Mein Schiff wird nicht untergehen.“
Er wand sich und zappelte und warf mir finstere Blicke zu, doch ich hielt ihn mit eiserner Faust fest.
Da verlegte er sich aufs Bitten und versprach mir, dass das Schiff bestimmt nicht untergehen würde, ich sollte ihn doch nur loslassen.
Aber ich glaubte ihm nicht und hielt ihn so lange mit meiner Faust fest, bis der Sturm sich gelegt und wir in ruhigen sicheren Fahrwasser segelten.
Da wurde er unsichtbar in meiner Hand und während der ganzen Fahrt hatte ich nichts zu Lachen.
Fässer fielen vor mir um, Seile lösten sich und mehr als einmal stolperte ich darüber, nachts polterte und rumorte es in meiner Kabine, dass ich kein Auge zu tun konnte.
Doch das machte mir nichts aus, mein Schiff war gerettet.
Und bei der nächsten Fahrt nahm ich ein Huhn mit an Bord, denn es heißt, Klabautermänner können Hühner nicht leiden.
So Kinder nun muss ich aber gehen, denn meine Schwester schimpft mit mir, wenn ich nicht pünktlich zum Tee zuhause bin!“
Er wandte sich an die drei Fußballer.
Abgemacht, morgen Nachmittag!“
Eifriges Nicken.
Dürfen wir auch mitkommen, wir können doch auch helfen!“ riefen die Kinder.
Frau Sörensen, die durch das geöffnete Fenster lächelnd der Geschichte gelauscht hatte, kam nun heraus und wollte protestieren.
Der Kapitän sah sie verschmitzt an.
Sicher wenn eure Direktorin nichts dagegen hat.“
Diese nickte, denn sie konnte den fünfzehn bettelnden Augenpaare nicht widerstehen.

Am nächsten Nachmittag erschien die ganze kleine
Gesellschaft frisch gewaschen und gestriegelt aber in vernünftiger Arbeitskleidung bei Fridhoofens.
Lena, die erst protestiert hatte, als ihr Bruder ihr die Nachbarn ankündigte, war sehr angetan von den höflichen gut erzogenen Kindern.
Besonders die kleine Else schlich sich in ihr Herz und sie ließ sie nicht mehr von ihrer Seite.
Die größeren Kinder durften mit dem Kapitän nun die Bäume und Sträucher beschneiden.
Während die Mädchen und die kleineren Jungen die Äste sammelten und sie an den dafür vorgesehenen Platz brachten, wo sie morgen abgeholt werden sollten.
Später brachte Lena eine riesige Platte mit frischen Waffeln, dazu gab es Sahne und Kakao.
Als die kleinen Helfer abenda in ihren Betten lagen, da waren sie sich einig, dass dies der schönste Tag gewesen war.
Nun herrschte ein reger Verkehr zwischen den Nachbarn.
Und der Kapitän schaffte es nach hartem Kampf mit den Behörden, dass die kleine Else zu ihm und seiner Schwester als Ziehkind kam.
So ein Sturm erprobter Kapitän, der wird auch mit dem stursten Bürokraten fertig.
Er schickte Else auf eine Blindenschule, wo sie zur Lehrerin ausgebildete wurde.
Und als Else dann längst schon eine erwachsene Frau war,
saß sie am Bett ihres Pflegevaters und hielt tröstend seine Hand, als er ins andere Reich wechselte.
Sie nahm sich liebevoll der alten Lena an, die froh war nicht ganz allein zu sein.
Und da Else die Erbin von Villa und Vermögen der beiden war, richtete sie eine Blindenschule in dem alten Haus ein und Lena konnte nun wieder für viele Kinder kochen, natürlich mit Hilfe einiger Hausmädchen.
Und als sie einige Jahre später ihrem Bruder folgte, saß auch an ihrem Bett die junge Frau, die sie als kleines Kind so liebevoll aufgenommen hatten.


