Hält man sein Kind zum ersten Mal im Arm, ist das Herz erfüllt voll Liebe und man möchte es vor allen Widrigkeiten der Welt beschützen. Die ersten Jahre gelingt es vielleicht. doch spätestens wenn es in die Schule geht, wird es womöglich gemobbt. Auch vor Todesfällen in der Familie kann man es nicht bewahren. Doch man kann seinem Kind bei all den Problemen hilfreich zur Seite stehen und ihm beibringen wie man mit Konflikten umgeht und auch sein Selbstbewusstsein stärken.
Der schlimmste Tag einer Mutter ist der, wenn das Kind zum ersten Mal seine Flügel ausbreiten und die Welt erkunden möchte.
Als meine Tochter mitten unter der Ausbildung in eine WG in Berlin ziehen wollte, war ich schockiert. Sie schrieb damals Geschichten und ließ diese im Internet herumgehen, da wurde sie von einem jungen Mann angeschrieben, der einen eigenen Radiosender hatte. Er wollte ihre Geschichten in dort vorlesen.
Als gute Mutter kümmerte ich mich natürlich darum, dass sie ihre Ausbildung in Berlin beenden konnte, obwohl mir das Herz schwer war. Die einzige Bedingung bevor sie umzog, ich wollte den jungen Mann erst kennenlernen.
Heute lebt sie nun schon seit achtzehn Jahren in Berlin, hat ihr Examen als Erzieherin mit Note 1 gemacht und ist immer noch in dem gleichen Kindergarten, in dem sie ihr Praktikum machte. Hat einen sehr netten Freund, eine hübsche Wohnung und ihre Mutter nicht vergessen.
Es ist das größte Geschenk, wenn man sieht, dass aus seinen Kindern ordentliche, ehrliche Menschen wurden.
Wenn dein Kind klein ist; gib ihm Wurzeln
Wenn dein Kind groß ist; dann gib ihm Flügel
Es ist nicht immer leicht für uns Mütter unseren Kindern Flügel zu geben, aber wir tun es, da wir unsere Kinder lieben.
Dazu eine alte Geschichte von mir, die noch nicht alle Leser hier kennen.
Viel Spaß beim Lesen!
Gibt
es ein Leben nach den Kindern?
Bärbel
steht an der Tür und winkt dem Auto nach.
Nun
hat auch ihr Nesthäkchen das heimatliche Nest verlassen.
Frank
bringt sie gerade nach München zum Bahnhof und von dort fährt sie
dann nach Berlin, wo sie ihre Ausbildung beenden will.
Durch
einen Glücksfall hat sie ein Zimmer in einer WG bekommen.
Seufzend
wendet sich die Frau um und geht ins Haus, das jetzt so merkwürdig
still und verlassen wirkt.
Und
nun kommen die Tränen, die sie bisher so tapfer unterdrückt hat.
Tag
an Tag reiht sich aneinander und Bärbel weiß oft nichts mit sich
anzufangen. Als sie wieder einmal zum dritten Mal über die frisch
polierte Spüle fährt, lässt sie sich ermattet auf einen Stuhl
fallen.
Die
Stille erdrückt sie.
Wie
sehr vermisst sie doch den Lärm, die Fröhlichkeit und selbst das
Chaos, das ihre Kinder immer hinterlassen hatten bevor sie das Haus
verließen, um dann in einigen Stunden wieder zu kommen, hungrig und
voll von ihren Erlebnissen.
Schluss
mit dem sinnlosen Putzen.
Sie
musste raus hier.
Kurzentschlossen
greift sie ihren Korb, wirft Schlüssel und Geldbörse hinein und
verlässt das Haus.
Auf
dem Wochenmarkt sind um diese Zeit nur Hausfrauen
zu treffen.
Bärbel
schlendert zum Stand von Erna Waldinger, bei der sie seit Jahren
immer einkauft.
Die
alte Frau begrüßt sie mit einem Lächeln und packt das gewünschte
Gemüse
in ihren Korb.
