Montag, 30. September 2019

Hexenkind

Es liegt in der Natur des Menschen, dass alles was er nicht versteht ihm Angst macht.
Und Angst ist kein guter Ratgeber, denn es bringt die schlechtesten Eigenschaften im Menschen hervor.

Ich wünsche euch einen schönen Wochenanfang und viel Spaß beim Lesen!






Hexenkind

Vergnügt pfeifend schulterte der Holzfäller Andreas seine Axt und marschierte mit weit ausholenden Schritten durch den dämmrigen Wald.
Seine Kollegen waren schon längst nach Hause gegangen zu ihren Familien.
Aber auf ihn wartete niemand in der kleinen Hütte am Waldrand und so hatte er es nicht so eilig.
Es fing zu regnen an, aber das minderte seine gute Laune nicht.
Als er zu der großen Lichtung kam, blieb er abrupt stehen.
Ein wunderschönes graziles Mädchen tanzte selbstvergessen im warmen Sommerregen.
Als sie ihn erblickte lächelte sie heiter und winkte ihn heran.
Komm Andreas tanz' mit mir!“
Der junge Mann ließ die Axt fallen und ging wie im Traum auf die schöne Lichtgestalt zu und dann tanzten sie verliebt die ganze Nacht.
Einige Monate später.
Andreas konnte die schöne Fee nicht vergessen, aber so oft er auch zu der Lichtung lief, er traf sie nie wieder.
Heute war Sonntag und Andreas trat vor die Tür.
Er band die Ziege an den Pfahl, um sie zu melken und dann fütterte er die Hühner.
Als er zurück über den Hof ging nahm er eine Bewegung am Waldrand wahr.


Mit schnellen Schritten ging er auf die verhüllte Gestalt, die ihm so bekannt vorkam, zu.
Melisande, du bist es!“ jubelte er.
Die Fee lächelte traurig und trat einen Schritt zurück, als er sie umarmen wollte.
Sie hob ihm das Bündel, das sie in den Armen hielt entgegen und Andreas erblickte ein reizendes Baby, das ihn mit veilchenblauen Augen anstrahlte.
Das ist unsere Tochter Melody, ich vertraue sie dir an. Gib gut auf sie acht und schütze sie vor den Menschen.“
Warum bleibst du nicht bei mir und wir beschützen sie beide!“
Die Fee sah ihn mit einem traurigen Lächeln an.
Ich passe nicht in deine Welt, die Menschen würden mich zerstören. Außerdem hat mein Vater mich verbannt, denn es ist verboten, dass eine Fee sich mit einem Menschen vereint. Er hat mir nur erlaubt, dir unsere Tochter zu bringen. Lebe wohl!“
Mit Tränen in den Augen wandte sie sich ab und war verschwunden.



Das Baby gluckste und Andreas sah hinunter auf das bezaubernde Kind in seinen Armen.
Liebe zu dem kleinen Geschöpf zog in sein Herz und er flüsterte: „Meine Tochter, ich werde auf dich aufpassen!“
Es war nicht einfach für ihn, aber bald konnte er wunderbar mit dem Baby umgehen.
Er nahm es mit in den Wald, legte es auf eine Decke und bald sammelten sich die Tiere des Waldes um das kleine Mädchen, als wollten sie es beschützen.
Melody entwickelte sich prächtig und wuchs zu einem hübschen heiterem Kind heran, das gerne sang und lachte.
Wenn sie eine Pflanze berührte, dann wuchs diese besonders schön und prächtig und bald schon erkannte sie, dass sie die Sprache der Tiere verstand.



Die Leute im Dorf betrachteten die Kleine, die so anders als ihre Kinder war, mit scheelen Augen.
Und da Andreas ihnen nie die Frage nach der Mutter des Kindes beantwortete, stellten sie die abenteuerlichsten Vermutungen an.
Eines Tages, als sie wieder einmal auf dem Dorfplatz zusammen standen, meinte einer der Dörfler:
Vielleicht hat er sich ja im Wald mit einer Hexe eingelassen und nun hat er ein Hexenkind!“
Und der Name Hexenkind ward geboren.
Sie sprachen es leise und hinter vorgehaltener Hand, denn sie fürchteten den starken kräftigen Riesen Andreas.
Aber wenn sie Melody allein antrafen, dann riefen sie ihr schon Hexenkind und Ausgeburt der Hölle nach.
Am schlimmsten aber trieben es die Kinder, die ja von den Erwachsenen nichts anderes hörten.
Sie liefen sogar bis zum Häuschen am Waldrand und brüllten „Hexenkind! Hexenkind!“




Bis der große schwarze zottige Hund mit gefletschten Zähnen am Zaun hoch sprang und wütend bellte.
Dann liefen sie lachend und schreiend davon.
Der Hund Wolf kam zu ihnen als Melody ungefähr zwei Jahre alt war. Andreas hatte den Welpen im Wald gefunden und in relativ kurzer Zeit war er zu einem riesigen großen Wolf herangewachsen, der dem Mädchen nicht mehr von der Seite wich.
So konnte Andreas beruhigt in die Arbeit gehen, denn er wusste sein Kind hatte einen guten Beschützer.
So führten Vater und Tochter ein schönes beschauliches Leben.
Melody machte das Heim gemütlich und Andreas freute sich jetzt immer wenn er nach Hause kam.
Das Mädchen fühlte sich auch tagsüber nicht einsam, denn sie konnte sich mit Wolf unterhalten und auch die Tiere des Waldes besuchten sie täglich.
Die Dörfler aber mied sie.

Morgen geht es weiter

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