© Lore Platz (2014)


Mittwoch, 29. Oktober 2025

Nicht standesgemäß

Ich gehörte nie zu den Lieblingen der Lehrer, aber das machte mir wenig aus, denn da ich aus einem gebildeten Elternhaus stammte, nahm das auf meine Leistungen keinen Einfluss. Die schlimmste meiner Lehrerinnen verwende ich in meinen Geschichten immer als böse Frau. 
Passt also gut auf ihr werdet sie finden (schmunzeln)
Ich wünsche euch einen schönen sonnigen Tag.
Viel Spaß beim Lesen!


(c) Elli M.


Nicht standesgemäß

Elena betritt neben Direktor Zimmermann das Klassenzimmer und sieht sich zweiundzwanzig erwartungsvollen Gesichtern gegenüber.
Fräulein Hartleitner, das ist ihre neue Schülerin Elena von Straten. Ihre Eltern haben das Gut Waldblick übernommen und den dazu gehörigen Ponyhof.“
Freundlich nickt die Lehrerin dem Mädchen zu, trotzdem war sie Elena nicht sehr sympathisch.
Sie setzt sich auf den ihr angewiesenen Platz und packt ihre Schultasche aus.
Die Tür wird leise geöffnet und ein Mädchen drückte sich herein.
Entschuldigung,“ murmelt sie und hastet in die hinterste Bank.
Das ist Bärbel, sie ist strohdoof und außerdem hässlich angezogen.“ flüstert Rita Elena zu.
Das Mädchen betrachtet unauffällig das Mädchen, dessen Kleider geflickt sind, und die Haare unordentlich aus den Zöpfen hängen.
Direktor Zimmermann hat inzwischen das Zimmer verlassen und der Unterricht beginnt.
Elena beobachtet, dass die Lehrerin das Mädchen in der letzten Bank vollkommen ignoriert und in der Pause wird sie von den anderen Kindern gehänselt.
Elena gefällt das gar nicht und sie fragt Rita „ was hat euch das Mädchen denn getan?“
Ach,“ meint diese schnippisch, „ schau sie dir doch an wie hässlich sie angezogen ist, bestimmt hat sie auch Läuse, außerdem wohnt sie in einer ärmlichen Hütte mit ihrer Oma und mein Opa, der ja Bürgermeister ist, hat gesagt, die beiden sind der Schandfleck in unserem schönen Dorf.“
Elena runzelt die Stirn und nimmt sich fest vor zu Bärbel besonders nett zu sein.
Doch das war nicht so einfach, denn Bärbel lässt niemand an sich heran und so gibt Elena allmählich auf.

Nach einigen Wochen hat Elena sich eingewöhnt und viele Freunde gefunden. Jeder möchte ihre Freundin sein, war sie doch die Tochter des reichen Gutsbesitzer und die Kinder durften auf den Ponys reiten, wenn sie Elena besuchten.
Bärbel kam jeden Morgen zu spät und huschte schnell auf ihren Platz von niemand beachtet. Die Kinder hänselten sie auch nicht mehr, hatten sie doch schnell gemerkt, dass das Elena gar nicht gefiel und mit dieser wollte es sich keiner verderben.
Und die Lehrerin kümmerte sich überhaupt nicht um das Mädchen. Bärbel wurde niemals aufgerufen und selbst ihre Hausaufgaben wurden nicht eingesammelt.
Als wäre sie überhaupt nicht anwesend.
Manchmal warf Elena einen heimlichen Blick nach hinten und sah, dass das Mädchen sehr aufmerksam verfolgte was vorne geschah. Wenn ihre Blicke sich trafen sah Bärbel scheu weg und spielte mit ihrem Bleistift.
 
(c) Elli M.



