Mittwoch, 2. Oktober 2019

Hexenkind 2


Tut mir leid ich bin krank und musste euch warten lassen auf die Fortsetzung. Da ich mir sowieso eine Kanne Tee kochen musste, habe ich schnell den Laptop geöffnet und den zum Glück schon bereit stehenden Entwurf aktualisiert.
Ich melde mich wieder wenn es mir besser geht, nun schnapp ich meinen Tee und verzieh mich wieder ins Bett.






Als sie siebzehn Jahre alt war, geschah ein großes Unglück.
Ihr Vater geriet unter einen gefällten Baum und wurde schwer verletzt.
Als der Arzt mit sehr besorgtem Gesicht das Haus verließ, setzte sich Melody zu ihrem todkranken Vater an das Bett.
Andreas öffnete mühsam die Augen und flüsterte.
Melody, ich spüre, wir müssen scheiden. So viele Jahre warst du mein Sonnenschein, doch nun muss ich dich verlassen.“
Weinend schmiegte sich das Mädchen an den geliebten Vater.
Mit seiner großen schwieligen Hand streichelte er über das seidige Haar seiner Tochter, dann aber schob er sie von sich.
Kind du musst sofort deine Sachen packen und gehen. Nimm Wolf mit und flieh in den Wald. Die Tiere werden dich beschützen und dann suche nach deiner Mutter.
Sag meiner Melisande, dass sie die Liebe meines Lebens war und dass ich ihr danke, für die wundervolle Tochter, die sie mir geschenkt hat.
Aber nun geh', ich weiß nicht was die aus dem Dorf mit dir machen, wenn ich dich nicht mehr schützen kann!“
Melody küsste ihren Vater und packte weinend ihr Bündel. Die Vorräte aus der Speisekammer füllte sie in einen großen Beutel, dann verließ sie das Haus.
Mit Wolf an ihrer Seite ging sie den Hang hinauf zum Wald.
Bevor sie den Wald betrat, drehte sie sich noch einmal um und sie sah eine weiße Taube aus dem Haus fliegen.
Da wusste sie, dass ihr Vater gestorben und seine Seele gen Himmel flog.
Dicke Tränen fielen auf den Boden, als sie weiter ging.
Wolf drückte sich eng an sie, als wollte er sie trösten, doch er sagte kein Wort.
Lange wanderten sie durch den Wald, dann über eine große Wiese und als es dämmerte lagerten sie an einem Bach unter einer Trauerweide.




Melody packte den Proviant aus und teilte ihn mit Wolf, und sie tranken beide von dem klaren Wasser des Bachs.
Lange saß das Mädchen an die raue Rinde der Weide gelehnt und dachte an ihren Vater und die schönen Jahre mit ihm. Und in Gedanken nahm sie Abschied von ihm. Erst als es dunkel wurde zog sie ihren Umhang fest um sich, kuschelte sich eng an Wolf und schlief tief und traumlos.
Ausgeruht und voller Energie erwachte sie am nächsten Morgen, wusch sich im Bach und teilte wieder ihr Frühstück mit Wolf.





Eine Entenfamilie paddelte vorbei und Melody rief ihnen einen freundlichen Gruß zu und warf ein paar Brotkrumen ins Wasser.
Die Entenmutter dankte und kam gefolgt von ihren flauschigen Jungen ans Ufer.
Liebe Frau Ente, weißt du vielleicht, wohin der Feenkönig seine Tochter Melisande verbannt hat?“
Tut mir leid, aber frag doch Sofia, die Schildkröte. Sie ist schon sehr alt und sehr weise.“
Kannst du mir sagen wo ich sie finde?“
Folge dem Pfad, der durch den dunklen Wald führt, dann kommst du an den See wo das kleine Volk lebt. Dort lebt auch Sofia.
Pass aber auf, die Kobolde sind hinterhältig und diebisch. Wenn du etwas Glitzerndes bei dir hast, dann verstecke es lieber.“
Danke!“ rief Melody und zusammen mit Wolf wandert sie weiter.
Der Weg durch den dunklen Wald war beschwerlich und das Mädchen hatte oft das Gefühl als würden sie heimlich beobachtet.
Doch Wolfs Nähe gab ihr Mut und Kraft.
Als sie den Wald verließen breitete sich vor ihnen ein großer See aus, inmitten einer blühenden Wiese, umgeben von Hügeln.




