Andreas
Plan
Herr
Krumbein lehnte am Gartenzaun und schaute
die Straße entlang.
Er
war aus dem Haus geflüchtet, weil seine Erna dort das Unterste zu
Oberst räumte.
Eine
schlimme Ahnung hatte ihn heute Morgen beim Frühstück überfallen,
als seine überaus geliebte Frau mit diesem besonderen Lächeln
verkündete „Frühjahrsputz!“
Das
bedeutete für ihn einige sehr unbequeme Tage.
Merle
und Andrea kommen die Straße herauf und unterhalten sich mit sehr
ernsten Gesichtern.
„Probleme
in der Schule?“ fragte Herr Krumbein und die beiden Mädchen fuhren
erschrocken zusammen.
Dann
aber begrüßten sie ihn mit einem strahlendem Lächeln.
Sie
mochten den alten Herrn.
„Nein,
in der Schule ist es ganz toll und Frau Heidenreich ist eine
wunderbare Lehrerin,“ schwärmte Andrea, dann winkten sie und zogen
weiter.
Schmunzelnd
sah Herr Krumbein
ihnen nach und musste ihnen Recht geben. Die neue Lehrerin, die erst
vor kurzem hierher gezogen war, war
wirklich sehr nett und dazu noch eine Augenweide.
Hans-Uwe,
der Postbote blieb am Zaun stehen.
„Wartest
du auf deine Zeitung?“
„Ne,
ich bin geflüchtet, Frühjahrsputz!“
Hans-Uwe
nickte verständnisvoll.
„Meine
Marlene hat heute morgen auch schon so etwas
angekündigt
und Frau Wagner hängt schon halb aus dem Fenster und wedelt mit
einem Tuch wie verrückt
auf den Scheiben herum.“
„Aber,“
brummte Herr Krumbein ihr könnt alle in die Arbeit flüchten, aber
ich armer Rentner.“
Der
Postbote
drückte ihm die Zeitung in die Hand und klopfte ihm aufmunternd auf
die Schulter, dann schob er sein Rad weiter.
Herr
Krumbein aber verzog sich mit der Zeitung in seine Werkstatt.
Die
beiden Erstklässlerinnen waren inzwischen bei Merle angekommen.
„Abgemacht,
nach den Hausaufgaben komme ich zu dir und wir machen einen Plan!“
rief Andrea und lief ebenfalls nach Hause.
Andreas
Mutter war bei ihrer Geburt gestorben und seitdem führte ihnen die
Oma den Haushalt.
„Hm
das riecht aber lecker!“ rief das Mädchen, als es die Küche
betrat.
„Hände
waschen!“
Bald
saßen die beiden vergnügt am Tisch und Andrea erzählte begeistert
von der Schule und vor allem schwärmte
sie von Frau Heidenreich.
Die
Oma hörte lächelnd zu, dann überlegte sie, ob diese Frau
Heidenreich wohl noch Single war, denn sie war der Meinung, der Junge
musste unbedingt wieder heiraten.
Seit
seine Frau gestorben war vergrub er sich nur in der Arbeit.
Nachdem
sie gemeinsam das Geschirr in der Spülmaschine verstaut hatten,
setzte sich die Oma mit dem Strickzeug in ihren geliebten Sessel und
Andrea machte ihre Hausaufgaben.
Die
Rechenaufgaben hatte sie blitzschnell gelöst, dann holte sie das
Deutschheft heraus.
Andächtig
schraubte sie den neuen Füller auf, denn seit kurzem durften sie mit
dem Füller schreiben.
Sie
waren bereits bei dem Buchstaben „S“ und sollten Wörter mit
diesem Anfangsbuchstaben aufschreiben.
Andrea
malte zuerst einmal eine Zeile nur mit wunderschönen „S“, dann
sah sie auf den Zettel, wo sie die verschiedenen Wörter, die auf der
Tafel standen notiert hatte.
Während
sie die Wörter: „Schlange, sehen,
Sonne und schreiben“,
buchstabierte kam ihr eine Idee.
Und
nun begann etwas Seltsames in ihrem Heft vorzugehen.
Die
„Schlange“ kroch ganz klein über die Zeile, die „Sonne“ und
das Wort „schreiben“ war voller Tintenkleckse
und das Wort „sehen“
war fürchterlich anzuschauen.
Angewidert
betrachtete Andrea ihr Werk, aber es musste sein.
Sie
warf einen vorsichtigen Blick auf die Oma, die war aber
über ihrem Strickzeug eingenickt.
Leise
packte sie ihren Ranzen, das Deutschheft nahm sie mit, als sie auf
Zehenspitzen an der schlafenden Oma vorbei schlich.