Elena war gerade von der Schule nach Hause gekommen und lief in die Küche, wo Martha, die Köchin ihr lächelnd das Essen servierte und erzählte, dass ihre Mutter in die Stadt gefahren war und ihr Vater eine Besprechung mit dem Bürgermeister hatte.
Martha sah dabei sehr grimmig aus und Elena fragte sie
was denn los sei.
Ach den Bürgermeister hier kann ich gar nicht leiden, so ein Unmensch, will das arme Weiblein und ihre Enkelin aus dem Haus werfen. Sind ein Schandfleck für das Dorf behauptet er.“
Was will er denn von Papa?“
Der Wald gehört doch zu dem Gut und das alte Häuschen ist nur gemietet. Also soll der Herr seine Macht als Vermieter demonstrieren und ihnen kündigen.“
Das wird doch Papa nicht machen!“ rief Elena erschrocken.
Als der Bürgermeister abgefahren war, schlüpfte Elena in das Arbeitszimmer ihres Vaters.
Lächelnd sah Herr von Straten sein Töchterlein an. „Was hast du denn auf dem Herzen?“
Papa, du willst doch nicht Bärbel und ihre Oma aus dem Haus werfen?“
Kennst du sie denn?“
Ja, Bärbel geht mit mir in dieselbe Klasse.“ Und dann erzählt sie ihrem Papa, was ihr aufgefallen war und wie die Lehrerin und auch die Kinder mit dem armen Mädchen umgehen.
Ihr Vater nickte nachdenklich.
Die Menschen vergessen viel zu schnell, wenn es ihnen gut gut, dass nicht jeder soviel Glück hat.“
Aber hast du nicht immer gesagt, wir sollen dankbar sein, dass es uns so gut geht und die nicht vergessen, denen es nicht so gut geht.“
Ja, meine Kleine und daran wollen wir uns auch halten, habe keine Angst um deine Freundin.“
Elena widerspricht nicht, denn eigentlich wollte sie gerne mit Bärbel befreundet sein.



Im Stall trifft sie auf Justus, den Stallmeister, der an seiner alten Pfeife kaut. Er wollte sich nämlich das Rauchen abgewöhnen, aber von seiner geliebten Pfeife konnte er sich nicht trennen.
Na Prinzessin willst wohl ausreiten, Triumph muss bewegt werden.“
Elena ging an die Box, holte aus ihrer Hosentasche ein Stück Zucker und hielt es auf der flachen Hand dem weißen Pony hin.
Bald trabten die beiden über den Hof, begleitet von Gina dem gefleckten Mischling.
Der Hund umsprang sie freudig bellend, dann spitzte er plötzlich die Ohren und sauste los und verschwand im Wald.
Ärgerlich rief Elena den Hund,natürlich hörte er nicht, sicher hatte er wieder ein Kaninchen aufgestöbert.
Das Mädchen band das Pony an einen Baum und folgte dem Hund in den Wald.
Sie hörte ein komisches Geräusch, das konnte nur Gina sein.
Als sie den seltsamen Lauten folgte, sah sie Bärbel, die auf einem Baumstamm saß, Tränenspuren auf dem Gesicht, und mit offenen Mund Gina betrachtete.
Die Hündin hatte die Schnauze nach oben gerichtet und heulte Herz erweichend.
Als Bärbel Elena sah wollte sie aufspringen, doch dann fiel ihr Blick wieder auf den Hund und sie prustete los.
Elena ließ sich neben ihr auf dem Baumstamm nieder und auch sie konnte sich nicht mehr halten.
Weißt du, Gina ist ein besonders mitfühlender Hund, wenn sie jemand weinen sieht, weint sie gleich mit.
Wieder prusten sie los und der Hund, der die Beiden lachen sieht, drängt sich schwanzwedelnd zwischen sie.

 
(c) Werner B.

Die Mädchen streicheln den Hund.
Warum hast du geweint?“
Bärbel wird rot und wendet das Gesicht ab.
Elena ergreift ihre Hand.
Du brauchst keine Angst haben, mein Vater hat nicht vor euch zu vertreiben, auch wenn der Bürgermeister es so will.“
Er war gestern bei meiner Oma und hat ihr angedroht, dass der neue Besitzer uns rausschmeißen wird. Wir sind der Schandfleck des Dorfes. Aber meine Oma hat doch nur eine kleine Rente. Außerdem hat sie Arthritis und kann nicht mehr so arbeiten. Ich helfe ihr so gut ich kann, deshalb komme ich auch morgens immer zu spät in die Schule. Eigentlich will ich gar nicht mehr in die Schule gehen. Frau Hartleitner will sowieso nichts mit mir zu tun haben, sie mag nur die reichen Kinder.“
Elan umarmte Bärbel spontan. „ Ich mag dich und wäre so gerne deine Freundin.“
In diesem Moment entstand eine Freundschaft fürs Leben und für Bärbel und ihre Oma begann eine Zeit des Glücks.
Herr von Straten hatte auf seinem Besitz ein kleines unbewohntes Häuschen, das er herrichten ließ und in dem Bärbel und ihre Oma in Zukunft leben konnten.
Zuerst aber schickte er die alte Frau in ein Heilbad zur Erholung und während dieser Zeit durfte Bärbel bei Elena wohnen.
Martha, die Köchin verwöhnte das arme Mädchen mit Leckerbissen und Elenas Mutter sorgte für passende Kleider.
Elena und Bärbel aber waren unzertrennlich und mit Elenas Hilfe wurden auch deren Leistungen in der Schule besser.
Nichts erinnerte mehr an das zerlumpte Kind, das der Außenseiter in der Schule war.
Anfangs zögernd, aber dann wurde Bärbel in die Klassengemeinschaft aufgenommen.


