Die
erste Zeit, als mein Mann und ich zusammen waren, fuhr er noch zur
See. Und bei unserem ersten Abschied, als wir uns für Monate trennen
mussten, schenkte er mir einen Wellensittich, damit ich nicht so
allein wäre.
Ich
nannte ihn „Bazi“ das bayrische Wort für Lausbub oder Schlingel.
Der
kleine Bazi wurde sehr zutraulich und machte mir große Freude und
wenn ich meine seitenlangen Briefe an meinen Mann schrieb, trippelte
er über den Tisch und sah mir mit schief geneigtem Kopf dabei zu.
Daran
erinnerte ich mich, als ich diese Geschichte schrieb.
Bazis Ausflug in die weite Welt
Es
war ein schöner sonniger Herbsttag, ein Tag den man wohl den
goldenen nennt.
Die
Sonne war nicht mehr so heiß, aber doch von einer angenehmen Wärme
und ließ den kleinen Garten und das gemütliche Häuschen im
goldenen Schein erstrahlen.
Die
Fenster waren weit geöffnet und man konnte einen Blick in das
gemütliche Wohnzimmer werfen.
Ein
blaues Sofa und zwei gemütliche Sessel, die um einen Tisch gruppiert
waren nahmen fast den ganzen Raum ein.
Ein
Schrank fehlte ganz, dafür aber sah man einen Kachelofen, der fast
die ganze Wand bedeckte und im Winter wohlige Wärme spendete.
Ein
Bücherregal stand in seiner Nähe und zeigte, dass die Bewohnerin
sehr gerne las.
In
der Nähe des Fensters war noch ein rundes Tischchen,
auf
dem ein großer Käfig thronte, in dem ein Wellensittich auf einer
Stange saß.
Gerade
kam Frau Kohlhuber herein, die Besitzerin dieses Häuschens.
Sie
trat an den Käfig und lockte:
„Sag
Bazi, ... Baaaziiiii!“
Der
Vogel sah sie nur mit schief geneigtem Kopf an und blieb stumm.
Die
alte Frau seufzte. Ihr Mann stammte aus Bayern und hatte sie immer,
wenn sie in verliebtem Übermut allzu keck wurde, „mein
kleiner Bazi“ genannt.
Vor
zwei Jahr war er gestorben und sie war zurück in den Norden in die
Nähe von Hamburg gezogen, da ihr Sohn zur See fuhr.
Bevor
er diesmal in das weit entfernte Brasilien aufbrach hatte er ihr noch
einen Wellensittich geschenkt und sie hatte ihn Bazi genannt und nun
versuchte sie ihm schon seit Wochen diesen Namen beizubringen.
Sie
sah, dass der Futternapf leer war und öffnete den Käfig, um ihn zu
füllen.
In
dem Moment klingelte das Telefon
und schnell drückte sie die kleine Tür des Gitters zu und eilte in
den Flur.
Bazi
sah ihr nach und trippelte an den weißen Futternapf.
Enttäuscht
klammerte er sich an das Gitter und kletterte daran entlang und kam
zu der Tür.
Aber
was war das denn,
diese war ja gar nicht richtig geschlossen und als er mit dem
Schnabel nachhalf, da schwang sie auf.
Einen
Moment verharrte der Wellensittich an der offenen Tür, dann breitete
er die Flügel aus und flog durch das offene Fenster hinaus in die
große unbekannte Welt.
Auf
einem Baum, dessen Blätter sich schon bunt färbten
ließ er
sich nieder uns sah
sich neugierig um.
Die
Sonne brannte warm
auf seine Federn und er fühlte
sich wohl hier und was gab
es doch alles zu sehen.
Eine
Taube
ließ sich
auf dem Baum nieder und Bazi
flog neben
sie und wollte ein
Gespräch mit ihr anfangen, doch diese sah
ihn nur von oben herab an und flog
davon.
Der
Wellensittich war
enttäuscht. Er hätte doch soviel zu fragen und außerdem verspürte
er Hunger.
