Freitag, 31. Januar 2020

Der Sohn des Wassermannes Teil 10



Für den Moment sind wir in Sicherheit,“ murmelt die Möwe, während sie versucht auf der wankenden Eisscholle nicht abzurutschen.
Wohin fahren wir denn?“ will Lucinda wissen.
Der Pinguin schaut sie mit seinen schönen dunklen Augen freundlich an, bleibt aber stumm.
Dein Freund redet wohl nicht gern.“
Er ist eben einer von den Stillen.
Wir bringen dich zum Nordwind. Er ist der Bruder von Perlweiß und wird dir sicher helfen.“
Woher weißt du so viel über meine Familie?“
Ich komme eben viel herum und unterhalte mich gerne.“
Gib zu, dass du eine neugierige Klatschbase bist.“
Und du bist ein undankbares, freches Fräulein!“ ereifert sich die Möwe.
Wir sind da,“ unterbricht der Pinguin die Streithähne.
Die Eisscholle prallt an das Ufer und Lucinda springt auf festen Boden.
Ohne sich umzusehen fliegt der beleidigte Vogel in eine Felsengrotte und die junge Frau folgt ihm, während der Pinguin wendet und wieder auf das offene Meer hinaus treibt.
Lucinda spürt ihre Füße kaum noch, als sie durch den Tunnel aus Eis stolpert.
Endlich erreicht sie einen offenen Raum.
Stühle und Tische sind aus glitzerndem Eis und von den Wänden hängen Eiszapfen.
Eine Frau in einem weißem schimmerndem Kleid, das mit herrlichen Eisblumen bestickt ist, steht an einem Ofen und rührt in einem großen Topf.
Sie hebt den Kopf und sieht sie überrascht an.
Die Möwe sitzt auf einer Stuhllehne und putzt sich die Federn.
Wen hast du mir denn da gebracht?“
Die Dame betrachtet die vor Kälte schlotternde junge Frau.
Das ist Lucinda, das Schwesterkind deines Mannes.“
Du bist die Frau von Meeresheld. Wir haben von der Hochzeit gehört.
Aber was rede ich solange, da bist ja halb erfroren.
Komm mit mir, erzählen können wir später.“



Sie nimmt die Prinzessin an der Hand und führt sie in einen Nebenraum, in dem ein herrlich blauer See schimmert.
Lucinda erschauert, aber die Frau des Nordwinds lacht.
Keine Angst, der See ist warm. Er wird gespeist von heißen Quellen.“
Die junge Frau steigt in den See und genießt das herrlich warme Wasser, das ihren halb erfrorenen Gliedern gut tut.
Als sie ihr Haar gewaschen und zu einem Zopf geflochten hat, kommt ihre Tante zurück, bringt ihr frische und vor allem warme Kleider und ein Paar wunderschöne Pelzstiefel.
Wenig später betritt Lucinda den großen Wohnraum
Zwei Jungen und ein Mädchen sitzen am Tisch und albern mit der Möwe herum.
Es sind die Kinder des Nordwinds und werden ihr als Schneeflocke, Hagel und Graupel vorgestellt.
Während des Essens erzählt Lucinda von ihren schrecklichen Erlebnissen.
Arme Kleine,“ liebevoll tätschelt die Nordfrau ihre Hand.
Leider bist du auch bei uns nicht sicher, denn die Meerhexe ist die Schwester der Eishexe.“
Ein eisiger Wind lässt die Grotte erzittern und bringt Schnee Kälte herein.
Mein Mann,“ seufzt Frau Nordwind, „ und er ist nicht besonders gut aufgelegt.“
Gleich darauf steht der große furchteinflößende Nordwind im Raum.
Die weißen buschigen Augenbrauen grimmig gewölbt deutet er auf Lucinda.
Du da, du kommst mit, die Eishexe will dich sehen!“
Schützend stellt sich seine Frau vor ihren Gast.
Willst du dein Schwesterkind der Eishexe ausliefern? Der weiße Wolf wird sie zerreißen!“
Der Nordwind wirft ihr einen finsteren Blick zu.
Weib, willst du dich gegen die Eishexe stellen!“
Ach und seit wann ist der Nordwind kein freier Mann mehr, sondern ein Lakai der Eishexe.“
Beide Arme in die Hüften gestemmt funkelt sie wütend ihren Mann an.
Grimmig blickt er zurück, dann wendet er sich um.
Wenn ich wieder komme, ist sie verschwunden!“
Er saust davon und das Geschirr auf dem Tisch wackelt.
Er ist wütend,“ meint seine Frau achselzuckend und
geht in den Nebenraum, aus dem sie gleich darauf mit einem Pelzmantel und einer Fellmütze wieder kommt.
Es ist besser wenn du uns verlässt.
Geh zu Frau Holle. Sie und die Eishexe mögen sich nicht.“
Während sie durch die verschlungen Gänge zum Hinterausgang gehen, erklärt die Nordfrau der Wasserprinzessin den Weg zu Frau Holle.
Sie drückt ihr einen Beutel mit Proviant in die Hand.
Wenn du Durst hast brich dir einen Eiszapfen ab und nun lebe wohl meine Kleine, möge der große Himmelsherr dich beschützen.“
Eine letzte Umarmung und Lucinda wandert durch die weiße Landschaft ins Ungewisse.
Doch wie viel schöner ist es jetzt zu gehen mit den warmen Stiefeln und der kuscheligen Winterkleidung.
Die Frau des Nordwinds aber steht noch lange da und sieht ihr nach.
Deshalb bemerkt sie auch den weißen Wolf, der sich an die Fersen des Mädchens heftet.
Sie ruft ihre Kinder und befielt ihnen, ihre Kusine zu begleiten und wenn der weiße Wolf ihr zu nahe kommt, sofort einzugreifen.
Die Drei versprechen es und erheben sich in die Luft.