Freitag, 2. Oktober 2020

Die Kristallkugel -



Viel Spaß beim Lesen!








Die Kristallkugel



„ … und als die Spindel in den Brunnen fällt ist Marie sehr erschrocken und voller Angst springt sie hinterher.“
Oma, das war aber dumm von dem Mädchen, wusste sie denn nicht, dass es gefährlich ist in so einen tiefen Brunnen zu springen.“
Ilse schüttelt empört den Kopf.
Die Oma lacht.
Es ist doch ein Märchen und dort ist alles voll Zauber und Magie. Du darfst natürlich nicht in einen Brunnen springen, das wäre wirklich gefährlich.“
Ilse will sich ausschütten vor Lachen.
Das wäre auch schwer, denn weit und breit gibt es bei uns keinen Brunnen, das Wasser kommt schließlich aus dem Wasserhahn.“
Frau Baumgartner schmunzelt und liest weiter.







Es ist eine tief dunkle Nacht, kein Stern blinkt am Himmel, selbst der Mond hat sich heute nicht aus seinem Bett gewagt.
Aua!“ Ilse setzt sich im Bett auf und greift sich an den Kopf. Irgendetwas hat sie an ihren schwarzen Locken gezupft.
Sie hört ein Kichern und eine kleine Laterne schwenkt vor ihren Augen hin und her. Die Laterne wird von einem kleinem Kerl, der mit einer braunen Hose, einem grünen Wams und einem riesengroßen Pilzhut bekleidet ist, gehalten.
Wer bist denn du?“
Der Kleine verbeugt sich und stellt sich vor.
Ich bin Perlino, ein Pilzmännchen und ich brauche deine Hilfe.“
Nun wird Ilse neugierig.
Wozu brauchst du meine Hilfe?“
Der böse Zauberer Hukleblitz hat unserer Königin der Fee Lichterstrahl ihren Kristall gestohlen. Er hat einen der Diener bestochen und dieser hat ihm das geheime Versteck verraten. Und wenn wir diesen Kristall nicht bald finden wird unsere Königin sterben und wir alle mit ihr.“
Wisst ihr denn, wo der Kristall sich befindet.“
Hukleblitz hat ihn in den tiefen Brunnen, der zu Frau Holles Reich führt, geschleudert.“
Na dann holt ihn doch raus, was braucht ihr da mich?“
Ilse dreht sich um und drückt ihr Gesicht wieder in das Kissen.
Wieder wird sie an der Haaren gezogen und richtet sich empört auf.
Lass sofort los, du du Pilzmännchen!“
 
 

 
 
Du kannst jetzt nicht schlafen, du musst uns retten!“
Warum ich, mach 's doch selber, oder denkst du ich bin so dumm in einen Brunnen zu springen, aus dem ich nicht wieder heraus komme.“
Plötzlich ist das Zimmer in ein helles Licht getaucht. Das Strahlen geht von einer wunderschönen Fee aus, vor dem sich das Pilzmännchen ehrfürchtig verneigt.
Verzeih, liebe Ilse, aber Perlino ist wohl nicht sehr diplomatisch.“
Dieser senkt beschämt den Kopf.
Es ist sehr wichtig, dass du uns diesen Kristall zurückholst, denn je länger er verschwunden ist, umso mehr verschwindet meine Lebenskraft und wenn sie ganz verschwindet, wird mein Volk mit mir untergehen. Wir sind Geschöpfe der Luft und der Erde und im Wasser würden wir sterben, das wusste Hurleblitz und deshalb hat er meine Kugel in den Brunnen geworfen.“
Und ihr Menschen könnt schwimmen und tauchen wie Fische!“ ruft Perlino.
Ilse wirft ihm nur einen ärgerlichen Blick zu, dann sieht sie in die sanften Augen der Fee.
Ich will euch helfen, was muss ich tun?“
Du weißt wie Marie zu Frau Holle kam, folge diesem Weg und Frau Holle wird dir weiter helfen. Komm!“
Das Mädchen schuppst das Pilzmännchen, das immer noch auf ihrem Bett steht zur Seite und schlüpft in ihre Jeans, stülpt sich den Pullover über und schließt die Klettverschlüsse ihrer Turnschuhe.
Die Fee streckt ihr lächelnd ihre Hand entgegen und als Ilse deren Finger berührt, wird sie plötzlich leicht und schwebt durch die schwarze Dunkelheit.

Bei einem Brunnen, der aussieht wie der in ihrem Märchenbuch, verabschiedet sich die Fee und wünscht ihr viel Glück.
Ilse klettert auf den Brunnenrand, verharrt einen Moment, hebt sich die Nase zu und springt ins kalte Wasser.
Vollkommen trocken landet sie auf einer wunderschönen Wiese. Bienen summen, und Schmetterlinge um gaukeln in fröhlichem Tanz die Blumen.
Ilse folgt dem Pfad, kommt an dem Apfelbaum vorbei, dessen Äpfel sie schüttelt, holt das Brot aus dem Backofen und steht dann vor dem Haus von Frau Holle.
Freundlich wird sie von der molligen Frau begrüßt und nachdem sie ihr viele Leckereien vorgesetzt hat, führt sie das Mädchen hinauf in den Turm und durch ein großes Fernrohr zeigt sie ihr wo der Kristall versteckt ist.
In einer Höhle bewacht von einem großen Bären liegt die Kugel.
Wie soll ich sie dort heraus holen?“ fragt Ilse verzagt.
Frau Holle winkt ab. „Das ist leicht, ich gebe dir meinen Umhang, der dich unsichtbar macht. Du musst nur aufpassen, dass du nirgends hängen bleibst und du dann sichtbar wirst.“
Als Ilse das Haus verlässt wirft sie sich den blauen schweren Umhang um und wird unsichtbar.


 

 
Vor der Höhle des Bären hält sie einen Moment an, dann nimmt sie all ihren Mut zusammen und betritt diese.
Das große braune Ungetüm erhebt sich auf die Hinterfüße und dreht brummend seine Nase in alle Richtungen.Es hat den Eindringling gerochen, kann aber niemand entdecken.
Vorsichtig schiebt sich das Mädchen an dem Bären vorbei, nimmt den Kristall und lässt ihn unter ihrem Mantel verschwinden.
Dann läuft sie schnell aus der Höhle, doch in ihrer Hast bleibt sie an dem rauen Felsen hängen, der Mantel rutscht von ihrer Schulter und der Bär erblickt sie.
Mit einem wilden Brummen läuft er los.
Ilse rennt, doch das Untier kommt immer näher. Plötzlich kommt ein Sturm auf, Sand, Kies und Blätter wirbeln durch die Luft und der Bär kann nichts mehr sehen.
Brummend flieht er zurück in seine Höhle.
Danke Frau Holle,“ flüstert Ilse.
Bald hat sie das hübsche Häuschen der alten Frau erreicht. Frau Holle führt sie zu dem Tor, durch das sie wieder auf die Erde zurück kommt.
Oben wird sie schon von der Fee erwartet, die sich herzlich bei ihr bedankt.

Die Sonne kitzelt Ilse an der Nase, sie streckt sich und öffnet die Augen.
Was für ein Traum!

© Lore Platz