© Lore Platz  C2016)




Dienstag, 28. Oktober 2025

Gibt es ein Leben nach den Kindern?

Bevor ich beginne möchte ich einem wundervollem Menschen zum 81zigsten Geburtstag gratulieren. Es ist der Mann meiner Freundin und Mitarbeiterin in diesem Blog. Viele kennen ihre Bilder, die speziell für diesen Blog gezeichnet wurden.

 


Nun wünsche ich euch einen schönen Tag und viel Spaß beim Lesen

 

 


Wenn Kinder flügge werden

Hält man sein Kind zum ersten Mal im Arm, ist das Herz erfüllt voll Liebe und man möchte es vor allen Widrigkeiten der Welt beschützen. Die ersten Jahre gelingt es vielleicht. doch spätestens wenn es in die Schule geht, wird es womöglich gemoppt. Auch vor Todesfällen in der Familie kann man es nicht bewahren. Doch man kann seinem Kind bei all den Problemen hilfreich zur Seite stehen und ihm beibringen wie man mit Konflikten umgeht und auch sein Selbstbewusstsein stärken 
Der schlimmste Tag einer Mutter ist der, wenn das Kind zum ersten Mal seine Flügel ausbreiten und die Welt erkunden möchte.
Als meine Tochter mitten unter der Ausbildung in eine WG in Berlin ziehen wollte, war ich schockiert. Sie schrieb damals Geschichten und ließ diese im Internet herumgehen, da wurde sie von einem jungen Mann angeschrieben, der einen eigenen Radiosender hatte. Er wollte ihre Geschichten  dort vorlesen.
Als gute Mutter kümmerte ich mich natürlich darum, dass sie ihre Ausbildung in Berlin beenden konnte, obwohl mir das Herz schwer war. Die einzige Bedingung bevor sie umzog, ich wollte den jungen Mann erst kennenlernen.
Heute lebt sie nun schon seit achtzehn Jahren in Berlin, hat ihr Examen als Erzieherin mit Note 1 gemacht und ist immer noch in dem gleichen Kindergarten, in dem sie ihr Praktikum machte. Hat einen sehr netten Freund, eine hübsche Wohnung und ihre Mutter nicht vergessen.
Es ist das größte Geschenk, wenn man sieht, dass aus seinen Kindern ordentliche, ehrliche Menschen wurden.
Wenn dein Kind klein ist; gib ihm Wurzeln
Wenn dein Kind groß ist; dann gib ihm Flügel 

Es ist nicht immer leicht für uns Mütter unseren Kindern Flügel zu geben, aber wir tun es, da wir unsere Kinder lieben.
Dazu eine alte Geschichte von mir, die noch nicht alle Leser hier kennen.
Viel Spaß beim Lesen!

Gibt es ein Leben nach den Kindern?

