In einem Kindergarten wurde ein Projekt gestartet. Da konnten die Kinder einige Schmetterlinge von den Eiern über die Verpuppung bis zum Ausschlüpfen der Distelfalter beobachten. Als ich hörte, wie sehr die Kinder sich freuten, als die Schmetterlinge dann freigelassen wurden, da überlegte ich wieder einmal, wie wenig Kinder doch brauchen, um glücklich zu sein.
Das Thema Kinderarmut in unserem Land beschäftigt mich schon seit vielen Jahren , als ich den Artikel "Kinderarmut", ihr könnt ihn unten lesen, in einem Forum veröffentlichte, schrieb mich eine Bloggerin aus Argentinien an, ob sie diesen in ihrem Blog natürlich unter meinem Namen veröffentlichen dürfte. Ich habe es ihr erlaubt. Das ist nun schon einige Jahre her.
Neulich
hatte ich ein Gespräch mit einer Bekannten, über die Kinderarmut,
die in Deutschland immer mehr zunimmt.
Doch
wo beginnt Armut und was braucht ein Kind,
Essen,
Kleidung und vor allem Sicherheit und Liebe?
Meine
Bekannte meinte grimmig:
„Es
gibt keine armen Kinder, nur faule Mütter!“
Nun
so pauschal darf man das nicht sehen, oder?
Ich
will mir hier kein Urteil erlauben, aber wenn ich zurückdenke an
meine, nach heutiger Ansicht wohl arme Kindheit, dann kann ich nur
sagen ich habe es nie so empfunden.
Mein
Vater hatte sein Erbe durch die Inflation verloren, meiner Mutter
wurde ihre gesamte Aussteuer unterwegs im Zug gestohlen.
Meine
Eltern fingen mit nichts an.
Die
ersten Möbel zimmerte mein Vater aus leeren Bierkisten.
Wir
hatten immer genug zu essen, weil meine Mutter aus nichts wunderbare
Gerichte zaubern konnte, Kartoffeln waren immer da und Fleisch gab es
nur sonntags,wenn überhaupt.
Spielzeug
gab es nicht, aber wir hatten die Natur als Spielplatz und aus Sand
und Wasser konnte man wunderbare Kuchen zaubern, mit denen wir dann
verkaufen spielten. Wir waren glücklich.
Denn
wir hatten Eltern, die uns liebten und uns Geborgenheit schenkten.
Ich
erinnere mich, dass ich einmal eine Klassenfahrt nicht mitmachen
konnte, weil meine Eltern das Geld dafür nicht hatten. Aber ich
fühlte mich deshalb
weder
arm noch ausgegrenzt.
Vielleicht
liegt heute die Latte zu hoch, was der Mensch braucht, um nicht als
arm zu gelten.
Da ich alles in Geschichten verarbeite was mich bewegt, habe ich auch zu diesem Thema mir etwas ausgedacht.
Gloria
saß auf ihrem Sofa und baumelte lustlos mit den Beinen. Sie trug ein
hübsches weißes Kleid,ihre dunkelblonden Locken wurden von einem
roten Band gehalten und rote feine Lachschuhe zierten ihre Füße.
Gelangweilt
glitt ihr Blick durch das Zimmer, über die hübschen weiß
lackierten Möbel, das große Puppenhaus mit dem echten elektrischem
Licht, die vielen wunderschönen Puppen, die aufgereiht auf einem
Puppensofa saßen, die große Kiste mit Spielsachen. Man hatte den
Eindruck als wäre man in der Spielzeugabteilung eines großen
Kaufhauses.
Gloria
sprang auf und verließ das Zimmer.
Aus
dem Salon drangen Stimmen und das Mädchen schlüpfte durch die Tür
und stellte sich neben ihre Mutter die mit ihrem Freundinnen Kaffee
trank.
Unwillig
sah diese auf.
„Was
willst du?“
„Mir
ist so langweilig!“
Frau
Baumann verdrehte die Augen und meinte zu ihren Freundinnen gewandt.
„Dieses
Kind hat das ganze Zimmer voller Spielzeug und beklagt sich über
Langweile.“
Die
jungen Frauen lachten und Gloria wurde rot.
Stirn
runzelnd wandte sich ihre Mutter an das Mädchen.
„Nun
geh spielen, du siehst ja ich habe kein Zeit, du störst.“
Mit
gesenktem Kopf verlässt das Kind das Zimmer.
Aus
der Küche drang Stimmengewirr, Lachen und Töpfe klappern.
Gloria
schlängelte sich durch die Tür.
Eines
der Küchenmädchen sah sie und rief:
„Was
willst du hier, du bist im Weg, außerdem wenn die Gnädige das
sieht, dann wird sie sehr ungnädig.“
Die
anderen lachten und Gloria schlich sich hinaus.
Mit
Tränen in den Augen ging sie über die Terrasse in den Garten.
Sie
fühlte sich so schrecklich einsam.
Am
Ende des Gartens sah sie eine Bewegung und schnell lief sie hinüber.
