Er
war 24 Jahre alt und gerade verheiratet, als er 1939 in den Krieg
ziehen musste.
Als
er dann einmal Urlaub von der Front bekam, fuhr ihm seine junge Frau
entgegen und der Bahnhof, an dem sie ihn erwartet wurde durch Bomben
zerstört und er war Witwer.
Dieser
Krieg hat so viel Unheil und Leid den Menschen gebracht.
Später
lernte er dann meine Mutter kennen und diese schrieb ihm jeden Tag
einen Brief an die Front.
1944
haben sie dann geheiratet.
Mein
Vater wurde dann schwer verwundet und während er in Deutschland im
Lazarett lag, wurde seine gesamte Einheit in Russland getötet.
Er
wurde dann nach Ingolstadt in die Kaserne versetzt und meine Mutter
folgte ihm und er mietete ihr ein kleines Zimmer.
Nach
dem Krieg blieben meine Eltern in Bayern und mein Vater ging zur
Polizei.
Er
wurde in einen kleinen Ort versetzt, in dem in einem ehemaligen
Schloss in der großen Halle die Polizeistation war.
Ich
verbrachte viele Stunden in der gemütlichen Wachstube.
Als
ich klein war brachte mich meine Mutter zu meinem Vater, wenn sie
etwas zu erledigen hatte.
Und
da ich sehr brav und ruhig war, hatte keiner etwas dagegen und ich
wurde so ein bisschen das Maskottchen der Gendarmerie.
Später,
als ich größer war, besuchte ich oft meinen Vater, durfte auf den
alten Schreibmaschinen herum klappern und spitzte mit Begeisterung
für jeden die Bleistifte.
Am
Pult war ein Spitzer angeschraubt, in die Rolle vorne steckte man den
Stift und durch kurbeln wurde er spitz.
Als
ich ungefähr zwei Jahre alt war starb meine Großmutter
mütterlicherseits und meine Eltern wollten mich nicht auf die weite
Zugreise ins Saarland mitnehmen.
Ein
Kollege meines Vaters, der selbst zwei kleine Jungen hatte, erbot
sich, mich während dieser Zeit aufzunehmen und da ich ihn kannte
fremdelte ich auch nicht.
Zwei
Tage später hatte ich meine Eltern vergessen und da der Kollege
dieselbe Statur und Uniform wie mein Vater hatte, war er
bald für mich mein Vater.
Jeden
Abend, wenn er vom Dienst nach Hause kam, wieselte ich in den Flur,
hievte seine schweren Pantoffeln hoch und stolperte auf ihn zu,
streckte ihm die Puschen mit strahlendem Lächeln und den Worten:
„Vati kalte Füß!“, entgegen.
Dieser
Satz verfolgte mich dann jahrelang.
Jedes
Mal wenn ich dem Kollegen begegnete, egal wo und wenn es mitten im
Supermarkt war, dann grinste er von einem Ohr zum anderen und brüllte
mit seiner dröhnenden Stimme:
„Vati
kalte Füß!“
Das
konnte manchmal ganz schön peinlich sein, besonders wenn man
inzwischen ein Teenager ist.
Wir
hatten eine schöne Kindheit.
Es
war keine heile Welt, es wurde auch gestritten, gezickt, gezankt und
wir bekamen, wenn wir es verdienten auch eine auf den Popo.
Doch
die vielen fröhlichen und glücklichen Stunden, sowie die Liebe und
Geborgenheit begleiten uns ein Leben lang.
Bei
uns wurde viel gesungen, besonders die alten Volkslieder, wenn wir
drei Mädels abspülten sangen wir dabei und aus irgendeinem Zimmer
fiel meine Mutter mit ein und manchmal brummte auch mein Vater
dazwischen.
Mein
Lieblingslied ist übrigens bis heute:
„Am
Brunnen vor dem Tore...“
Mein
Vater liebte Friedrich Schiller.
Als
Bub musste er das lange Gedicht vom Lied der Glocke auswendig lernen
und jedes mal wenn er uns ärgern wollte zitierte er daraus.
Samstags
saßen wir gerne mit unserer Mutter länger am Frühstückstisch und
erzählten und lachten.
Das
mochte er gar nicht, vielleicht fühlte er sich auch als einziger
Mann ausgeschlossen.
Jedenfalls,
sobald er seine Tasse Kaffee ausgetrunken hatte, erhob er sich, ging
in das angrenzende Zimmer und begann demonstrativ aufzuräumen und
dabei zitierte er so laut, dass wir es ja auch mitbekamen aus dem
Lied der Glocke:
„Und
drinnen waltet
Die
züchtige Hausfrau
Die
Mutter der Kinder
Und
herrscht weise
Im
häuslichen Kreise
Und
lehret die Mädchen
Und
wehret die Knaben
Und
regt ohne Ende
Die
fleißigen Hände“
Natürlich
hat uns das zu noch größeren Heiterkeitsausbrüchen veranlasst
und am Ende musste er selbst mitlachen.
Sind
es nicht gerade seine Macken, die einen Menschen besonders
liebenswert machen?
Als
wir größer waren lag jedes Jahr unter dem Weihnachtsbaum ein
Gesellschaftsspiel und wir saßen dann zusammen und spielten.
Mein
Vater mogelte für sein Leben gerne dabei, aber so, dass man es
merkte, denn meine Mutter regte sich immer furchtbar darüber auf und
das bereitete ihm eine diebische Freude.
Überhaupt
verband meine Eltern eine große Liebe zueinander die 44 Jahre hielt.
Leider
erkrankte mein Vater die letzten vier Jahre an Alzheimer.
Eine
sehr schlimmer Krankheit, denn der Mensch den du einst gekannt hast,
verschwindet mit der Zeit, lange vor seinem Tod.
Aber
ich behalte ihn in Erinnerung wie er war: Ein guter Vater!
(c) Lore Platz 9.11.2013
Ich bin ein echter Fan deiner Erinnerungsgeschichten, weil ich dich so noch besser kennen lernen. Und die Fotos - einfach schön! LG Martina
AntwortenLöschenIch auch, liebe Lore,
AntwortenLöschenich schließe mich Martina an, ich kann gar nicht genug bekommen von deinen ERinnerungsgeschichten!
Herzliche Grüße
Regina
Guten Morgen liebe Lore
AntwortenLöschenDeine Erinnerungsgeschichte hast Du wieder sehr rührend mit einem leichten Lächeln dargestellt,
nun warte ich schon auf die nächste Geschichte.
Liebe Grüße Joachim