Mittwoch, 10. Juni 2020

Wie kann man Opa helfen






Wie kann man Opa helfen?




Die kleine Kneipe in unserer Straße ...“
tönt es aus dem Radio und Renate laufen die Tränen über das Gesicht.
Mama!“ die zehnjährige Gerlinde eilt zu ihr und schlingt die Arme um ihre Mutter.
Oma hat Peter Alexander so gerne singen gehört.“
Zärtlich schmiegt das Mädchen ihre Wange an das Gesicht der Mutter.
Oma Erika war vor eineinhalb Jahren gestorben.
Opa Karl hat bald Geburtstag. Will er ihn feiern? Er ist doch jetzt immer so traurig.“
Renate wischt sich die Tränen ab, schnäuzt kräftig und seufzt.
Er will nicht feiern und schon gar kein großes Fest, dabei wollte ich alle seine Freunde einladen, um ihn aus seiner Trauer zu reißen. Ich mach mir solche Sorgen um ihn.“
Ein Klingel ertönt und Renate lacht.
Der Kuchen ist fertig.“
Sie holt den duftenden Apfelkuchen aus dem Backofen und Gerlinde holt sich eine Nase voll von dem köstlichen Duft.
Das ist der berühmte Apfelkuchen von Oma, bekomme ich später ein Stück davon.“
Ich mach dir einen Vorschlag, wenn er abgekühlt ist kannst du ja Opa einige Stücke vorbeibringen und mit ihm Kaffee trinken, das würde ihn bestimmt freuen.“
Prima!“
Kurze Zeit später radelt Gerlinde über den Waldweg an dessen Ende Opas Haus steht.
Ein klagender Laut ertönt und die Vögel ringsum zwitschern aufgeregt. Das Mädchen bremst so scharf, dass das Rad schleudert.
Neugierig und ein wenig ängstlich sieht sie sich um, was war das. Richtig unheimlich!
Und wieder erklingt ein lautes grausliches Heulen. Gerlinde lehnt das Rad an einen Baum und folgt den klagenden Tönen und was sie dann sieht lässt ihr fast das Herz stehen.
Ein mittelgroßer sandfarbener Hund liegt auf dem Boden und eine seiner Pfoten steckt in einem verrosteten Fangeisen.
Vorsichtig tritt das Mädchen auf das Tier zu, doch ein Knurren lässt sie zurück weichen.
Sie dreht sich um läuft zu ihrem Rad, verfolgt von einem verzweifelten schmerzvollen Jaulen.
Opa Karl steht in seinem Garten als das Mädchen mit Karacho in den Hof prescht.
Nanu ist der Teufel hinter dir her!“ lacht er und wird dann ernst, als ihm seine Enkelin von dem armen Tier erzählt.
Er holt das Auto, legt eine alte Decke auf den Rücksitz und als Gerlinde sich vorne neben ihn setzt, drückt er ihr einen Maulkorb in die Hand.
Der ist noch von unserm Harras, der verletzte Hund
wird vor Schmerz vielleicht um sich beißen, wenn wir ihn befreien.“
Erschüttert steht er wenig später vor dem Tier, das knurrend die Zähne zeigt.
Schnell und geschickt streift der Mann den Maulkorb über den Kopf des Hundes.
Traust du dir zu Linde, die Pfote heraus zu ziehen, wenn ich die Falle öffne?“
Das Mädchen nickt mit bleichem Gesicht und kniet sich neben den verletzten Hund.
Bereit!“
Ja!“
Der alte Mann drückt die zwei Eisen auseinander und schnell zieht das Mädchen die verletzte Pfote heraus.
Die Falle schnappt wieder zu und nachdem er sie unschädlich gemacht hat schleudert sie Opa Karl ins Gebüsch.
Das müssen wir dem Förster melden,“ brummt er.
Der Hund liegt mit geschlossen Augen da und nur das Heben der Brust zeigt, dass er noch lebt.
Bald haben sie die Tierarztpraxis erreicht.
Mit seiner Last auf den Armen durchquert er das Wartezimmer und ruft der herbei eilenden Sprechstundenhilfe zu. „Ein Notfall!“
Der Herr Doktor ist gerade bei einer Operation!“
Dann holen sie seinen Vater, schnell. In welches Zimmer kann ich.“
Zimmer 2,“ stammelt die junge Frau und eilt davon.
Opa Karl zwinkert seiner Enkelin zu.
Dann suchen wir mal Zimmer 2.“
Vorsichtig legt er das verletzte Tier, das sich ganz ruhig verhält, als spürte es, dass man ihm helfen
will, auf den blanken Tisch.
Die Tür öffnet sich.
Na, du hast ja der armen Christine einen schönen Schrecken eingejagt, alter Schwede!“
Ha Viehdokter, hoffe du kannst es noch, auch wenn
du schon lange in Rente bist.“
Grinsend tritt der alte Arzt näher, doch dann wird sein Blick ernst. „Armer Kerl!“
Er wendet sich an die blasse Gerlinde.
Mädchen es ist besser, du gehst hinaus zu Christine, das wird keine schöne Sache.
Nachdem das Mädchen das Zimmer verlassen hat beugen sich die beiden Männer über den Hund.
Eine halbe Stunde später ruft Opa Karl Gerlinde herein.
Der Hund liegt mit geschlossen Augen, ohne Maulkorb und einen weißen Gips am Bein, auf dem Tisch.
Wir konnten das Bein retten,“ erklärt Doktor Brandstetter., dann zwinkert er dem Mädchen zu, „sag mal stimmt das, dass dein Opa bald einen runden Geburtstag hat.“
Gerlinde nickt ernsthaft, „ ja, aber er will ihn nicht feiern.“
So so, du bist wohl zu geizig, um deinen Freunden einen auszugeben. In unserem Alter muss man die Feste feiern wie sie fallen.“
Naja, wer sagt denn, dass ich das nicht will,“ brummt Karl,“ aber seht doch der Hund kommt zu sich.“
Dieser hebt beim Klang der Stimme den Kopf. Vorsichtig tritt der alte Mann an den Tisch, noch wagt er nicht das Tier zu streicheln. Doch kein Knurren ertönt und auch die Augen blicken nicht mehr aggressiv vor Schmerzen.
Vorsichtig streichelt Opa Karl den Hund und freut sich als eine raue Zunge über sein Hand fährt, als hätte der Hund seinen Retter erkannt.
Was wird nun aus ihm?“ fragt Gerlinde.
Pankratz zuckt mit den Schultern.
Einen Chip habe ich nicht gefunden, wird schwer sein den Besitzer ausfindig zu machen. Ich befürchte ja, dass er oben an der Autobahn ausgesetzt wurde, wie es leider jetzt in der Urlaubszeit öfter vorkommt. Er muss wohl ins Tierheim.“
Nein !“ ruft Gerlinde entsetzt.
Opa Karl zwinkert ihr beruhigend zu.
Kommt gar nicht infrage ich habe genug Platz, ich nehme ihn zu mir.“
Jubelnd fällt das Mädchen ihrem Großvater um den Hals.
Der alte Arzt aber grinst.
Sag mal Karl, hast du eigentlich noch ein paar Flaschen von dem guten Roten in deinem Keller?“
Ein paar dürften noch da sein.“
Dann werde ich öfter mal bei dir einen Hausbesuch machen und nach dem Hund sehen und bei der Gelegenheit könnten wir ja mal wieder eine Partie Schach spielen.“
Abgemacht!“