Bärbel steht an der Tür und winkt dem Auto nach. 
Nun hat auch ihr Nesthäkchen das heimatliche Nest verlassen.
Frank bringt sie gerade nach München zum Bahnhof und von dort fährt sie dann nach Berlin, wo sie ihre Ausbildung beenden will.
Durch einen Glücksfall hat sie ein Zimmer in einer WG bekommen.
Seufzend wendet sich die Frau um und geht ins Haus, das jetzt so merkwürdig still und verlassen wirkt.
Und nun kommen die Tränen, die sie bisher so tapfer unterdrückt hat.
Tag an Tag reiht sich aneinander und Bärbel weiß oft nichts mit sich anzufangen. Als sie wieder einmal zum dritten Mal über die frisch polierte Spüle fährt, lässt sie sich ermattet auf einen Stuhl fallen.
Die Stille erdrückt sie.
Wie sehr vermisst sie doch den Lärm, die Fröhlichkeit und selbst das Chaos, das ihre Kinder immer hinterlassen hatten bevor sie das Haus verließen, um dann in einigen Stunden wieder zu kommen, hungrig und voll von ihren Erlebnissen.
Schluss mit dem sinnlosen Putzen. 
Sie musste raus hier.
Kurzentschlossen greift sie ihren Korb, wirft Schlüssel und Geldbörse hinein und verlässt das Haus.
Auf dem Wochenmarkt sind um diese Zeit nur Hausfrauen zu treffen. 
Bärbel schlendert zum Stand von Erna Waldinger, bei der sie seit Jahren immer einkauft. 
Die alte Frau begrüßt sie mit einem Lächeln und packt das gewünschte Gemüse in ihren Korb.
Als sie ihr das Wechselgeld zurückgibt meint sie schmunzelnd.
„Ihre Einkäufe werden immer weniger.“
Bärbel nickt.
„Nun hat auch unser Nesthäkchen das Nest verlassen und mein Mann und ich sind alleine.“
„So ist es im Leben, die Kinder werden flügge. 
Ich habe ihre drei ja aufwachsen sehen. Es sind prima Kinder und sie müssen sich keine Sorgen machen, die werden sich in der Welt behaupten.“
„Aber sie fehlen mir und zuhause ist es so entsetzlich still!“
„Das ist der Lauf der Welt, daran kann man nichts ändern, aber es ist doch auch eine Chance und sie könnten etwas für sich tun.“
„Vielleicht, auf Wiedersehen.“
Mit müden Schritten schlendert sie weiter.
„Bärbel, Bärbel!“
Bärbel sieht sich um und entdeckt vor dem 
Cafe Bergmeister ihre ehemalige Schulfreundin Adelheid.
„Mensch Heidi, seit wann bist du denn wieder hier.“
„Noch nicht lange, aber setze dich doch. Wie geht es dir denn ?“
Bärbel schüttet der Freundin ihr Herz aus.
„ Ich habe ja keine Familie, da mein Beruf mich immer zu sehr in Anspruch genommen hat, aber manchmal sind solche Veränderungen auch eine Chance.“
„Das habe ich heute schon einmal gehört,“ murmelt ihre Freundin.
„Ich stehe auch gerade vor einer Veränderung.“
„Gefällt es dir denn nicht mehr in Hamburg?“
„Und wie, aber mein Vater hatte einen Herzinfarkt.“
„Ich habe davon gehört, wie geht es ihm denn?“
„Besser und wenn er nicht mehr so viel arbeitet kann er noch lange leben. Er möchte, dass ich seinen Verlag übernehme.“
Adelheids Vater gehörte ein kleiner Zeitungsverlag, der täglich die regionale Zeitung herausbrachte.
„Möchtest du?“
Adelheid nickt zögernd.
„Wie du weißt hat mein Urgroßvater den Verlag gegründet und nun liegt es wohl an mir ihn weiter zu führen.“
„Du willst dich also wieder in den Staub unseres Provinznestes begeben,“ grinst Bärbel.
Die beiden Frauen prusten los.
Als Adelheid nach ihrem Examen das Angebot einer großen Hamburger Zeitung bekommen hatte, führte sie einen Freudentanz auf und jubelte:
„Nun kann ich endlich und für immer den Staub dieses Provinznestes von den Schuhen schütteln!“
Als sich beide wieder beruhigt haben, gesteht Adelheid etwas verlegen:
„Naja auch hier hat sich in den letzten Jahren viel verändert und außerdem möchte ich etwas frischen Wind in unseren Verlag bringen.