Eine riesige Schildkröte paddelte träge im Wasser.
Melody trat ans Ufer und grüßte freundlich.
Die Schildkröte blinzelte und murmelte mit tiefer rauer Stimme.
Guten Tag, ich weiß wer du bist, du bist die Tochter der Fee Melisande und möchtest wohl wissen wo deine Mutter ist.“
Ja, könnt ihr es mir sagen?“
Nun der Feenkönig hat sie auf das Wolkenschloss zu Frau Holle verbannt und obwohl der Bann längst aufgehoben wurde, ist sie geblieben.“
Und wie komme ich zum Schloss von Frau Holle ?“
Doch die Schildkröte hatte die Augen wieder geschlossen und ließ sich vom Wasser treiben.
Sie war wohl sehr schlafbedürftig.
Was gibst du mir, wenn ich es dir sage?“
Melody drehte sich um und sah den Kobold, der sich angeschlichen hatte, fragend an.
Dann lächelte sie, griff in ihre Tasche und holte eine Haarspange heraus und legte sie auf die flache Hand.
Im Sonnenlicht begannen die Steine zu glitzern.



Der Kobold trat einen Schritt näher, Melody schloss schnell die Hand und Wolf stieß ein drohendes Knurren aus.
Erschrocken sprang der Kleine zurück.
Halt mir bloß das Ungetüm vom Hals, sonst sag ich gar nichts.“
Melody legte beruhigend die Hand auf den Kopf des Hundes.
Wenn du den See umrundest und durch den anschließenden Wald gehst, kommst du zu einem Felsengebirge und der höchste Berg führt direkt in das Wolkenschloss. Aber nun gibt her.“
Er schnappte sich die Spange und lief, so schnell er mit seinen kurzen drallen Beinen konnte, davon.


Als sie den großen Felsen erreicht hatten sah das Mädchen entsetzt nach oben.
Wie sollte sie das nur schaffen.
Wolf warte bitte auf mich.“
Ist gut, aber gibt auf dich acht.“
Beherzt griff Melody in die Wand und zog sich nach oben.
Der Aufstieg war beschwerlich, bald schmerzten ihre Füße und sie setzte sich auf einen kleinen Absatz.
Ein Adler ließ sich neben ihr nieder und als das Mädchen in seine großen klaren Augen sah, kam er ihr merkwürdig vertraut vor.
Steig auf meinen Rücken, ich bringe dich zum Wolkenschloss.“
Melody kletterte auf den Rücken des Vogels und schlang die Arme um seinen Hals.



Vor dem großen weißen Schloss auf dem Gipfel des Felsens setzte der Adler das Mädchen ab, neigte grüßend den Kopf und flog davon.
Eine Frau mit freundlichem pausbäckigem Gesicht sah aus dem Fenster.
Vergnügt schlug sie die molligen Hände zusammen und rief.
Besuch, wie schön, komm herein, die Tür ist offen.“
Melody trat in die große Halle und begrüßte Frau Holle, dann sah sie im Hintergrund ihre Mutter und erkannte sie sofort.
Stumm sahen sie sich an, dann breitete die Fee beide Arme aus und Melody stürzte sich hinein.
Frau Holle aber hatte Tränen der Rührung in den Augen.
Viel gab es zu erzählen und beide weinten um den Verlust von Andreas.
Später nahm Melody ein Bad und schlüpfte in die schönen Kleider, die für sie bereit lagen.
Dann liefen Mutter und Tochter Hand in Hand aus dem Schloss, sprangen auf eine vorbeiziehende Wolke, die sie nach unten brachte.