Renate aber ist glücklich , dass ihr Vater nun doch seinen 70igsten feiern wollte.
Ratet mal, wer an diesem Tag dem Geburtstagskind fast die Schau gestohlen hat?
Ein sandfarbener Hund mit einem Gipsbein.

© Lore Platz 10.06.2020




6 Kommentare:

  1. Liebe Lore,
    was für eine schöne Geschichte. Ich bin froh, dass sie so ausgegangen ist, ein Segen für Mensch und Tier!
    Herzliche Grüße
    Regina

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  2. Oh, soooo eine schöne Geschichte, liebe Lore! Wie gut, dass das Mädchen den Hund entdeckt hat. So konnte doch noch alles gut werden! --- LG Martina

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  3. Liebe Lore,
    beim Lesen hatte ICH Tränen in den Augen. Was für eine schöne Geschichte Dir da aus der Tastatur gesprungen ist - mit einem guten Ende für den armen Hund und den verwitweten Opa. So wurde beiden geholfen ...
    Liebe Grüße und - ich werde die Muse öfter mal zu Dir schicken ... **zwinker**
    Christine

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  4. Liebe Lore,
    das ist eine zu Herzen gehende Geschichte. Ich freue mich, dass der Opa nun wieder eine Aufgabe hat. So ein Tier kann Wunder bewirken und gerade, wenn der Tod der Frau noch nicht richtig verkraftet ist. Jetzt hat der Opa wieder zwei Freunde, den Hund und den alten Tierarzt. Das bringt auf jeden Fall Abwechslung in sein Leben. Und eine richtige Aufgabe hat er nun auch wieder.
    LG
    Astrid

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  5. Liebe Lore, das ist wieder eine sooo schöne Lore Geschichte. Jetzt geht es dem Opa bestimmt wieder besser, mit diesem neuen Kumpel.Liebe Grüße Eva

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  6. Liebe Lore, wieder hast Du mich mit Deinen Worten gefangen genommen. Stets muss ich bis zu Ende lesen, weil Du das einfach gut kannst, einen in die Geschichte mit zu nehmen.
    Danke Dir für die liebevollen Worte.
    Wenn ich könnte, würde ich Dich mal drücken.
    Herzlich grüßt Monika aus Dresden

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