Neben der Regionalzeitung möchte ich auch über das Weltgeschehen berichten, die Landwirtschaftszeitung neu gestalten und etwas über die ländliche Küche und auch die Ausflugsziele hier berichten. Und ich habe eine Zeitung für die ganze Familie geplant.
Da wird es etwas für die Väter, die Mütter und auch die Kinder geben.“
Sie runzelt die Stirn und betrachtet Bärbel nachdenklich.
„Malst du eigentlich noch diese reizenden kleinen Bilder und denkst dir dazu Geschichten aus, wie du es in unserer Kindheit immer getan hast?“
„Schon lange nicht mehr, als die Kinder noch klein waren habe ich ihnen immer kleine ausgedachte Gutenachtgeschichten erzählt und manchmal auch Bilder für sie gezeichnet.“ 
„Hast du keine Lust für meine neue Familienzeitung eine Kindergeschichte zu schreiben und Bilder dazu zu zeichnen? Am besten eine Fortsetzungsgeschichte, das erhöht die Auflagen, denn die Kleinen werden solange betteln, bis die Eltern die nächste Zeitung kaufen, damit sie die Fortsetzung lesen können. Was meinst du? Entschuldige!“
Adelheids Handy klingelt.
Während ihre Freundin telefoniert überlegt Bärbel und mehr und mehr gefällt ihr der Gedanke.
Adelheid klappt das Handy zu und springt auf.
„Tut mir leid, ich muss los!“
Sie kramt in ihrer Tasche und reicht Bärbel eine Visitenkarte.
„Lass es dir durch den Kopf gehen und rufe mich an. Ich würde mich freuen.“
Auch Bärbel macht sich auf den Weg nach Hause. 
In dem kleinen Schreibwarengeschäft an der Ecke kauft sie sich einen Block und Stifte.
Zu Hause stellt sie den Einkaufskorb achtlos in der Küche ab und läuft hinaus in der Garten.
Sie setzt sich auf die Bank und legt Block und Stifte auf den Tisch vor sich.
Die Sonne scheint warm auf sie herunter und dringt bis in ihr Herz.
Weiße Schäfchenwolken zieren den hellblauen Himmel und Bienen um schwirren summend die duftenden Blüten. 
Eine Amsel singt auf dem Birnbaum voll Inbrunst ein Lied und ein Schmetterling tanzt taumelnd vor übermütiger Freude dazu.
Plötzlich erwacht der Garten zum Leben.
Der Schmetterling verwandelt sich in eine kleine Elfe, die sich auf einer Tulpe niederlässt und vergnügt mit den Beinen baumelt.
Die Bienen haben auf einmal kleine goldene Eimerchen, in die sie fleißig den gesammelten Nektar geben. 
Der Amselmann aber trägt einen Smoking und eine weiße Fliege, hält zwischen den Flügeln einen bunten Blumenstrauß und singt für seine Angebetete ein Liebeslied.
Diese sitzt einige Äste weiter in einem einfachen braunen Hauskleid und lauscht verzückt dem voll tönenden Bariton.
Ein Zwerg mit griesgrämigem Gesicht, steckt seinen Kopf aus dem Brombeergebüsch und brüllt:
„Ruhe, ich möchte schlafen!“
Bärbels Stift fährt über das Blatt und immer mehr liebliche, skurrile und fröhliche Gestalten entstehen.
Und dazu spinnt und zaubert sie im Kopf eine wundersame Geschichte, die sie später dann aufschreiben wird.
Blatt um Blatt füllt sich und Bärbel vergisst gänzlich die Zeit und erschrickt, als ihr Mann plötzlich neben ihr steht und sie begrüßt.
Schuldbewusst sieht sie auf die Uhr.
„Ich habe vergessen zu kochen.“
Frank grinst.
„Den Einkaufskorb habe ich in der Küche gesehen, aber was zeichnest du denn da?“
Er setzt sich neben sie und während er sich staunend Blatt für Blatt betrachtet, erzählt ihm Bärbel von Adelheids Vorschlag.
Frank aber freut sich denn er hat sich schon Sorgen um seine Frau gemacht.
Doch nun sind die Schatten verschwunden und es leuchtet wieder die alte Energie und Lebensfreude aus den Augen seiner Bärbel.

© Lore Platz   2. 02. 21