Es liegt wohl in der Natur der Menschen, dass alles was sie nicht verstehen ihnen Angst einflößt. Und Angst bringt oft das schlimmste hervor, wie man zur Zeit auch bei uns im Land spüren kann.
Lilaluna,
Anneliese und die Kräuterfrau
Etwas
wehmütig faltet Anneliese das Elfenkleid zusammen und legt es in den
Karton, dann steigt sie auf einen Stuhl und verstaut diesen auf dem
Schrank in ihrem Zimmer.
Gestern
war sie bei ihrer Brieffreundin Bärbel zu einer Faschingsparty
eingeladen gewesen.
Ihre
Brieffreundschaft entstand, als diese ihre Adresse mit einem gelben
Ballon auf die Reise geschickt hatte.
In
den Weihnachtsferien hatten sie sich dann endlich auch persönlich
kennengelernt und gestern dann die Party.
Leider
war Bärbel heute nach Hamburg gefahren, um den Rest der Ferien bei
ihrer Oma zu verbringen, da ihre Mutter den Vater auf einer
Geschäftsreise begleitete.
Anneliese
setzt sich aufs Bett, was sollte sie tun?
Ihre
Elfenfreundin Lilaluna schlief während des Winters zusammen mit den
anderen Elfen unter der Erde.
Lustlos
stützt sie den Kopf in beide Hände und starrt trübsinnig vor sich
hin.
Ein
Klopfen am Fenster schreckt sie auf. Eine Taube schlägt kräftig mit
ihrem Schnabel an die Scheibe.
Empört
reißt Anneliese das Fenster auf. „He, was soll das!“
Die
Taube wirft ihr einen hochnäsigen Blick zu, fliegt an ihr vorbei und
lässt sich auf dem Schreibtisch nieder.
Anneliese
wedelt mit beiden Armen. „He, verschwinde!“
Ein
Kichern ertönt und unter dem Flügel schlüpft Lilaluna hervor.
„Ich
dachte du hältst Winterschlaf?“
Lilalunas
Gesicht wird ernst. „Würdest du bitte das Fenster schließen, es
ist soooo kalt.“ Zittern schlägt sie die Arme um sich.
Anneliese
schließt das Fenster hinter der Taube und setzt sich an den
Schreibtisch.
„Wieso
schläfst du nicht, du wirst bei der Kälte doch nicht überleben
können,“ besorgt sieht das Mädchen ihre Freundin an.
„Wir
alle schlafen nicht mehr, denn unsere Königin ist schwer krank und
selbst Dr. Wichtel kann ihr nicht mehr helfen, deshalb bin ich zu dir
gekommen.
„Aber
ihr schlaft doch tief unter der Erde, warm und sicher vor dem kalten
Wetter?“
„Aber
unsere Königin hat ihr Himmelbett hoch oben in einer alten Eiche und
diese wurde bei dem letzten Sturm schwer geschädigt und in das
Zimmer der schlafenden Königin drangen von allen Seiten kalte Winde
und nun liegt sie mit hohem Fieber da. Wenn Frau Eule uns nicht
geweckt hätte, hätten wir es gar nicht bemerkt.“
Lilaluna
senkt den Kopf und Tränen rollen über ihre Wangen.
„Aber
wie kann ich denn helfen?“
„Dr.
Wichtel hat leider keine Kräuter mehr und in dieser Jahreszeit sind
weit und breit keine zu finden.
Aber
am Ende des Dorfes lebt eine alte Frau, die sammelt Kräuter und wir
möchten, dass du uns die passenden Kräuter besorgst.“
Anneliese
wird blass. „Die Kräuterhexe!“
Lilaluna
sieht sie erstaunt an.
„Aber
das ist keine Hexe, sondern ein Mensch wie du.“
„Die
Dörfler aber nennen sie Hexe und außerdem sie mag keine Kinder.“
„Kein
Wunder, weil die sie immer verspotten und ihr übles antun,“ ruft
Lilaluna empört.
Anneliese
lächelt. „Ich werde die Kräuterfrau aufsuchen, welche Kräuter
braucht Dr. Wichtel?“
„Moment!“
Lilaluna schließt die Augen um sich zu konzentrieren.
„ Thymian,
Brunnenkresse, Ehrenpreis, Weide, Holunder, Lindenblüten,
Pfefferminz und Sauerdorn.“
Nachdem
Anneliese sich alles sorgfältig notiert hat, läuft
sie
gefolgt von der Elfe hinunter, schlüpft in ihre warmen Winterstiefel
und zieht sich ihren flauschigen Mantel über.
Während
sie die selbst gestrickte Mütze über die Ohren stülpt, fragt sie
ihre kleine Freundin.
„Willst
du mitkommen oder hier warten?“
„Ich
würde dich ja gerne begleiten, aber die Kälte?“
Anneliese
runzelt die Stirn, dann fällt ihr Blick auf die gefütterten
Fäustlinge ihrer Mutter.
