Kleine
Geste, große Wirkung
Früher
war alles besser, das sagt man oft, weil man vielleicht auch im
Rückblick alles ein wenig verklärter sieht.
Aber
ich habe noch eine schöne Erinnerung an den
„Tante
Emma“ Laden, in den meine Mutter mich immer schickte.
Die alte Frau
mit der altmodischen Frisur und der großen Schürze war immer
freundlich und wenn ich dann den Zettel meiner Mutter hin geschoben
habe mit dem abgezählten Geld, dann schenkte sie mir ein
freundliches Lächeln.
Während
die alte Frau, deren Namen ich leider vergessen habe, alles
zusammensuchte ließ ich meinen Blick im Laden herum schweifen.
Es
gab soviel zu sehen, all die Dosen, Gläser und geheimnisvolle
Päckchen die in den Regalen aufgereiht waren.
Und
über allem lag ein wunderbarer Duft.
Eine
Mischung aus Gewürzen und frischem Brot.
Wenn ich dann das Einkaufsnetz in die Hand gedrückt bekam, durfte ich noch in das große Glas neben der Kasse greifen und mir ein Bonbon herausangeln.
Am
liebsten mochte ich die klebrigen Dinger, die aussahen wie eine rote
Himbeere.
Wie
auf Wolken schwebte ich dann aus dem Laden.
Und
wenn ich einmal zu wenig Geld dabei hatte, durfte ich es am nächsten
Tag bringen.
Der
Betrag wurde in einem großen Heft dann
eingetragen.
Meist
schickte mich meine Mutter aber sofort wieder los, denn sie mochte
keine Schulden.
Heute
wäre das doch undenkbar.
Stellt
euch mal vor, ihr steht in einem großen Supermarkt, eine Schlange
hinter euch und stellt beim Bezahlen fest, ihr habt zu wenig Geld
dabei.
Dazu
möchte ich euch eine kleine Geschichte erzählen.
Gleich
nach Schulabschluss fing ich in einer großen Versicherung an zu
arbeiten.
Ich
kann mich noch genau an meinen ersten Arbeitstag erinnern.
Nachdem
ich mich bei meinem neuen Chef vorgestellt hatte, führte er mich in
ein Büro mit sechs Schreibtischen und stellte mich meinen
zukünftigen Kollegen vor.
Auf
einem der Schreibtische stapelten sich die Kontoauszüge, da der
ältere Herr, der für die Ablage zuständig war, gerade Urlaub
hatte.
Dorthin
musste ich mich setzen und die Kontenblätter einzeln in
Einhängeordnern ablegen.
Nebenbei
wurde ich auch noch von meinen Kollegen als Bürobote eingesetzt und
sie schickten mich im ganzen Haus herum.
Da
ich extrem schüchtern war und bei der kleinsten Kleinigkeit rot wie
eine Tomate wurde, fiel es mir nicht immer leicht und vor allem
fehlte mir noch das nötige Sachwissen, wenn ich in einer anderen
Abteilung etwas zu klären hatte.
Lehrjahre
sind keine Herrenjahre, wie mein Vater immer zu sagen pflegte.
In
der Mittagspause lief ich alleine durch die Straßen, da ich ja
niemand kannte und einmal auf dem Rückweg zur Arbeit, ging ich in
einen Supermarkt.
Ich
reihte mich mit meinem Obst in der Schlange vor der Kasse ein.
Vor
mir stand eine ältere Dame und die Kassiererin tippte eifrig die
Waren ein.
Die
Dame zählte das Geld und stammelte verschämt:
„Ich
habe eine Mark zu wenig dabei.“
Die
Schlange hinter mir scharrte ungeduldig mit den Füßen, die
Kassiererin blickte leicht genervt und die alte Dame war furchtbar
verlegen.
Spontan
öffnete ich meinen Geldbeutel und drückte der völlig verdutzten
Frau ein Markstück in die Hand.
„Hier
nehmen sie bitte!“
Sie
sah mich überrascht an, dann lächelte sie strahlend, bedankte sich
herzlich und es konnte weiter gehen.
Einen
Apfel essend schlenderte ich zurück in die Firma.
Auf
meinem Schreibtisch lagen schon wieder einige Akten mit Anweisungen
meiner Kollegen.
Ich
nahm den Stapel auf den Arm und machte mich auf den Weg durch das
sechsstöckige Gebäude.
Doch
heute war alles irgendwie anders.
In
jedem Zimmer grinsten mich meine Kollegen freundlich an, dass ich
schon dachte, mir wäre eine zweite Nase gewachsen.
Erst
im sechsten Stock, als ich das Zimmer einer Kollegin betrat, die sehr
nett war und mit der ich mich gerne unterhielt, klärte sich die
Sache auf.
Die
Frau, der ich das Markstück gegeben hatte, war eine langjährige
Mitarbeiterin der Firma und kannte mich vom sehen, während ich keine
Ahnung hatte.
In
Windeseile hatte sich meine spontane Tat in der Firma herum
gesprochen und seit dieser Zeit war ich Eine von ihnen.
17
Jahre arbeitet ich in dieser Firma und blieb bis zur Geburt meiner
Tochter und arbeitete gerne dort.
Nur
als ich später selber Lehrlinge ausbilden durfte, habe ich sie nicht
nur als Büroboten benutzt.
©
Lore Platz