Seine
Eltern hatten ihm nie beigebracht, wie man in der Freiheit Nahrung
suchen kann, denn genau wie er waren sie in einer Zoohandlung geboren
und von den Menschen gefüttert worden.
Eine
Elster kam nun angeflogen
und der kleine Bazi duckte
sich tiefer in die Blätter, denn er fürchtete
sich vor dem großen Vogel.
Die
Elster aber beachtete
ihn nicht und flog weiter.
Das
kleine Herzchen des Ausreißers klopfte
heftig und außerdem begann
der Hunger sich gar arg zu melden.
Ach
wäre er doch niemals ausgerissen.
„Warum
weinst du,“ fragte
eine
freundliche Stimme und
als Bazi aufsah,
erblickte
er einen kleinen Vogel mit einem blauen Köpfchen und auch der lange
Schwanz war
blau und auf dem hellgelben Bauch war
ein schwarzer Streifen zu sehen.
Der
Wellensittich hatte sofort
Vertrauen zu dem freundlichen Gesellen und erzählte
ihm sein Leid.
Als
er erwähnte,
dass er Hunger hat, lachte
die Blaumeise und meinte:„Komm
mit!“
Sie
landeten
unter dem Baum, wo im
Gras einige Äpfel lagen
und die beiden Vögel pickten
eifrig in einen der saftigen rotbackigen Frucht.
Wie
das schmeckte.
Beinahe
hätten sie die getigerte Katze übersehen, die sich heranschlich
und eben zum Sprung ansetzte.
Erschrocken
flatterten
sie hoch und flogen
davon.
Der
Wellensittich hielt
erst an, als er keine Kraft mehr hatte.
Von
seinem Freund war
nichts zu sehen und auch die
Gegend war
ihm unbekannt
Gegenüber
auf dem Dach erblickte er
einige Vögel, die
aufgeregt
zwitscherten
und glücklich wieder Freunde gefunden zu haben, flog
er hinüber.
Doch
die Spatzen verspotteten
ihn und jagten
ihn davon.
Traurig
saß
er wenig später auf einer Linde und dachte
an seinen Käfig und die freundlich Frau, die ihn immer aufgefordert
hatte seinen Namen zu sagen.
Frau
Kohlhuber war inzwischen ganz verzweifelt und suchte dann Garten ab
nach ihrem kleinen Kameraden, sie lockte und schmeichelte, doch kein
Bazi ließ sich sehen.
Die
zwölfjährige Tochter
der Nachbarn, kam an
den Zaun und fragte wen sie den suche.
Weinend
erklärte ihr die alte Frau, dass sie aus Versehen den Käfig nicht
richtig geschlossen hatte
und nun ihr Wellensittich
entwischt
wäre und doch in der Freiheit gar nicht überleben könnte.
Elke
kam in den Garten und tröstete die alte Frau. Gemeinsam gingen sie
ins Haus und bei Kakao und Kuchen schmiedeten sie einen Plan.
Sie
entwarfen ein Flugblatt, das Elke auf ihrem Kopierer vervielfältigen
und mit ihren Freunden im Ort verteilen wollte.
Bald
liefen die Kinder durch die Straßen und verteilten die Blätter,
baten, sie im Supermarkt aushängen zu dürfen, hängten sie an Bäume
und im Kindergarten und der Schule aus.
Doch
wie ist es Bazi inzwischen ergangen. Ab und zu fand er einige Samen
und Beeren in den Sträuchern, aber an das Fallobst im Gras traute er
sich nicht mehr heran.
Und
auch anderen Vögel wagte er sich nicht zu nähern, nach der
schlechten Erfahrung mit den Spatzen.
Eine
Rauchschwalbe hatte ihn
schon einige Zeit beobachtet und ihr mütterliches Herz regte sich.
Seit
ihre
Jungen das Nest verlassen hatten fühlte sie sich oft etwas einsam
und so lud sie den heimatlosen kleinen
Bazi
zu sich nach Hause ein.
Und
der Wellensittich fühlte sie sehr wohl in dem Nest aus Lehm, das so
schön warm war und sie vor den kalten Herbststürmen schützte. Die
Schwalbe zeigt ihm wie man Insekten fing und abends kuschelten sich
beide zusammen und freuten sich, dass sie nicht allein waren.