Als
sie ihr das Wechselgeld zurückgibt meint sie schmunzelnd.
„Ihre
Einkäufe werden immer weniger.“
Bärbel
nickt.
„Nun
hat auch unser Nesthäkchen das Nest verlassen und mein Mann und ich
sind alleine.“
„So
ist es im Leben, die Kinder
werden flügge.
Ich
habe ihr drei ja aufwachsen sehen. Es sind prima Kinder und
sie müssen sich keine
Sorgen machen, die werden
sich in der Welt behaupten.“
„Aber
sie fehlen mir und zuhause ist es so entsetzlich still!“
„Das
ist der Lauf der Welt, daran kann man nichts ändern, aber es ist
doch auch eine Chance und sie könnten etwas für sich tun.“
„Vielleicht,
auf Wiedersehen.“
Mit
müden Schritten schlendert sie weiter.
„Bärbel,
Bärbel!“
Bärbel
sieht sich um und entdeckt vor dem
Cafe
Bergmeister ihre ehemalige Schulfreundin Adelheid.
„Mensch
Heidi, seit wann bist du
denn wieder hier.“
„Noch
nicht lange, aber setze dich doch. Wie geht es dir
denn ?“
Bärbel
schüttet der Freundin ihr Herz aus.
„ Ich
habe ja keine Familie, da mein Beruf mich immer zu sehr in Anspruch
genommen hat, aber manchmal sind solche
Veränderungen auch eine Chance.“
„Das
habe ich heute schon einmal gehört,“ murmelt ihre Freundin.
„Ich
stehe auch gerade vor einer Veränderung.“
„Gefällt
es dir denn nicht mehr
in Hamburg?“
„Und
wie, aber mein Vater hatte einen Herzinfarkt.“
„Ich
habe davon gehört, wie geht es ihm denn?“
„Besser
und wenn er nicht mehr so viel arbeitet kann er noch lange leben. Er
möchte, dass ich seinen Verlag übernehme.“
Adelheids
Vater gehörte ein kleiner Zeitungsverlag, der täglich die regionale
Zeitung herausbrachte.
„Möchtest
du?“
Adelheid
nickt zögernd.
„Wie
du weißt hat mein Urgroßvater den Verlag gegründet und nun liegt
es wohl an mir ihn weiter zu führen.“
„Du
willst dich also wieder in den
Staub unseres Provinznestes begeben,“ grinst Bärbel.
Die
beiden Frauen prusten los.
Als
Adelheid nach ihrem Examen das Angebot einer großen Hamburger
Zeitung bekommen hatte, führte sie einen
Freudentanz auf und jubelte:
„Nun
kann ich endlich und für immer den Staub dieses Provinznestes von
den Schuhen schütteln!“
Als
sich beide wieder beruhigt haben, gesteht Adelheid etwas verlegen:
„Naja
auch hier hat sich in den letzten Jahren viel verändert und außerdem
möchte ich etwas frischen Wind in unseren Verlag bringen.
Neben
der Regionalzeitung möchte ich auch über das Weltgeschehen
berichten, die Landwirtschaftszeitung neu gestalten und etwas über
die ländliche Küche und auch die Ausflugsziele hier berichten. Und
ich habe eine Zeitung für die ganze Familie geplant.
Da
wird es etwas für die Väter, die Mütter und auch die Kinder
geben.“
Sie
runzelt die Stirn und betrachtet Bärbel nachdenklich.
„Malst
du eigentlich noch diese reizenden kleinen Bilder und denkst dir dazu
Geschichten aus, wie du es in unserer Kindheit immer getan hast?“
„Schon
lange nicht mehr, als die Kinder noch klein waren habe ich ihnen
immer kleine ausgedachte Gutenachtgeschichten
erzählt und manchmal auch Bilder für sie gezeichnet.“
„Hast
du keine Lust für meine neue Familienzeitung eine Kindergeschichte
zu schreiben und Bilder dazu zu zeichnen? Am
besten eine Fortsetzungsgeschichte, das erhöht
die Auflagen, denn die Kleinen werden solange betteln,
bis die Eltern die nächste Zeitung kaufen, damit sie die Fortsetzung
lesen können. Was meinst du? Entschuldige!“
Adelheids
Handy klingelt.