Wolf kam ihnen schon entgegen. Lange betrachtete er Melody, die wunderschön in dem zarten bunten Kleid aussah. In ihr langes Haar hatte die Mutter Blumen geflochten.
Du bist wunderschön. Nun siehst du wie eine richtige Fee aus.“ brummte Wolf anerkennend.
Fröhlich lachend umarmte Melody ihren langjährigen Freund und Beschützer.
Als sie wenig später das große Schloss des Feenkönigs betraten war ihr doch etwas bang zumute. Sie drückte sich ganz eng an ihre Mutter.
Wolf aber lief zu dem großen Stuhl, auf dem der Feenkönig saß und ließ sich zu seinen Füßen nieder.
Der König betrachtete seine Enkelin und Melody fühlte sich unbehaglich unter seinem Blick.
Sie reckte das Kinn vor, verschränkte die Arme und wippte ungeduldig mit dem Fuß.
Der Feenkönig lachte:
Enkeltochter du gefällst mir!“
Ich weiß aber nicht, ob du mir gefällst, du mochtest meinen Vater nicht.“
Das stimmt nicht, er war ein guter Mensch und war es wert, der Mann meiner Tochter zu sein. Aber unser Gesetz verbietet nun mal eine Verbindung zu den Menschen. Es wäre niemals gut gegangen. Andreas hätte sich in unserer Welt nicht zurecht gefunden und Melisande wäre in der Menschenwelt zerbrochen. Oder hast du dich wohlgefühlt bei den Menschen?“
Melody schüttelte den Kopf.
Siehst du, und nun da deine einzige Verbindung zu den Menschen nicht mehr besteht, gehörst du zu uns und wirst fortan in unserem Schutz leben.“
Das Mädchen umarmte ihren Großvater.
Gerührt meinte dieser.
Ich habe ein kleines Fest vorbereitet um dich willkommen
zu heißen und gleichzeitig will ich meinen Untertanen meine bezaubernde Enkelin vorstellen. Kommt mit in den Festsaal.“
Er wendete sich zur Tür.
Wolf aber sprang auf und grollte.
Feenkönig, hast du nichts vergessen. Willst du mir nicht endlich meine wirkliche Gestalt zurück geben.“
Ach richtig!“ Der König schnippte mit dem Finger und ein Zittern ging durch den Hund und auf einmal stand ein hübscher junger Mann vor den erstaunten Frauen.
Aber, das ist ja Gernot, der Feenjunge, der vor vielen Jahren verschwunden ist. Du bist ja ein richtiger Mann geworden!“ rief Melisande erstaunt.
Nun Tochter, glaubst du, ich hätte mein Enkelkind ohne
Schutz bei den Menschen gelassen.“
Melisande umarmte ihren Vater dankbar.
Gernot aber verneigte sich grinsend vor Melody.
Dies trat ganz nahe an ihn heran und fuhr vorsichtig mit der Hand über seine Wange.
Du warst Wolf?“ Und dann sah sie in seine Augen.
Und auch der Adler?“
Gernot lächelte sie zärtlich an. „Ja dein Beschützer seit Kindertagen.“
Und das ist nun deine richtige Gestalt?“
Ja, gefällt sie dir?“
Melody betrachtete ihn kritisch.
Ich weiß nicht, als Wolf warst du knuddeliger.“
Der Feenkönig lachte dröhnend und auch Melisande kicherte.
Gernot aber verneigte sich, reicht Melody seinen Arm und fragte vergnügt grinsend.
Nun Prinzessin Melody, darf ich sie in den Festsaal begleiten.“
Das Mädchen knickste und hängte sich bei dem Feenmann ein.
Gernot aber beugte sich vor und fragte so leise, dass nur Melody es hören konnte „und darf ich für immer dein Beschützer sein?“
Melody lächelte leicht errötend.
Stirn runzelnd sah der Feenkönig ihnen nach.
Ich befürchte der Tunichtgut wird wohl mein Enkel werden.“
Melisande lachte.
Ja und ich bin sehr froh über diesen Schwiegersohn.
Hat er doch meine Tochter seit Kindertagen sehr gut beschützt und wird es auch weiter tun.“


© Lore Platz