Doch
eines Tages erklärte die Schwalbe, dass es bald schneien und sie mit
ihren Kameraden in den Süden fliegen würde, aber Bazi könne gerne
in ihrem Nest bleiben bis sie im Frühjahr wieder kommt.
Der
Wellensittich weinte bittere Tränen als seine mütterliche Freundin
fort flog und sich dem Schwarm anschloss, der gen Süden flog.
Eine
Weile noch fand er Nahrung, doch dann begann es zu schneien.
Und
eines Tages fiel er vollkommen geschwächt aus dem Nest in den weißen
kalten Schnee.
Die
alte Frau, die in dem Häuschen wohnte fand den armen Vogel und als
sie spürte, dass das kleine Herz noch schlug, wenn auch ganz
schwach, nahm sie ihn
mit in das Haus.
Sie
hüllte ihn in ein weiches Tuch, legte ihn in ein Körbchen, das sie
vor den Ofen stellte.
Aus
Haferflocken machte sie einen Brei und fütterte ihn und langsam ging
es dem Wellensittich wieder besser.
Und
als die alte Frau eines morgens
ins Zimmer kam, saß der Vogel auf dem Kaminsims und rief ihr ein
begeistertes „Bazi, Bazi, Bazi!“ entgegen.
Diesen
nicht so seltenen Namen hatte sie doch vor einiger Zeit irgendwo
gelesen.
Da
fiel ihr die Zeitung ein. Vor ein paar Tagen stand doch unter „Suchen
und Finden“ eine Annonce drin.
Denn
als die Flugblätter keinen
Erfolg brachten, hatte Frau Kohlhuber sich an die Zeitung gewandt.
Frau
Jansen durchsuchte nun die Zeitungen der letzten Tage bis sie die
Anzeige fand, dann rief sie die angegebene Nummer an.
Kurze
Zeit später hielt ein Auto vor dem Haus und Frau Kohlhuber kam mit
dem Käfig in der Hand durch
den Garten.
Die
beiden alten Damen waren sich sofort sympathisch.
Und
als sie den geöffneten Käfig im Wohnzimmer abstellten, flog der
Wellensittich mit einem begeisterten „Bazi! Bazi“ hinein und die
beiden Frauen schämten sich nicht ihrer Tränen, die ihnen
über die Wangen liefen.
Und
als sie später bei Kaffee und Kuchen saßen, beäugt von dem
glücklichen Vogel, der froh war wieder in seinem schützenden Käfig
zu sitzen, beschlossen die beiden einsamen alten Damen sich in
Zukunft öfter zu treffen.
©
Lore Platz
Liebe Lore,
AntwortenLöschendas ist eine ganz wunderbare Geschichte. Ich habe mit dem kleinen Bazi mitgelitten und auch mit der Dame, die so traurig war. Wie gut, dass alles einen guten Ausgang genommen hat!
Herzliche Grüße
Regina
Wieder eine deiner wundervollen Geschichten. LG Christa
AntwortenLöschenLiebe Lore,
AntwortenLöschendanke für diese wunderschöne Geschichte.
Ich bin immer wieder überrascht über deine Kreativität.
Einen schönen Abend wünscht
Irmi
Liebe Lore, tausend Dank für diese wunderschöne Geschichte.
AntwortenLöschenOh eine Geschichte aus dem Leben, sehr schön. Mit diesen Federbällchen hatten wir auch viel Freude.
AntwortenLöschenAuch von einem Nachbarkind war mal einer ausgebüchst. Den hat mein Mann mit dem Hut gefangen. Das Kind war überglücklich.
Das ist ja eine sehr schöne Geschichte, �� Lore. Ich hatte selber als Kind einen Wellensittich. Der hieß Pfeffi und hat geplaudert wie ein Buch. Der kleineren Kerl war auch sehr lieb und zutraulich, herzliche Grüße von Karin, der Schwester Deiner Zeichnerin Monika
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