Während
ihre Freundin telefoniert überlegt Bärbel und mehr und mehr gefällt
ihr der Gedanke.
Adelheid
klappt das Handy zu und springt
auf.
„Tut
mir leid, ich muss los!“
Sie
kramt in ihrer Tasche und reicht Bärbel eine Visitenkarte.
„Lass
es dir durch den Kopf gehen und rufe mich an. Ich würde mich
freuen.“
Auch
Bärbel macht sich auf den Weg nach Hause.
In
dem kleinen Schreibwarengeschäft an der Ecke kauft sie sich einen
Block
und Stifte.
Zu
Hause stellt sie den Einkaufskorb achtlos in der Küche ab und läuft
hinaus in der Garten.
Sie
setzt sich auf die Bank und
legt Block und Stifte
auf den Tisch vor sich.
Die
Sonne scheint
warm auf sie herunter und
dringt
bis in ihr Herz.
Weiße
Schäfchenwolken zieren den hellblauen Himmel und
Bienen
um schwirren summend die duftenden Blüten.
Eine
Amsel singt
auf dem Birnbaum voll
Inbrunst ein Lied und ein
Schmetterling tanzt taumelnd vor übermütiger Freude dazu.
Plötzlich
erwacht der Garten zum
Leben.
Der
Schmetterling verwandelt sich in eine kleine Elfe, die sich auf einer
Tulpe niederlässt und vergnügt mit den Beinen baumelt.
Die
Bienen haben auf einmal kleine goldene Eimerchen, in die sie fleißig
den gesammelten Nektar geben.
Der
Amselmann aber trägt einen Smoking und eine weiße Fliege, hält
zwischen den Flügeln einen bunten Blumenstrauß und singt für seine
Angebetete ein Liebeslied.
Diese
sitzt einige Äste weiter in einem einfachen braunen Hauskleid und
lauscht verzückt dem voll tönenden Bariton.
Ein
Zwerg mit griesgrämigem Gesicht, steckt seinen Kopf aus dem
Brombeergebüsch und brüllt:
„Ruhe,
ich möchte schlafen!“
Bärbels
Stift fährt über das Blatt und immer mehr liebliche, skurrile und
fröhliche Gestalten entstehen.
Und
dazu spinnt und zaubert sie
im Kopf eine wundersame Geschichte, die sie später dann aufschreiben
wird.
Blatt
um Blatt füllt sich und Bärbel vergisst gänzlich die Zeit und
erschrickt, als ihr Mann plötzlich neben ihr steht und sie begrüßt.
Schuldbewusst
sieht sie auf die Uhr.
„Ich
habe vergessen zu kochen.“
Frank
grinst.
„Den
Einkaufskorb habe ich in der Küche gesehen, aber was zeichnest du
denn da?“
Er
setzt sich neben sie und während er sich staunend Blatt für Blatt
betrachtet, erzählt ihm Bärbel von Adelheids Vorschlag.
Frank
aber freut sich denn er hat sich schon Sorgen um seine Frau gemacht.
Doch
nun sind die Schatten verschwunden und es leuchtet wieder die alte
Energie und Lebensfreude aus den Augen seiner Bärbel.
©
Lore Platz
Was für eine wunderbare Geschichten und Fügungen Lore. So kann man auch das Leben ohne Kinder im Haus gestalten. Ich hatte dieses Problem nie. war zumindest über meinen Beruf immer nah am Weltgeschehen und schwerst beschäftigt. Ich hatte immer das Gefühl mein Kind kommt zu Kurz.
AntwortenLöschenSo schön geschrieben und erinnert mich an jemand ganz Lieben. Auch meiner Mutter ging es so, als alle ausgeflogen waren. Sie hat dann ihre caritative Seite entdeckt und ehrenamtlich in einem Pflegeheim gearbeitet... den 1. Schritt muss man selber tun...
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