Ein
Mädchen in Jeans sprang gerade über den Zaun und ihr Pferdeschwanz
wippte fröhlich auf und ab, als sie auf dem Boden aufkam.
„Wer
bist du?“
Erschrocken
sah das Mädchen auf und wurde leicht verlegen.
„Hanna,
bitte verrate mich nicht.“
„Warum
bist über den Zaun geklettert?“
Das
Mädchen wurde etwas rot: „ ich wollte einige der Äpfel
aufklauben, die hier am Boden liegen.“
„Was
willst du denn damit?“
„ Mein
Mutter hat Morgen Geburtstag und ich will ihr einen Apfelkuchen
backen.“
„Kannst
du das denn ?“
Hanna
lachte.
„Ich
bin doch schon zwölf! Weißt du mein Papa ist vor zwei Jahren
gestorben und meine Mutter muss jetzt immer soviel arbeiten, da helfe
ich im Haushalt soviel ich kann.“
„Ich
bin acht Jahre, aber ich kann gar nichts und kochen und backen macht
unsere Köchin und die Küchenmädchen. Mein Papa ist immer in der
Arbeit, aber Mama muss gar nicht arbeiten. Sie muss nur mit ihren
Freundinnen Kaffee trinken oder einkaufen gehen.“
„Ihr
seid ja auch reich.“
Gloria
hob die Schultern. Dann lächelte sie.
„Wie
viele Äpfel brauchst du denn für den Kuchen.“
„Fünf.“
Gloria
bückte sich und reichte ihr die Äpfel, die Hanna in die
Jeanstaschen und oben in ihr Hemd stopfte.
„Danke,
weißt du was, ich komme Morgen und bringe dir ein Stück von meinem
Kuchen.“
„Das
wäre schön! Aber nicht über den Zaun, klingle an der Tür.“
Am
nächsten Tag, trieb sich Gloria immer wieder in der Nähe der Tür
herum und wartete sehnsüchtig auf ihre neue Freundin.
Endlich
klingelte es und das Dienstmädchen öffnete die Tür, betrachtete
das einfach gekleidete Mädchen und meinte naserümpfend: „Betteln
ist hier verboten.“
Da
drückte sie Gloria zur Seite.
„Das
ist meine Freundin Hanna.“
Achselzuckend
verschwand das Dienstmädchen und
Gloria
zog Hanna in die Halle.
Diese
sah sich staunend um.
„Das
ist ja größer, als unsere ganze Wohnung.“
Bald
standen sie in Glorias Zimmer und wieder staunte Hanna über die
Reichtum und Pracht.
Und
trotzdem wunderte sie sich, dass ihre neue Freundin so traurig war
und sie sprach ihren Gedanken laut aus.
Die
Kleine zuckte die Schultern.
„ Ich
habe alles was ich mir nur wünsche, aber niemand hat Zeit für mich.
Mein Vater ist in seiner Fabrik, oder auf Geschäftsreise, meine
Mutter hat immer Besuch und dem Personal bin ich immer im Wege. Sonst
kümmert sich meine Hauslehrerin um mich, aber da Ferien sind, ist
sie verreist.“
Mitleidig
setzte sich Hanna neben Gloria und legte ihr den Arm um die Schulter.
„Jetzt
hast du ja mich, darf ich deine Freundin ..., oh nun hätte es
beinahe vergessen, ich habe dir was mitgebracht.“
Sie
zog aus ihrer Hosentasche ein etwas zerdrücktes Päckchen.
„Mein
selbst gebackener Kuchen.“
Gloria
biss ein Stück von dem etwas zerquetschtem Gebäck ab und meinte
noch nie so etwas köstliches gegessen zu haben.
„Der
ist aber lecker und den hast du ganz allein gebacken, hat deine
Mutter sich sehr gefreut?“
Hanna
nickte glücklich und nun erzählt sie, wie tapfer ihre Mutter ist
und viel arbeiten muss, seit Papa tot ist. Aber sie erzählt auch wie
sie ihr soviel wie möglich im Haushalt hilft. Ach und wie froh diese
immer ist, wenn sie nach Hause kommt und alles aufgeräumt und das
Abendbrot auf dem Tisch steht und wie ihre Mutter sie immer mein
kleines Hausmütterchen nennt. Und abends kuscheln sie auf dem Sofa,
erzählen was sie tagsüber erlebt haben, dann zeigt sie noch ihre
Hausaufgaben und sie lesen sich abends gegenseitig vor.
Gloria
aber laufen die Tränen über das Gesicht.
„Deine
Mama hat dich so lieb und meine liebt mich gar nicht.“
„Unsinn!
Deine Mutter hat dich lieb, sonst würde sie dir doch nicht all dies
her schenken.“
„Aber
ich bin doch immer so allein.“
„Das
bin ich doch auch, weil meine Mutter den ganzen Tag arbeiten muss.
Weißt du was, ich werde dich jeden Tag besuchen und dann spielen wir
zusammen.“
Gloria
nickt glücklich.
©
Lore Platz 2.09.2020
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