Merle
schrie erschrocken auf, als sie das verunstaltete Heft sah.
Doch
Andrea beruhigte sie.
„Das
gehört alles zu meinem Plan.“
Denn
heute Morgen hatte sie ihrer besten Freundin anvertraut, dass sie
sich Frau Heidenreich als Mutter wünschte und alles tun würde,
damit ihr Papa sich in ihre Lehrerin verliebte.
Dass
Frau Heidenreich ganz allein in dem kleinen Häuschen lebte, dass sie
von ihrer Tante vor kurzem geerbt hatte, wussten sie.
„Aber
wie stellst du dir das vor, du wirst nur mächtigen Ärger bekommen.“
„Das
ist die Sache wert. Wenn ich nun ganz schrecklich in der Schule
werde, dann muss mein Papa kommen und er sieht Frau Heidenreich und
sie verlieben sich.“
„Das
wäre romantisch!“ seufzte Merle und verdreht die Augen.
Dann
aber meinte sie ernst : „Und wenn nicht, wenn sie sich gar nicht
leiden können?“
„Sie
müssen!“ murmelte Andrea trotzig, doch dann erklärte sie ernst,
„aber ich habe es wenigstens versucht.“
Und
nun begann Frau Heidenreich sich zu wundern.
Andrea
bisher eine Musterschülerin veränderte sich, passte im Unterricht
nicht auf, machte schlampige oder unvollständige Hausaufgaben und
verstand die einfachsten Rechenaufgaben plötzlich nicht mehr.
Eines
Tages bat sie nach Schulende Andrea, noch hier zu bleiben.
Und
während die anderen lärmend das Schulzimmer verließen trottete das
Mädchen mit gesenktem Kopf nach vorne zum Pult.
Frau
Heidenreich wartete, bis der letzte Schüler das Zimmer verlassen
hatte, dann fragte sie leise.
„Was
ist los mit dir Andrea, du warst doch bisher so eine gute Schülerin
und nun? Hast du Ärger oder Kummer zu Hause?“
Andrea
schüttelte langsam den Kopf.
Die
Lehrerin betrachtete sie eine Weile schweigend, sie hatte das kleine
Mädchen in ihr Herz geschlossen und darum tat es ihr auch weh zu
sagen:
„So
leid es mir tut Andrea, ich muss deinen Vater anrufen.“
Andrea
presste ganz fest die Lippen zusammen, um das triumphierende Lächeln
zu unterdrücken.
Stattdessen
nickte sie nur traurig und stumm mit dem Kopf.
„Du
kannst gehen!“ seufzte Frau Heidenreich.
Merle
wartete vor der Schule.
Andrea
grinste: „Es hat geklappt, mein Papa muss morgen in die
Sprechstunde!“
Sie
hoben die Hand und klatschten ab und kichernd verließen sie den
Schulhof.
Pünktlich
um 17 Uhr klopfte Herr Baumann an die Tür des Sprechzimmers.
Ernst
hörte er sich an, was die Lehrerin ihm erzählte und er
bekam
ein schlechtes Gewissen.
Er
hatte sich wenig um Andrea gekümmert, sich in seine Karriere
gestürzt und seiner Mutter alles weitere überlassen.
Erst
gestern hatte diese
ihm erklärt, dass ihr alles zu viel würde und er endlich wieder
heiraten sollte, dann das Kind bräuchte eine Mutter.
Frau
Heidenreich war nun mit ihren Ausführungen fertig, dann machte sie
ihm einen Vorschlag.
„Wenn
Andrea einverstanden ist, dann würde ich ihr gerne Nachhilfe geben.“
Erleichtert
atmete Herr Baumann auf und als sie sich zum Abschied die Hand
reichten, dachte Frau Heidenreich „was für ein attraktiver Mann“
und Herr Baumann dachte, „welch ein bezauberndes Lächeln diese
Frau doch hat“.
Und
so kam es, dass Frau Heidenreich jeden Nachmittag mit Andrea
Hausaufgaben machte.
Mit
der Zeit blieb sie zum Abendessen und seltsamerweise kam Herr Baumann
jetzt auch immer früher heim.
Und
wenn sie dann so fröhlich zusammen am Tisch saßen, dachte Andrea
glücklich. „Wie eine richtige Familie!“
Und
eines Tages kam das Mädchen ins Wohnzimmer und sah wie ihr Papa ihre
Lehrerin im Arm hielt und küsste.
„Endlich!“
jubelte sie, „dann kann ich ja meine Hausaufgaben wieder ordentlich
machen.“
Die
Erwachsenen sahen sie erst überrascht an, dann begannen sie herzlich
zu lachen.
©
Lore Platz 4.09.2019
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