„Krieche
hier rein, das wird dich vor der Kälte schützen.“
Die
Elfe verschwindet in dem Handschuh und streckt dann grinsend den Kopf
raus. „ Herrlich warm und kuschelig.“
Es
schneit als sie den Feldweg zum Haus der Kräuterfrau entlang
schreiten.
Nicht
weit davon hören sie Kinder johlen, die mit ihren Schlitten den
kleinen Feldberg hinunter rasen.
Drei
Jungen aber schlagen sich in die Büsche und pirschen zu dem alten
Haus und bald darauf prasseln Schneebälle begleitet von grölenden
Rufen gegen das Fenster.
Anneliese
versteckt sich hinter einem Baum und meint grimmig:
„Die
kenne ich, die sind eine Klasse unter mir, Max, Tom und Werner.“
Wieder
ertönt der Ruf: „ Komm raus alte Hexe!“
Lilaluna
aber guckt vorsichtig aus der Manteltasche, den Zauberstab gezückt.
„Soll
ich sie in Ratten verwandeln?“ fragt sie grimmig.
Anneliese
kichert.
„Nein,
du weißt, dass du Menschen nicht verwandeln darfst,“ einen Moment
überlegt sie, „aber kannst du Schneebälle bewegen?“
„Denke
doch!“
Schnell
formt das Mädchen einige Schneebälle und verteilt sie auf dem
Boden, dann formt sie die Hände zu einem Trichter und ruft mit
hohler Stimme.
Hier
ist das Schneemonster, verschwindet ihr bösen Buben, oder es wird
euch schlimm ergehen.
Und
dann prasseln von allen Seiten Schneebälle auf die Jungen und laut
schreiend laufen sie davon.
Die
beiden Mädchen kichern.
Wenig
später klopft Anneliese an die schwere Holztür, die sich vorsichtig
öffnet.
„Was
willst du?“
„Guten
Tag Frau Brunner, eine Freundin von mir ist sehr krank und ich würde
gerne einige Kräuter von ihnen kaufen.“
„Komm
rein!“
Müde
und irgendwie traurig schlurft die alte Frau voraus in die Küche, in
der ein fröhliches warmes Feuer prasselt.
Ein
alter Eichenschrank ist voller Tiegel und Töpfe und von den Wänden
hängen Bündel mit Kräutern.
„Möchtest
du einen Tee?“
Anneliese
nickt.
Bald
steht eine dampfende Tasse vor ihr und die alte Frau schiebt ihr
einen Topf mit Honig hin.
„Habe
nicht oft Besuch, die Leute wollen zwar meine Hilfe aber weiter
möchten sich nichts mit mir zu tun haben. Hast du die Lauser
vertrieben?“
Anneliese
nickt grinsend. „Feiglinge sind es, nur stark in der Gruppe .“
Die
alte Frau mustert sie lange, dann lächelt sie.
„Du
hast ein gutes Herz, danke für deine Hilfe.“
Sie
unterhalten sich noch ein wenig und das Mädchen spürt die
Einsamkeit der alten Frau und schämt sich ein wenig, dass auch sie
auf das dumme Gerede der Leute gehört und sogar Angst gehabt hat.
Später
holt sie dann den Zettel mit den Kräuternamen hervor.
Frau
Brunner packt alles in ein Säckchen, dann gibt sie noch einen
kleinen Tiegel Gänseschmalz dazu.
„Damit
soll sich die Kranke die Brust einreiben, das hilft und löst den
Husten.“
Nachdem
Anneliese das Geld hin gezählt hat, bedankt sie sich für den Tee
und einer Eingebung folgend fragt sie, ob sie wiederkommen darf.
Die
Augen der Alten leuchten auf.
„Gerne,
ich bekomme niemals Besuch.“
Das
Mädchen winkt und verlässt das Grundstück.
Frau
Eule kommt ihnen entgegen, als sie den Wald betreten und bringt die
Medizin hinauf in den Baumhöhle.
Es
dauert lange bis sie wiederkommt mit Dr. Wichtel auf dem Rücken.
„Danke
dir, Anneliese, du hast der Königin das Leben gerettet. Sobald es
ihr besser geht, werden wir sie in eine Höhle unter der Erde
bringen, denn auf der Baumkrone ist es wohl zu gefährlich.“
Das
Mädchen verabschiedet sich von ihren kleinen Freunden, die ihr
Versprechen sie im Frühling wieder zu treffen.
Als
sie an dem Haus der Kräuterfrau vorbei kommt, denkt Anneliese, dass
sie heute einen Kuchen backen und Morgen die alte einsame Frau
besuchen will.
Sicher
konnte sie viel von ihr lernen.
©
Lore Platz 8.01.2019
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